Emmanuel Macron, Olaf Scholz und Donald Tusk
analyse

Treffen des Weimarer Dreiecks Geschlossener Auftritt, Nachfragen unerwünscht

Stand: 15.03.2024 18:19 Uhr

Das Verhältnis von Kanzler Scholz und Frankreichs Präsident Macron war zuletzt von Misstrauen geprägt. Beim Sondergipfel des sogenannten Weimarer Dreiecks zeigen sich Deutschland, Frankreich und Polen demonstrativ geschlossen.

Eine Analyse von Demian von Osten, ARD-Hauptstadtstudio

Es dürfte das Symbolbild dieses Treffens sein: Olaf Scholz, Donald Tusk und Emmanuel Macron treten nach dem Pressestatement vor die Rednerpulte, halten sich fest an den Händen und lächeln in die Kameras. Scholz strahlt geradezu. Das Treffen sei ein ganz wichtiges Zeichen der Geschlossenheit, sagt der Bundeskanzler vor Journalisten. Man stehe "eng und unverbrüchlich an der Seite der Ukraine".

Emmanuel Macron ergänzt: "Wir sind einig, entschlossen, wir werden alles tun, damit Russland den Krieg nicht gewinnt." Und der polnische Premierminister Tusk ergänzt: Die bösen Gerüchte über Meinungsverschiedenheiten würden nicht stimmen. Nachfragen von Journalisten waren keine zugelassen. Nichts sollte das Bild europäischer Einigkeit und Geschlossenheit trüben.

Munition auf dem ganzen Weltmarkt beschaffen

Beschlossen haben die drei Staats- und Regierungschefs unter anderem, dass Munition auf dem gesamten Weltmarkt beschafft werden soll. Die Produktion militärischen Geräts werde ausgebaut, bei Raketenartillerie solle es Fortschritte geben. Auf der Ebene der EU wolle man etwa Gewinne aus eingefrorenem russischen Vermögen nutzen, um Waffen für die Ukraine zu kaufen.

Es wirkt, als hätten die drei Politiker dieses Mal vieles richtig gemacht. Das Weimarer Dreieck kann nämlich genau die richtige Runde für Einigkeit in der EU sein, die es jetzt braucht: Deutschland als Wirtschaftsmacht, Frankreich als Atommacht und UN-Sicherheitsratsmitglied und Polen als tonangebender Staat Osteuropas. 188 Millionen Menschen, mehr als 40 Prozent der EU-Bevölkerung - zwischen drei Politikern können auf diese Weise zügig Entscheidungen herbeigeführt werden, die sich später auf die gesamte EU erweitern lassen. Doch leider hat im Vorfeld die deutsch-französische Uneinigkeit vieles überschattet.

Seitenhieb auf Scholz

Ausgerechnet am Vorabend gab Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ein großes TV-Interview zum Ukraine-Krieg - ausgestrahlt zur besten Sendezeit um 20 Uhr. "Wer Optionen ausschließt, wählt nicht den Frieden, sondern die Niederlage", sagte Macron. Mit dem Seitenhieb auf den Bundeskanzler verteidigt Frankreichs Präsident erneut seinen Vorstoß, NATO-Bodentruppen in der Ukraine nicht auszuschließen. "Wenn die Situation sich verschlechtert, müssen wir bereit sein, damit Russland niemals gewinnt", sagt Macron.

Sätze, die im Bundeskanzleramt für Verärgerung gesorgt haben dürften. Gerade erst hatte Scholz erläutert, warum Deutschland keine "Taurus"-Marschflugkörper schicken will, da setzt Macron ihn mit Bodentruppen unter Druck, was Scholz wieder einfangen muss. Scholz fordert zudem immer wieder öffentlich von anderen Staaten mehr finanzielles Engagement für die Ukraine - gemeint ist auch Frankreich. Es gibt weniger Geld für die Ukraine aus, verweist aber darauf, sehr effektive Waffensysteme geliefert zu haben. Ein wochenlanges Hin und Her gegenseitiger Vorwürfe.

Macron-Interview auch an Putin gerichtet

In Expertenzirkeln bekommt Macron durchaus positives Feedback für seinen Fernsehauftritt. Putin im Ungefähren lassen, als Europa unberechenbarer werden und sich nicht in die Karten gucken lassen - das sehen Experten als den richtigen Weg, wie mit dem russischen Autokraten umzugehen sei. Der Präsident spricht mit Worten wie "Sieg" und "Niederlage", eine Glaubwürdigkeit Europas, die "auf null" sinken würde, wenn Russland den Krieg gewinne.

"Das Interview war auch darauf gerichtet, Putin zu zeigen, dass Europa in der Lage ist, sich zu verteidigen," sagt die deutsch-französische Politikwissenschaftlerin Sophie Pornschlegel vom Jacques Delors-Institut in Brüssel. "Und dass wir nicht sagen, diese Option legen wir nicht auf den Tisch, weil sie uns zu weit geht."

Olaf Scholz dagegen erläuterte zuletzt wesentliche Fragen nicht in einem Fernsehinterview zur besten Sendezeit, sondern auf einer Journalistenkonferenz, in einem Gymnasium oder unter Druck gesetzt von Oppositionsabgeordneten im Deutschen Bundestag. Scholz gelang es nicht, vor die Welle des Drucks von außen zu kommen, sondern wurde in die Rolle des Bremsers gedrängt.

Er selbst oder Mitglieder seiner SPD-Bundestagsfraktion würden es "besonnen" nennen, in der Öffentlichkeit entstand allerdings der Eindruck, dass er von außen getrieben wird - von Expertinnen und Experten, Abgeordneten auch aus der eigenen Regierungskoalition, aber eben auch von externen Akteuren wie dem russischen Präsidenten (Stichwort: Abhöraffäre "Taurus") oder jetzt dem französischen Präsidenten (Stichwort: Bodentruppen).

Misstrauen zwischen Deutschland und Frankreich

"Die deutsch-französischen Beziehungen waren nie einfach", sagt Politikwissenschaftlerin Pornschlegel. "Frankreich hat meistens sehr ambitionierte Visionen vorgestellt, die vielleicht ein bisschen zu weit gingen und daraufhin hat Deutschland gesagt: 'Wir müssen das etwas pragmatischer angehen.' Deutschland hat aber nie nein gesagt."

Diese Dynamik sehe sie jetzt nicht mehr, sagt Pornschlegel. Es gebe nun ein großes Misstrauen zwischen den Ländern und insbesondere zwischen den Entscheidungsträgern. Diesen Eindruck des Misstrauens haben heute sowohl Macron als auch Scholz versucht auszuräumen. Solidarität und gemeinsames Handeln seien unverzichtbar, um Frieden und Freiheit in Europa zu verteidigen. Scholz sagte: "Mehr denn je gilt: Unsere Einheit ist unsere Stärke."

Expliziter Dank von Tusk

Womöglich hat auch der erfahrene polnische Ministerpräsident Donald Tusk eine wichtige Rolle gespielt, die Unstimmigkeiten zwischen Deutschland und Frankreich zu glätten. Der explizite Dank von Tusk an den Bundeskanzler, nicht gezögert zu haben, dürfte Scholz gefallen haben. Das ist dankbare Unterstützung in Scholz' Kampf gegen den Eindruck, er sei im Ukraine-Krieg nur Zögerer und Zauderer.

Nach Wochen des Streits gelingt den drei Herren das gewünschte Bild der Geschlossenheit und Einigkeit. Schon kommende Woche werde man sich beim EU-Gipfel wiedersehen, sagt Scholz. Bleibt zu hoffen, dass bis dahin alte Gräben zwischen Deutschland und Frankreich nicht wieder aufbrechen.

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