Kanzler Scholz und weitere Minister hören der Rede von Oppositionschef Merz im Bundestag zu.
Analyse

Opposition in Krisenzeiten Teilerfolge auf dem schmalen Grat

Stand: 26.04.2022 13:10 Uhr

Ob Impfpflicht oder Waffenlieferungen: Die Union treibt die Bundesregierung vor sich her - in Krisenzeiten ein schmaler Grat. Findet sie das richtige Maß zwischen bissiger und konstruktiver Opposition?

Eine Analyse von Kristin Marie Schwietzer, ARD Berlin

Die Union prescht vor - die Koalition legt nach. Ziel erreicht? Bei der allgemeinen Impfpflicht war es zumindest so. Plötzlich hatte der Kaiser keine Kleider mehr an. Kanzler Olaf Scholz konnte seine Ankündigung, die Impfpflicht für alle schnell durchzusetzen, nicht umsetzen.

Beim Thema Waffenlieferungen steht die Entscheidung noch aus. Zumindest verbuchen CDU und CSU einen Teilerfolg. Mit ihrem Antrag, möglichst schnell schwere Waffen auch direkt aus Deutschland aus Beständen der Bundeswehr oder von deutschen Herstellern zu liefern, konnte der Oppositionsführer ein weiteres Mal die Ampel-Koalition vor sich hertreiben.

Die Drohgebärde, Stimmen aus den Reihen der Ampel abzuwerben, zeigt zumindest einmal Wirkung. Prompt kündigen die Koalitionsfraktionen einen eigenen Antrag an.

Und heute Morgen legt die Regierung nach und macht den Weg für die Lieferung von Panzern an die Ukraine frei. Die Verteidigungsministerin darf das am Rande eines Ministertreffens am US-Stützpunkt Ramstein verkünden. Es gehe, sagt Christine Lambrecht, um gebrauchte Panzer der Bundeswehr, die von der Industrie wieder aufbereitet wurden. Kein Ringtausch, eine Direktlieferung.

Alles nur Parteitaktik?

Klingt in den Ohren der Union wie ein Erfolg. Sagen will man das so aber nicht. Stattdessen ist man in der Union nun bemüht, es nicht wie einen Triumph vor sich herzutragen. Das sei alles keine Strategie, sondern eine rein sachliche Entscheidung.

Thorsten Frei, der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, freut sich über die Reaktion aus dem Kanzleramt. Was man aus der Ampel höre, lasse die Hoffnung zu, dass sich die Dinge in die richtige Richtung entwickelten. Wenn der Regierungsantrag den Unionsforderungen im Wesentlichen entspreche, "dann unterstützen wir ihn selbstverständlich auch".

Es ist, was es ist: Oppositionsarbeit, die der Regierung weh tut. Die Ampel-Koalition reagiert darauf gereizt. Der SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich findet im ARD-Morgenmagazin: "Die Diskussion der letzten Tage hat doch eine massiv militaristische Schlagseite." SPD, Grüne und FDP werfen der Union parteitaktische Spielchen vor. Auch das gehört zum politischen Ton dazu.

Ein schmaler Grat

Wie es in der Opposition zugeht, dürften Grüne und FDP nicht vergessen haben. Bei der Wahlrechtsreform der vergangenen Legislatur haben sie die damalige schwarz-rote Koalition mit einem eigenen Antrag vor sich hergetrieben. Die Union macht es ebenso. Es zeigt - der Wahlverlierer hat sich in seiner neuen Rolle eingefunden. Das Kanzleramt ist weg. Das dürfte nun bei jedem klar sein. Merz will eine bissige und konstruktive Oppositionsarbeit.

Doch der Weg ist in Krisenzeiten auch ein schmaler Grat. Das weiß auch die Unionsfraktion. Es geht um Menschenleben und einen brutalen Krieg mitten in Europa, der es Regierung und Opposition nicht leicht macht, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Schwere Waffen zu liefern, ist nicht nur Parteitaktik. Es entspricht auch der Überzeugung der Unionsfraktion im Bundestag.

Angst vor Folgen der Sanktionen

In den Ostverbänden der CDU wird in diesen Tagen manche Entscheidung in Berlin dennoch kritisch beäugt. Michael Kretschmer, der sächsische Ministerpräsident, hat seine Bedenken offen formuliert. Die Christdemokraten dort sorgen sich, dass die Sanktionen gegen Russland mit aller Härte die eigene Bevölkerung treffen werden.

Höhere Energiepreise bei gleichzeitig niedrigeren Einkommen dürften einmal mehr Protest hervorrufen. Gesellschaftliche Verwerfungen durch eine zu restriktive Russland-Politik haben Potenzial für Populisten. Die AfD hat in den letzten Jahren oft genug bewiesen, dass sie die Wut der Straße für sich zu nutzen weiß, zuletzt bei den Corona-Protesten. Kurzum, im Osten ist die Angst vor der AfD wieder da. Deswegen muss auch die Union im Bund aufpassen, dass sie den Bogen bei ihrer Russland-Kritik nicht überspannt.

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