Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer sprach bei der aktuellen Stunde zum Scheitern der PKW-Maut im Deutschen Bundestag.
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Debatte über Schadensersatz Muss Scheuer für das Maut-Debakel zahlen?

Stand: 01.08.2023 19:57 Uhr

Verkehrsminister Wissing lässt prüfen, ob sein Amtsvorgänger Scheuer persönlich für das Maut-Debakel haften muss. Juristen bezweifeln das. Und selbst wenn: Könnte Scheuer 243 Millionen Euro zahlen?

Von Christoph Kehlbach, ARD-Rechtsredaktion

Es hätte so einfach sein sollen: Ein "Pickerl" an der Windschutzscheibe sei ausreichend, das war der Plan der CSU. Nur mit so einer kostenpflichtigen Vignette hätten Autos dann noch deutsche Autobahnen befahren dürfen.

Extra bezahlen müssen hätten die Vignette aber nur ausländische Autofahrer - Deutschen wären die Kosten laut CSU-Konzept mit Bezahlung der Kfz-Steuer abgegolten gewesen. Genau diese Unterscheidung sorgte dafür, dass das CSU-Prestigeobjekt krachend scheiterte: Der Europäische Gerichtshof urteilte im Juni 2019, so eine Ungleichbehandlung von eigenen Staatsbürgern und anderen EU-Bürgern sei diskriminierend und verstoße daher gegen EU-Recht.

Urteil keine Überraschung

Viele Juristen hatten einen solchen Richterspruch erwartet, denn dass das EU-Recht die Diskriminierung von EU-Bürgern verbietet, war nicht neu. Für den damaligen Verkehrsminister Andreas Scheuer von der CSU kam das Urteil offenbar dennoch überraschend - er hatte in scheinbar sicherer Erwartung der Maut schon Verträge zur Mautumsetzung abgeschlossen, ohne die abschließende Klärung der Rechtslage abzuwarten.

Diese Verträge wurden mit dem Urteil auf einen Schlag hinfällig und mussten rückabgewickelt werden. Ergebnis: Ein Vergleich, durch den die Bundesrepublik, also die Steuerzahlerinnen und -zahler, immer noch 243 Millionen Euro zahlen muss.

Die Frage nun lautet: Haftet Scheuer persönlich für diesen finanziellen Schaden? Ein Gutachten soll das klären, in Auftrag gegeben vom jetzigen Verkehrsminister Volker Wissing von der FDP.

Wem ist der Schaden entstanden - Bürgern oder Staat?

Juristisch in Betracht käme zunächst der im Grundgesetz verankerte Amtshaftungsanspruch. Danach muss der Staat haften, wenn einer seiner Amtsträger eine "ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht" verletzt.

Geschieht diese Verletzung grob fahrlässig oder gar vorsätzlich, kann der Staat sodann Rückgriff beim betreffenden Amtsträger nehmen.

Doch die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Anspruch im Fall der Maut besteht, ist nach Einschätzung des Fachanwalts für Verwaltungsrecht, Patrick Heinemann, gering: "Bei der Amtshaftung geht es ja im ersten Schritt um einen Schaden beim Bürger, verursacht durch einen Amtsträger", sagt er. "Hier haben wir aber eine andere Konstellation: Der Schaden liegt ja beim Staat, der nun 243 Millionen zahlen muss." Auch wenn es dabei letzten Endes um Steuergeld geht und es auch einen internen Grundsatz gebe, dass der Staat Steuergelder nicht verschwenden soll: Eine sie schützende Dienstpflicht könnten die Bürger daraus nicht herleiten, sagt Heinemann.

Gilt die Amtshaftung auch für Minister?

Andere Juristen halten den Artikel dagegen grundsätzlich für anwendbar, kommen aber schließlich an einer anderen Stelle zum gleichen Ergebnis.

So sah es etwa der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages in einem Gutachten von August 2019, also kurz nach dem EuGH-Urteil: Danach bedürfe es zusätzlich zur Vorschrift im Grundgesetz eines speziellen Gesetzes, das ausdrücklich die Haftung eines Ministers vorsieht. Nur dann könne der Staat tatsächlich Regress beim grob fahrlässig handelnden Amtsträger nehmen.

Eine solche Vorschrift gibt es aber nur im Bundesbeamtengesetz und das gelte nicht für Minister. Im Ministergesetz wiederum fehle ein entsprechender Paragraph. "Man muss davon ausgehen, dass das Fehlen einer solchen Vorschrift kein Versehen ist, sondern eine bewusste Entscheidung", sagt auch Rechtsanwalt Heinemann. "Deshalb kann man nicht den für Beamte geltenden Paragraphen analog anwenden."

Wohl kein Vorsatz

Auch Ansprüche nach allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften haben hohe Hürden. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) kennt zwar einen Anspruch auf Schadensersatz wegen einer vorsätzlichen, sittenwidrigen Schädigung. Doch dafür ist eben Vorsatz nötig, selbst grobe Fahrlässigkeit reicht also nicht.

Konkret bedeutet das: Scheuer müsste den Schadenseintritt für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben. Schon das - möglicherweise völlig unberechtigte - Vertrauen darauf, dass es "schon gut gehen" werde, würde den Vorsatz ausschließen. Zudem müsste sich das in einer "gegen die guten Sitten verstoßenden Weise" zugetragen haben. Dass diese Voraussetzungen allesamt vorgelegen haben, dürfte unwahrscheinlich sein.

Egal zu welchem rechtlichen Schluss das Gutachten am Ende kommt: Der Schaden könnte finanziell ohnehin nur dann wieder voll gut gemacht werden, wenn Scheuer 243 Millionen Euro zahlen könnte - und dass dies der Fall ist, darf bezweifelt werden.

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