Wahlplakate zur Landtagswahl im Saarland
Überblick

Bundesland vor Machtwechsel? Was man zur Saarland-Wahl wissen sollte

Stand: 27.03.2022 07:02 Uhr

An der Saar beginnt das Wahljahr - und es könnte einen Machtwechsel geben. Warum auch die Parteien in Berlin die Signale von der Saar nicht unterschätzen dürfen, welche Namen und Zahlen man kennen sollte - ein Überblick.

Die Ausgangslage

Peter Müller, Annegret Kramp-Karrenbauer, Tobias Hans - seit mehr als 22 Jahren ist das Saarland fest in CDU-Hand. Der letzte SPD-Ministerpräsident hieß Reinhard Klimmt, der wiederum das Amt von Oskar Lafontaine übernahm. 1998 war das - und damit lange her. Im Herbst 1999 verlor Klimmt die Wahl gegen CDU-Herausforderer Müller. Das Saarland ging an die CDU - und Klimmt als Bundesverkehrsminister nach Berlin.

Auch der jetzige Ministerpräsident - Tobias Hans - übernahm das Amt, und zwar von Kramp-Karrenbauer, die im März 2018 als CDU-Generalsekretärin nach Berlin wechselte. Nun stellt sich Hans also erstmals als Amtsinhaber einer Landtagswahl. Und den Umfragen zufolge muss der 44-Jährige die Abwahl fürchten. Vieles deutet auf einen Machtwechsel hin. Die SPD um Spitzenkandidatin Anke Rehlinger liegt demnach seit Wochen vorne. Derzeit ist sie Wirtschaftsministerin und Vize-Regierungschefin einer Großen Koalition. Seit 2012 regieren CDU und SPD zusammen. Im Landtag in Saarbrücken sind derzeit vier Parteien vertreten: CDU, SPD, Linkspartei und AfD. Grüne und FDP scheiterten 2017 an der Fünf-Prozent-Hürde.

Bei der ersten Landtagswahl nach der Bundestagswahl könnte sich ein Machtwechsel wie im Bund wiederholen - und die SPD nach langer Zeit mal wieder als stärkste politische Kraft an der Saar abschneiden. Entsprechend gespannt schauen daher auch die Bundesparteien auf die Abstimmung. Auch wenn es "nur" eine Landtagswahl ist, zumal in einem kleinen Bundesland, gilt sie auch als ein erster Stimmungstest - sowohl für die neue Ampel-Regierung im Bund als auch für die runderneuerte CDU um Parteichef Friedrich Merz.

Das Saarland in Zahlen

Das Saarland ist das kleinste Flächenland Deutschlands und muss oft für Größenvergleiche herhalten. 2569 Quadratkilometer misst das Bundesland im Südwesten an der Grenze zu Frankreich, Luxemburg und Belgien. Knapp 360.000 Fußballfelder gemäß der FIFA-Norm passen ins Saarland, die Schweiz ist fast 16 Mal so groß - der Erkenntnisgewinn derartiger Vergleiche dürfte sich jedoch zumeist in Grenzen halten. Auch warum ausgerechnet das Saarland immer wieder als Maßeinheit genutzt wird, ist nicht wirklich klar. "Es hat eine Größe, die wohl häufig passt", mutmaßte Patrick Huber, Physikprofessor an der TU Hamburg und gebürtiger Saarländer einst im Deutschlandfunk.

Die 2569 Quadratkilometer des Landes sind in drei Wahlkreise aufgeteilt - zum Vergleich: Nordrhein-Westfalen kommt auf eine Fläche von gut 34.000 Quadratkilometern und insgesamt 128 Wahlkreise. Etwa 750.000 Menschen im Saarland sind zur Stimmabgabe aufgerufen, vor fünf Jahren nahmen 69,7 Prozent teil. Es gibt nur eine Stimme - damit wird gleichzeitig die Landes- und eine der drei Wahlkreislisten gewählt. 51 Mandate sind zu vergeben, davon werden 41 über die Wahlkreis- und die übrigen über die Landeslisten vergeben.

Anke Rehlinger nimmt im Warndtstadion in Ludweiler an den Saarlandmeisterschaften im Kugelstoßen der Altersgruppe W40 teil. (Archivbild: 21.05.2016)

16,03 Meter - den Landesrekord von 1996 im Kugelstoßen hält Anke Rehlinger bis heute.

Fakten zum politischen Spitzenpersonal

Tobias Hans ist zwar schon Amtsinhaber, bewirbt sich aber zum ersten Mal für das Amt, SPD-Spitzenkandidatin Rehlinger ist mit 16,03 Metern beste Kugelstoßerin des Saarlands, die AfD hat gar keinen Spitzenkandidaten und die Spitzenkandidatin der Linkspartei war einst Grünen-Abgeordnete, zwischenzeitlich von ihrer Linken-Fraktion ausgeschlossen und dann Gründerin der sogenannten Saar-Linken. Ein kurzer Überblick:

Tobias Hans: Der 44-Jährige sicherte sich zuletzt mit seinem Handyvideo vor einer Tankstelle bundesweite Aufmerksamkeit - inklusive Empörung und Spott. "Irre" sei der Dieselpreis von mehr als zwei Euro, nötig sei eine "Spritpreisbremse", echauffierte sich der CDU-Spitzenkandidat und Regierungschef. Den Satz "Das trifft jetzt nicht nur Geringverdiener - das trifft wirklich die vielen fleißigen Leute", hätte sich Hans aber vermutlich besser verkneifen sollen, suggeriert er doch, Geringverdiener seien faul. Das Video ging in den sozialen Netzwerken viral. Fakt ist: Der Politikersohn steht unter Druck: Könnte er doch nach nicht einmal einer Legislaturperiode bereits vor der Abwahl stehen. Von einem Amtsbonus profitiert er Umfragen zufolge kaum. Die Saar-CDU könnte ihr bislang schlechtestes Wahlergebnis von 33,4 Prozent aus dem Jahr 1990 noch unterbieten.

Hans möchte die Große Koalition unter seiner Führung fortsetzen. Ob seine CDU auch als Juniorpartner in ein Bündnis mit der SPD gehen würde, lässt er offen.

Anke Rehlinger: Die SPD-Spitzenkandidatin nimmt zum zweiten Mal Anlauf für den Posten in der Staatskanzlei, 2017 unterlag sie Kramp-Karrenbauer. Im Land ist die 45-jährige Juristin ein bekanntes Gesicht - seit 2014 ist sie Wirtschaftsministerin und Vize-Regierungschefin. Die Ämter übernahm sie von ihrem Parteikollegen Heiko Maas, der in die Bundespolitik wechselte. Ihren Job macht Rehlinger aus Sicht vieler Menschen im Saarland offenbar ganz gut, wie der SaarlandTrend zeigt. Im Fall eines Wahlsiegs wäre sie die erste SPD-Ministerpräsidentin im Saarland.

Als stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende ist Rehlinger auch in Berlin bestens vernetzt, Kanzler Olaf Scholz schaute kürzlich im Wahlkampf vorbei, das SPD-Spitzenpersonal ließ sich ebenfalls blicken. Sollte Rehlinger nächste Ministerpräsidentin werden, dann am liebsten im Bündnis mit der CDU. "Ich habe seit jeher große Sympathien für die GroKo", sagte sie jüngst im SR.

Barbara Spaniol: Die Linkspartei im Saarland war mit 12,8 Prozent vor fünf Jahren noch größte Oppositionsfraktion - jetzt kämpft sie mit der 58-jährigen Barbara Spaniol an der Spitze um den Wiedereinzug in den Landtag. Mit ein Grund für den politischen Absturz in der Wählergunst dürften parteiinterne Streitigkeiten zwischen Fraktionschef Oskar Lafontaine und Parteichef Thomas Lutze gewesen sein. Spaniol versuchte sich als Brückenbauerin und scheiterte. Im November wurde sie aus der Linksfraktion ausgeschlossen, sie gründete mit der "Saar-Linken" eine neue - und der Linken-Landesverband kürte sie zur Spitzenkandidatin. Lafontaine zog sich inzwischen zurück und trat dann aus der Partei aus.

Lisa Becker: Massiver interner Streit ist auch den Saar-Grünen nicht fremd. Zur Bundestagswahl 2021 hatten die Grünen keine gültige Landesliste zustande gebracht. Mit Spitzenkandidatin Lisa Becker soll nun der Neuanfang gelingen - und vor allem: die Rückkehr in den Landtag nach fünf Jahren Abstinenz. Becker ist Anfang 30 und bislang in der Kommunalpolitik aktiv.

Angelika Hießerich-Peter: Auch die FDP möchte nach zwei Legislaturperioden zurück in den Landtag und am liebsten auch gleich auf die Regierungsbank - personell setzt sie dabei auf Angelika Hießerich-Peter. Die 57-Jährige ist Vize-Landeschefin, außerdem führt sie in Mettlach ein Hotel. Ihr politisches Engagement begann 2016, bei der Bundestagswahl 2021 trat sie als Direktkandidatin für Saarlouis an. Sie will "die Stimme für alle Fleißigen und Mutigen" im Land sein.

AfD: Wegen parteiinterner Streitigkeiten hat die AfD ihre Landesliste zurückgezogen und geht ohne Spitzenkandidaten oder Spitzenkandidatin an den Start. Sie kann aber über die Kandidatenlisten der drei Wahlkreise gewählt werden.

Die wichtigsten Themen des Wahlkampfs

Es war ein Wahlkampf, der nur selten kontrovers geführt wurde. Die Themen Corona und Ukraine-Konflikt bestimmten zuletzt die Debatten. Differenzen zeigten sich bei der Corona-Politik und der einrichtungsbezogenen Impfpflicht, die die CDU bundesweit aussetzen wollte.

Später wurden die hohen Energie- und Spritpreise wegen des Ukraine-Krieges zum zentralen Thema. Vor allem die Spritpreisbremse-Forderung von Ministerpräsident Hans stieß auf breites Echo, brachte ihm allerdings auch Kritik ein. Rehlinger macht sich für einen schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien stark.

Bildung, Kitagebühren und Windenergie waren die vorherrschenden regionalen Themen, die im Vorfeld der Wahl diskutiert worden. Wirklich kontrovers waren die Positionen aber auch hier nicht. Die CDU distanzierte sich im Wahlkampf nach 20 Jahren wieder vom Abitur nach acht Jahren Gymnasialzeit. Die kostenfreie Kita, die Hans einführen will, ist ebenso eigentlich ein SPD-Thema.

Die Optionen danach

Die seit zehn Jahren im Saarland regierende Große Koalition aus CDU und SPD könnte mit vertauschten Rollen neu aufgelegt werden, also unter Führung der SPD mit dem Juniorpartner CDU. Nach Umfragen der vergangenen Wochen könnte es rechnerisch auch eine Ampel geben, falls Grüne und FDP den Einzug schaffen. Oder möglicherweise ein sozialliberales oder rot-grünes Bündnis. Eine Zusammenarbeit mir der Linkspartei schloss SPD-Spitzenkandidatin Rehlinger aus.

Die Bundespolitik

"Nur" eine Saarland-Wahl? Abstimmungen in dem Bundesland zumal zu Beginn eines Wahljahres sollte man nicht von ihrer Signalwirkung her bundespolitisch nicht unterschätzen. Das Saarland kann sogar Züge stoppen, wie die SPD um ihren Kanzlerkandidaten Martin Schulz im Jahr 2017 erfahren musste. Statt des erwarteten Wahlsiegs an der Saar und der daraus folgenden Euphoriewelle kam es aus SPD-Sicht zu einer Serie verlorener Landtagswahlen, die ihren Tiefpunkt in der Bundestagswahl im Herbst hatte. Auch in diesem Jahr ist die Saar-Wahl der Auftakt, drei weitere Landtagswahlen stehen an.

Weitere Gründe für bundesweite Relevanz: Die Saarländer sind die ersten, die nach der Bundestagswahl im Herbst 2021 wählen gehen. Daher wird ihr Votum auch als erster Stimmungstest für die rot-grün-gelbe Ampel-Regierung im Bund gesehen. Bringt Bundeskanzler Scholz der Saar-SPD zusätzliche Punkte? Und kann die Regierungsbeteiligung von Grünen und FDP im Bund den Landesparteien Aufwind verschaffen? Oder sind die Effekte eher negativ, die ersten 100 Tage der Ampel liefen schließlich nicht ohne Ruckeleien, viel vom anfänglichen Ampel-Zauber ist verflogen.

Auch für die Bundes-CDU könnten Signale von der Saar ausgehen: Ähnlich wie einst Schulz dürfte die CDU um ihren neuen Parteichef Friedrich Merz auf Erfolgsmeldungen hoffen, um dies als Trendumkehr zu interpretieren. Die CDU hatte bei der Bundestagswahl auch an der Saar verloren: Die SPD war erstmals seit 16 Jahren wieder stärkste Kraft geworden. Im Falle eines Misserfolgs an der Saar und eines Machtverlustes hat man im Konrad-Adenauer-Haus aber bereits vorgesorgt und eine Schutzmauer um Merz gebaut. Die Abstimmung sei "eben auch vor allem eine Saarland-Wahl mit ganz spezifischen saarländischen Themen", ließ CDU-Generalsekretär Mario Czaja zu Wochenbeginn wissen.

Wie es weitergeht

Nach der Landtagswahl im Saarland stehen in diesem Jahr noch Abstimmungen in drei weiteren Bundesländern an. Im Mai und im Oktober.

In Schleswig-Holstein wird am 8. Mai ein neuer Landtag gewählt. Die CDU von Ministerpräsident Daniel Günther, die in Kiel seit 2017 in einer Dreierkoalition mit den Grünen und der FDP regiert, baute laut Infratest-Umfrage zuletzt ihren Vorsprung vor den anderen Parteien deutlich aus. Sie kam demnach auf 33 Prozent, die SPD lag gleichauf mit den Grünen bei 20 Prozent. SPD-Spitzenkandidat Thomas Losse-Müller hat einen großen Nachteil: Viele kennen ihn gar nicht.

Nur eine Woche später wird am 15. Mai auch im bevölkerungsreichsten Bundesland gewählt. Eine Abstimmung in Nordrhein-Westfalen gilt immer auch als "kleine Bundestagswahl", entsprechend viel wird in das Ergebnis von den Parteien auch auf Bundesebene hinein interpretiert. Die gemeinsam mit der FDP regierende CDU um Ministerpräsident Hendrik Wüst lag in der jüngsten Infratest-Umfrage Ende Januar gleichauf mit der SPD von Konkurrent Thomas Kutschaty. Die Grünen kamen demnach auf den dritten Platz.

Die Wahl in Niedersachsen am 9. Oktober bildet den voraussichtlichen Abschluss des Wahljahrs 2022. In dem Bundesland regiert seit 2017 eine Koalition aus SPD und CDU unter der Führung von Regierungschef Stephan Weil. Aufgrund des noch relativ langen Zeitraums sind Umfragen aber noch wenig aussagekräftig.

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