Olaf Scholz
analyse

Nach der Europawahl Sommerblues für den Kanzler

Stand: 23.06.2024 05:38 Uhr

So mancher hofft heute auf viele Tore für die deutsche Nationalmannschaft. Der Kanzler womöglich auch. Das könnte die schlechte Stimmung im Land etwas drehen, löst aber nicht seine vielen Probleme.

Eine Analyse von Nicole Kohnert, ARD-Hauptstadtstudio

Ohne Trikot, ohne Deutschland-Schal, ohne Fähnchen saß Kanzler Olaf Scholz in seinem Anzug zuletzt beim Spiel Deutschland gegen Ungarn im Stuttgarter Stadion und feuerte die Mannschaft an. Seine Frau Britta Ernst im pinken Trikot daneben - beide bemüht, es einfach wegzulächeln, dass der rechtspopulistische ungarische Präsident Viktor Orbán zwei Sitze weiter sitzt.

Schließlich sollte es in diesem Moment mal nicht um Politik gehen. Ein Moment, in dem sich Scholz vielleicht sogar hätte entspannen können, wenn er sich für Fußball sehr interessieren würde.

Scholz lächelt nur noch professionell

Scholz rast derzeit durch die Republik, von einer Krisensitzung zur anderen. Zum Treffen der ostdeutschen Ministerpräsidenten in Lutherstadt Wittenberg kommt Scholz mit seinem Regierungshelikopter und kassiert dafür einen Spruch von Sachsen-Anhalts Ministerpräsidenten Reiner Haseloff. 40 Minuten mit dem ICE sei Wittenberg von Berlin nur entfernt oder eben 30 bis 40 Minuten mit dem Hubschrauber. Scholz könne ja das nächste Mal abwägen, was günstiger sei.

Scholz lächelt daraufhin nur noch professionell - ein Seitenhieb mehr, darauf scheint es gerade auch nicht mehr anzukommen. Denn schnell kommt die Sprache auf die ernsten Themen, die Lehren für die Bundesregierung aus den Europawahlergebnissen.

Schnelle, deutliche Signale müssten nun an die Bürgerinnen und Bürger gesendet werden, fordert Haseloff: Man habe verstanden. Die Demokratie kann und müsse nun liefern, und man solle das für die Menschen nun auch "spürbar" kommunizieren und praktizieren. Spürbar machen - auch das Thema Sicherheit im Alltag, etwas, womit der Kanzler sich nun beschäftigen muss.

Ist klare und schnelle Kommunikation die Lösung?

Die schlechten Ergebnisse bei der Europawahl waren nicht nur ein Denkzettel für die Ampel-Regierung, sondern vor allem auch ein Votum gegen Kanzler Scholz. Er war es, der offensiv von der SPD plakatiert wurde - und eben auch bei den Wählerinnen und Wählern nicht ankam. Nach Umfragen ist er einer der unbeliebtesten Kanzler seit Langem.

Denkzettel-Wahl, eine Zäsur, ein Super-GAU - die Bezeichnungen für das schlechte Abschneiden der SPD mit ihrem Kanzler sind vielfältig. Deutschland scheint 35 Jahre nach der Wiedervereinigung nach den Europawahlergebnissen wieder geteilt in Ost und West, farblich in AfD-blau und CDU-Schwarz.

Wieder mehr mit den Menschen sprechen

Seit Tagen schon rumort es darum bei den Sozialdemokraten. Die AfD vielerorts als stärkste Kraft im Osten: Mit Blick auf die kommenden Landtagswahlen sei das einfach nur bitter, heißt es nicht nur von den Ministerpräsidenten im Osten, sondern auch von vielen Sozialdemokraten.

Scholz erntet viel Kritik in der SPD-Fraktion, klare Worte in der Präsidiumssitzung. Es muss sich etwas ändern, da sind sich die Genossen einig. Mehr sozialdemokratische Handschrift, klarere Kommunikation, wieder mehr mit den Menschen sprechen. Das klingt nach einfachen Rezepten. Aber kann Scholz das? Und vor allem: Hilft es dem Kanzler so schnell, wieder beliebter zu werden und die SPD zu retten?

Vertrauensverlust in der Bevölkerung

Die vielen Krisen haben bei den Deutschen Spuren hinterlassen: die Pandemie, der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, der Gaza-Konflikt. Das Thema Migration bewegt viele im Alltag - und den richtigen Umgang findet Kanzler Scholz auch nicht bei einer mehrstündigen Ministerpräsidenten-Konferenz, wie sich diese Woche zeigte. Man prüfe Asylverfahren in andere Länder auszulagern. Ergebnis offen, mehr dazu im Dezember. Die Deutschen sollen weiterhin Geduld haben.

Viele Probleme bleiben ungelöst. Zu wenig Schul- und Kitaplätze, marode Brücken, zu viel Bürokratie, bezahlbarer Wohnraum - für nicht alles ist der Kanzler direkt verantwortlich. Doch als Scholz mit der Ampelkoalition antrat, stand er für diesen Fortschritt, die Verbesserung der Lage. Daran wird er immer noch gemessen. Die Menschen scheinen darum auch müde und ungeduldig geworden zu sein mit Scholz.

Unzufriedenheit wächst innerhalb der Koalition

Müde auch von langen Ampel-Streitereien über das Geld, über den Haushalt. Wer sich am Ende durchgesetzt hat, scheint so manchen auch nicht mehr zu interessieren.

Darum versucht der Kanzler nun möglichst geräuschlos einen Kompromiss für den anstehenden Haushalt 2025 zu finden. Doch die Verhandlungen sind zäh, die Sitzungen lang und der selbst gesetzte Termin für einen Haushaltsentwurf am 3. Juli unsicher. Die Rufe nach einem Platzen der Koalition lassen sich nicht mehr unterdrücken. Die Unzufriedenheit wächst auch innerhalb der Koalition.

Mit diesem schweren Gepäck wird der Kanzler am Sonntag nun wieder im Stadion sitzen. Dieses Mal wird er in Frankfurt am Main die deutsche Mannschaft gegen die Schweiz anfeuern. Scholz hoffe auf einen Gruppensieg, erklärt Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Ansonsten werde sich Scholz zurückhalten.

Das Versprechen aus dem Kanzleramt: "Alles Weitere überlässt er dem Bundestrainer. Er wird nicht in die Aufstellung eingreifen."

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