Einzelne Gäste tanzen auf der Wahlparty der Grünen in der Columbiahalle.

Niederlage bei der Europawahl Auf der Suche nach den Gründen

Stand: 13.06.2024 14:48 Uhr

Bei der Europawahl mussten die Grünen die stärksten Verluste aller Parteien einstecken. Nun analysiert die Partei, wie es dazu kam - und überlegt, wie es weitergehen könnte.

Von Dietrich Karl Mäurer, ARD-Hauptstadtstudio

Noch immer können die Grünen ihren Absturz bei der Europawahl kaum fassen. "Das schmerzt." Winfried Kretschmann, der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, bringt die derzeitige grüne Seelenlage auf den Punkt.

Kretschmann denkt laut über mögliche Konsequenzen und über ein Umsteuern seiner Partei nach - mehr Flexibilität bei Umwelt- und Klimafragen, mehr Pragmatismus bei der Migrationspolitik. Vor allem mahnt er eine Analyse "ohne Rücksicht auf Verluste" an.

Keine zwölf Prozent bei der Europawahl

Reden über die Gründe für das Wahldebakel, das möchten nun viele bei den Grünen - auch Co-Parteichef Omid Nouripour: "Wir setzen gerade einen vertieften Prozess auf, weil das Wahlergebnis echt nicht zufriedenstellend ist."

Nicht zufriedenstellend? Keine zwölf Prozent mehr bei der Europawahl. Vor fünf Jahren waren es noch über zwanzig. Und bei der Bundestagswahl blieben die Grünen mit fünfzehn Prozent auch hinter den Erwartungen zurück.

"Verloren gegenüber Kleinstparteien"

Wo sind die Wähler hin? Roberto Heinrich vom Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap sagt, viele, die zur Bundestagswahl noch bei den Grünen ihr Kreuzchen gesetzt hätten, seien diesmal gar nicht zur Wahl gegangen. Andere stimmten nun für andere Parteien.

"Die Grünen haben zum einen verloren gegenüber den Kleinstparteien", so Heinrich. "Das ist der größte Wechselstrom. Sie haben zum zweiten verloren gegenüber der Union. Und es gibt einen kleineren Wechselstrom auch noch gegenüber dem neu gegründeten Parteienbündnis Sahra Wagenknecht."

Einen Grund für die Abwanderung sieht der Meinungsforscher darin, dass die Themen sich geändert haben. Klimaschutz ziehe bei den Wählern nicht mehr so - im Gegenteil.

Bild: Wählerwanderung, Europawahl 2024 | Für Partei Grüne | Grüne/FDP -30000 | Grüne/Linke -40000 | Grüne/AfD -50000 | SPD / Grüne +80000 | Grüne/BSW -150000 | Grüne/Nichtwähler -540000 | Grüne/Union -560000 | Infratest-dimap. 10.06.2024, 02:06 Uhr

Junge Menschen erdrückt von Krisen

Das analysiert so auch die Co-Chefin der Grünen Jugend, Svenja Appuhn: "Ich denke, das hat natürlich auch viel damit zu tun, dass das Klimaschutzthema einfach stark überlagert wird. Die Preise steigen. Menschen machen sich Sorgen um ihren Job und ihre Zukunft und machen sich dann natürlich besonders große Sorgen, dass Klimaschutz ihr Leben teurer machen könnte oder sie den Job kosten könnte."

Besonders junge Menschen würden gerade erdrückt von Krisen, sagt die 26-Jährige. Sie rät ihrer Partei deshalb, sich stärker um soziale Sicherheit zu kümmern. Die Grünen müssten Alltagssorgen wieder ernst nehmen.

Voller Selbstkritik

Das findet auch Rasmus Andresen, der Sprecher der deutschen Grünen im Europäischen Parlament. Denn die Partei erreiche große Teile ihrer früheren Wählerschaft nicht mehr. Da habe man zu viele Fehler gemacht: "Außerdem verlieren wir uns zu stark im Regierungskompromiss und auch da wird es darauf ankommen, dass wir neben der Regierungsarbeit grünes Profil wieder stärken."

Die Grünen voller Selbstkritik und auf der Suche nach dem richtigen Kurs. Parteichef Nouripour sagt, die Analyse habe gerade erst begonnen: "Das werden wir gründlich und zügig machen und innerhalb von wenigen Wochen miteinander anschauen. Jetzt ist es für eine vertiefte Analyse zu früh."

Viel Zeit bleibt den Grünen dafür nicht. Im September schon stehen die Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen an.

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