Delegierte nehmen am Bundesparteitag von Bündnis 90/Die Grünen teil.

Grüne diskutieren über Migration Zwischen Menschlichkeit und Machbarkeit

Stand: 25.11.2023 12:52 Uhr

Am Abend könnte es auf dem Parteitag der Grünen ungemütlich werden: Die Delegierten wenden sich dem heiklen Thema Migration zu. Nicht alle Grünen stehen hinter den Kompromissen der Ampelkoalition.

Von Dietrich Karl Mäurer, ARD-Hauptstadtstudio

Die Haushaltskrise hat die Parteitagsplanung der Grünen durcheinandergewirbelt. Um mehr Zeit für die Debatte über die Folgen des Klimafonds-Urteils zu haben, wurde das heikle Thema Migration von Donnerstag auf heute verschoben.

Dennoch blitzte die Asyldebatte in Karlsruhe schon immer mal auf. So sagte Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann, die Grünen müssten sich bei diesem Thema einem Realitätscheck unterziehen. Er hält die Zustimmung zur EU-Asylreform und zu den Bund-Länder-Beschlüssen zur Migration für den richtigen Kurs.

"Es ist kein Kurs der Abschottung. Davon sind wir meilenweit entfernt", sagte Kretschmann. Es sei viel mehr ein "Kurs des richtigen Maßes". Allein Baden-Württemberg habe bisher doppelt so viele Geflüchtete aus der Ukraine aufgenommen wie ganz Frankreich, so der Ministerpräsident.

Schmerzhafte Kompromisse mit der Ampel

Humanität und Ordnung. Unter dieser Überschrift will die grüne Parteispitze das Thema Migration diskutieren. Es geht um schmerzhafte Kompromisse, die die Grünen in knapp zwei Jahren in der Ampelkoalition eingegangen sind - etwa Verschärfungen bei den Abschieberegeln.

Kritik daran kam bereits im Vorfeld von der Linken und von der Grünen Jugend. Sie hoffen, dass die Delegierten in Karlsruhe diesen Kurs ablehnen. Der Frankfurter Grünen Mirrianne Mahn geht allein schon die mittlerweile gebräuchliche Wortwahl bei diesem Thema zu weit: "Stigmatisierende Begriffe wie Wirtschafts- oder illegale Migranten sind leider auch in unserer Partei keine unbekannten Begriffe mehr. Dazu sage ich: Kein Mensch ist illegal."

Reintke: Grundrecht auf Asyl verteidigen

Die gestern gewählte Spitzenkandidatin der Grünen für die Europawahl im nächsten Jahr, Terry Reintke, erwartet von der Debatte heute Abend eine klare Botschaft. Sie erhofft sich, dass "wir natürlich kompromissbereit sind, dass wir pragmatisch auch auf die Debatte jetzt auf europäischer Ebene schauen und eben gucken, wie wir eine sinnvolle Reform des gemeinsamen europäischen Asylsystems hinbekommen."

Gleichzeitig dürfe die Partei aber nicht vergessen, dass humanitäre Standards und das Grundrecht auf Asyl hart erkämpfte Rechte seien, so Reintke. "Und das ist nichts, was man jetzt einfach preisgeben sollte, sondern das ist was, das gilt es auch zu verteidigen."

"Eine verdammt schwierige Realität"

Eine ernste, sachliche und auch lebhafte Debatte erwartet Ricarda Lang, die gestern auf dem Parteitag gemeinsam mit Omid Nouripour an der Parteispitze bestätigt wurde. Mit Blick auch auf die Belastungen, die den Gemeinden durch die Aufnahme von Geflüchteten entstehen, verteidigte sie die Kompromisse: "Denn am Ende ist es natürlich etwas, wo wir als Partei Entscheidungen treffen müssen."

Die Partei könne sich vor dieser schwierigen Entscheidung auch nicht wegducken, so die Vorsitzende weiter. Es gehe bei einer Kompromisslösung auch immer um "eine verdammt schwierige Realität, wo wir sowohl den Menschen gerecht werden müssen, die ankommen und die Schutz suchen als auch den Menschen, die es in den Kommunen hinbekommen müssen, dass das Schutz gewähren am Ende auch funktioniert."

Blick auf die Europawahl

Bevor heute das Thema Migration aufgerufen wird, bereiten sich die Grünen weiter auf die Europawahl vor. So geht es um das Wahlprogramm, zunächst mit den Schwerpunkten Klima und Nachhaltigkeit, Außen- und Friedenspolitik sowie Wirtschaft und Finanzen.

Nach zwei eher harmonischen Tagen könnte es heute in Karlsruhe also kontroverser zugehen.

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