Auf einer Häuserwand in Leipzig steht "My Body my choice".

Schwangerschaftsabbrüche Was wird aus Paragraf 218?

Stand: 24.03.2023 11:20 Uhr

In der Ampel gibt es Bestrebungen, das Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen zu kippen - auch Familienministerin Paus unterstützt dies. Die Grünen-Politikerin hat aber nicht alle Koalitionspartner an ihrer Seite.

Von Anita Fünffinger, ARD Berlin

Familienministerin Lisa Paus steht an einem heißen Juni-Tag 2022 am Rednerpult des Deutschen Bundestags und freut sich. Endlich werde die Ampelkoalition den Paragrafen 219a abschaffen, der "Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft" verbietet. Der Paragraf im Strafgesetzbuch sorgte bislang dafür, dass Frauenärzte nicht dafür werben durften, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, ohne Strafen fürchten zu müssen.

Die Ampel hatte bereits im Koalitionsvertrag festgeschrieben, Paragraf 219a abschaffen zu wollen. Und auch Paragraf 218 Strafgesetzbuch sollte nach dem Willen von SPD, Grünen und FDP auf den Prüfstand. Er stellt Schwangerschaftsabbrüche insgesamt unter Strafe: "Wer eine Schwangerschaft abbricht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft", so der Gesetzestext.

Die Ausnahmen davon, sprich die Straffreiheit, stehen im Paragrafen 218a. Es gibt eine Fristen- und Beratungsregelung - ein Kompromiss, der nach der Deutschen Einheit und einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts mühsam gefunden wurde. Die Regelung bedeutet, dass der Abbruch bis zur 12. Schwangerschaftswoche erfolgen und von einem Arzt vorgenommen werden muss. Die Schwangere muss sich zudem vorher beraten lassen, um straffrei zu bleiben.

Der nächste Schritt

Mit dem Beschluss des Bundestags zu Paragraf 219a kündigte Paus den nächsten Schritt an: Man müsse auch über den Paragrafen 218 reden. Deswegen werde die Bundesregierung nun eine Kommission für diese Frage einrichten - weil klar sei, dass das für "die Gesellschaft ein nach wie vor umstrittenes Thema" sei.

Die Ministerin bekam für die Ankündigung viel Applaus von den Linken, der SPD und den Grünen, beim Koalitionspartner FDP aber klatschte niemand. Die Liberalen können mit dem Twitter-Hashtag #wegmit218, den auch die Familienministerin verwendet, nicht viel anfangen.

FDP gegen Streichung von Paragraf 218

Die rechtspolitische Sprecherin der FDP, Katrin Helling-Plahr, weiß nicht, was besser werden soll, wenn der Paragraf 218 gestrichen wird. Der Großteil der FDP hält den vor fast 30 Jahren geschlossenen Kompromiss nach wie vor für richtig.

Die FDP sorgt sich stattdessen um die Versorgung von ungewollt Schwangeren, die zum Teil katastrophal sei. In einigen Regionen müssen Frauen mehr als 100 Kilometer weit fahren, um einen Schwangerschaftsabbruch durchführen zu lassen.

Außerdem müssten Mediziner nach Auffassung der FDP in ihrer Ausbildung endlich mehr über Abtreibungen lernen. Bislang gehöre die Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs nicht zum Standard.

Viele Möglichkeiten der Umsetzung

Der Slogan #wegmit218 kann vieles bedeuten: die komplette Streichung und damit die Freigabe von Abtreibungen ebenso wie eine Änderung im Strafrecht. Ulle Schauws, frauenpolitische Sprecherin der Grünen, ist es wichtig, dass es "nicht mehr um die Verurteilung und die moralische Instanz" geht, die mit der Verankerung im Strafgesetzbuch einhergeht.

Bei der aktuellen Regelung komme das Selbstbestimmungsrecht der Frau zu kurz, sagt Schauws. Konkreter will sie nicht werden, um der Kommission nicht vorzugreifen.

Union auch gegen eine Änderung

Wie die Liberalen findet auch die Union, dass der nach der Deutschen Einheit nach langem Ringen gefundene Kompromiss ein guter war. Der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Union, Dorothee Bär, kommt bei den Plänen der Familienministerin das Recht des ungeborenen Kindes zu kurz.

Paus gehe es nur einseitig um die reproduktive Selbstbestimmung und das Recht der Frau auf Abtreibung, kritisiert Bär. Die bayerische Staatsregierung hat bereits mit einer Klage in Karlsruhe gedroht, sollte Paragraf 218 Strafgesetzbuch tatsächlich abgeschafft werden.

Kommission muss Empfehlung abgeben

Die Familienministerin selbst möchte im Moment zu dem Thema keine Interviews geben. Nun solle erst einmal die Kommission arbeiten. Ihr gehören Medizinethiker, Juristinnen und Ärzte an. Wie lange sie zusammensitzen werden, ist nicht bekannt. Nur was dabei nicht herauskommt, steht für die FDP-Politikerin und Juristin Helling-Plahr so gut wie fest: Für eine ersatzlose Streichung des Paragrafen 218 sei "überhaupt kein Raum", sagt sie. Daher habe sie auch keine Angst vor Diskussionen innerhalb der Ampelkoalition.

Paus braucht nicht nur ein eindeutiges Votum der Kommission, sondern auch den Koalitionspartner FDP an ihrer Seite, um den Paragrafen abzuschaffen.