Friedrich Merz, Bundesvorsitzender der CDU, spricht Ende Februar 2024 auf der CDU-Grundsatzprogrammkonferenz in Chemnitz.
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Parteitag der CDU Auf der Suche nach Kontur

Stand: 05.05.2024 05:21 Uhr

Die CDU trifft sich ab Montag drei Tage lang in Berlin, um ihr neues Grundsatzprogramm zu beschließen und den Parteivorstand zu wählen. Mit großen Kontroversen wird nicht gerechnet. Aber es gibt ja noch CSU-Chef Söder.

Von Sarah Frühauf, ARD-Hauptstadtstudio

Eine Sache trieb die Union zuletzt besonders um: die mit dem Ei. Es war Anfang April, Frühlingsempfang der Parteijugend, der Jungen Union. Eigentlich sollte CSU-Chef Markus Söder die Grußrede halten. Doch der sagte kurzfristig ab, wegen wichtiger Verpflichtungen im Landtag. Eine bemerkenswerte Begründung, da Bayerns Ministerpräsident bis dato nicht als der eifrigste Teilnehmer von Landtagssitzungen bekannt war.

Es sprang also CDU-Chef Friedrich Merz ein und machte aus Söder ein Ei, eines aus Schokolade. Söder selbst, der für seinen ausgeprägten Sinn für Selbstdarstellung bekannt ist, hatte an Ostern über seine Social-Media-Kanäle ein Schoko-Ei verlost, und zwar mit seinem Konterfei darauf.

Nun übergab Merz eine Replik des Söder-Ei an die Junge Union als Gastgeschenk mit der Bemerkung: "Markus Söder ist zwar heute physisch im Landtag. Aber als Ei heute bei uns." Tosender Applaus, lautes Gelächter. Ein Auftritt, der in die Annalen der JU-Empfänge eingehen wird.

Mit wem koalieren?

Nun fragt man sich, wie Merz beim am Montag anstehenden Parteitag diese Rede übertrumpfen will. Aber vielleicht muss er das auch nicht. Seine Wiederwahl als Parteichef gilt als sicher. In der CDU wird seine Arbeit geschätzt: Die Partei sei inhaltlich wieder auf Kurs, die Flügelkämpfe befriedet. Die Stimmung: stabil. Euphorisch klingt das allerdings alles nicht.

Vielleicht warten auch deswegen so viele in der CDU gespannt darauf, was der CSU-Chef den rund tausend Delegierten beim Parteitag zu sagen hat. Söder ist immer für einen Aufreger gut. Und nach der Ei-Rede hat er mit Merz eigentlich sowieso noch eine Rechnung offen.

So könnte Söder Merz bei der Debatte um mögliche Koalitionen einen Seitenhieb versetzen. Geht es nach CSU, sollte die Union ganz auf die Grünen als möglichen politischen Partner verzichten und das öffentlich auch klar so benennen.

Doch auch wenn sich das einige in der CDU-Basis wünschen würden, kann Merz mit Blick auf die Bundestagswahl keine Koalitionsoptionen ausschließen. Das wäre strategisch unklug.

Die Koalitions-Debatte ist für Merz eine offene Flanke, in die Söder beim Parteitag wohl reingrätschen wird. Söder dürfte auf jeden Fall mit einem gestärkten Selbstbewusstsein in Berlin aufschlagen. Bei den aktuellen Umfragen, die zahlreich vor dem Parteitag gemacht wurden, schneidet er in den meisten Fällen besser ab als Friedrich Merz.

So sind zum Beispiel im ARD-Deutschlandtrend 37 Prozent der Befragten zufrieden mit Söder. Das sagen nur 27 Prozent über Merz. Auch der dritte im Bunde der möglichen Kanzlerkandidaten der Union muss sich hinter Söder einreihen. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst liegt bei 29 Prozent.

Nur keine Personaldebatte

Doch bis auf ein Schaulaufen der Kandidatenanwärter wird sich beim Parteitag in Sachen K-Frage allerdings nichts tun. Das Credo: bitte nur keine Personaldebatte. Tatsächlich sah es vor ein paar Wochen noch nach Kampfkandidaturen auf offener Parteitagsbühne aus. Allerdings um den freien Posten als Partei-Vize.

Der Chef der Arbeitnehmerflügels und NRW-Sozialminister Laumann und Fraktionsvorsitzende im hessischen Landtag Ines Claus hatten beide Interesse bekundet, was für Aufruhr bei den anderen Stellvertretern der Partei sorgte. Denn Laumann, Urgestein und parteiintern populär, galt als gesetzt.

Genauso wie kurz vor den Ostwahlen Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer und der langjährige Bundestagsabgeordnete Andreas Jung aus dem mitgliederstarken Baden-Württemberg. Am Ende der Abstimmung hätte wohl nicht einer, sondern eine den Kürzeren gezogen: Karin Prien, Bildungsministerin in Schleswig-Holstein, Sylvia Breher, Bundespolitikerin aus Niedersachsen oder eben Ines Claus aus Hessen.

"Wettstreit der Frauen" - solche Schlagzeilen kann die CDU, wo man seit Jahren um mehr weibliche Köpfe und Wählerinnen ringt, nicht gebrauchen. Am Ende hat Ines Claus auf eine Kandidatur verzichtet. Damit ändert sich an der Zusammensetzung der Parteiführung wohl nichts: Mit Merz ein Mann an der Spitze, drei Männer und zwei Frauen als Stellvertreter.

Kontroverse über Umgang mit Islam

Auch programmatisch könnte es ein Parteitag mit wenig Kontroversen werden. Es gibt zwar mehr als 2.000 Änderungsanträge zum neuen Grundsatzprogramm, das auch gleichzeitig Leitantrag ist. Die besonders strittigen Punkte hat eine Antragskommission aber schon abgeräumt.

Am intensivsten wurde dabei sicherlich über den Religionsteil debattiert. Stein des Anstoßes war der Satz: "Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland". Eine Formulierung, mit der auch Parteichef Merz noch nicht glücklich war. Als die Mitglieder der Antragskommission an einem Freitagabend Mitte April im Konrad-Adenauer-Haus zusammenkamen, soll Merz ihnen mit auf den Weg gegeben haben, sich diesen Part noch einmal genauer anzusehen.

Am Ende des Treffens stand die Alternative: "Ein Islam, der unsere Werte nicht teilt und unsere freiheitliche Gesellschaft ablehnt, gehört nicht zu Deutschland." Aus Sicht der Kommission und Parteispitze klingt das weniger ausschließend als die Ursprungsversion. Schließlich sei von dem "Islam" und nicht von einzelnen Menschen, also "Muslimen" die Rede.

Der Zentralrat der Muslime lehnt auch diese Änderung ab. Sie bediene antimuslimische Vorurteile. In der CDU dagegen, gibt es, wenn überhaupt, nur verhalten kritische Töne. Dass der Parteitag diesen Satz noch einmal in Frage stellt, scheint unrealistisch.

Debatte über Wehrpflicht

Zumindest beim Thema Wehrpflicht könnte es munter werden im Estrel-Hotel in Berlin. Mehrere Kreisverbände setzen sich dafür ein, über eine Rückkehr zum Pflichtdienst an der Waffe nachzudenken. Die Junge Union formuliert es deutlich und will die Wehrpflicht für alle einführen. Am liebsten nach schwedischem Modell.

Es ist eine heikle Debatte für die CDU, die damals in Regierungsverantwortung die Wehrpflicht ausgesetzt hatte. Sie nun fast eine Generation später wieder einzuführen, könnte bei jungen Menschen und potentiellen Wählern möglicherweise nicht so gut ankommen.

Die CDU-Spitze will lieber bei der Forderung nach einem verpflichtenden Gesellschaftsjahr bleiben. Ausgang der Debatte: In diesem Fall völlig offen. Im Übrigen sei nie abzusehen, welche Dynamik ein Parteitag nehme, sagt ein führendes CDU-Mitglied. Andere in der Partei klingen da abgeklärter: Es könnte bocklangweilig werden. Aber dann ist da ja auch immer noch CSU-Chef Söder, der am Dienstag ein Grußwort hält und Mittwoch zum Start in den Europawahlkampf auch noch einmal für ein Gespräch auf die Bühne darf.

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