Hubert Aiwanger steht auf einer Bühne neben einem Schild mit der Aufschrift "Stoppt die Heizungsideologie"
analyse

Kritik an Freie-Wähler-Chef Aiwanger Einer, der Populismus mit Populismus bekämpfen will

Stand: 12.06.2023 19:40 Uhr

Nach seiner Rede in Erding kritisiert sogar die CSU Bayerns Vize-Ministerpräsident Aiwanger. Der Freie-Wähler-Chef ist davon unbeeindruckt - und hofft weiter auf Stimmen von AfD-Sympathisanten.

Von Petr Jerabek und Johannes Reichart, BR

Hubert Aiwanger ist bekannt für seine deftigen Reden und Attacken auf politische Gegner - bei der Demonstration gegen die "Heizungsideologie" am Samstag im oberbayerischen Erding war der bayerische Vize-Ministerpräsident und Freie-Wähler-Chef aber besonders in Fahrt.

Der Bundesregierung warf er vor, Deutschland kaputt machen zu wollen, und forderte ihren Rücktritt - wenn sie noch einen "Funken Anstand" habe. Er wetterte gegen "links-grünen Gender-Gaga" in den Medien und beklagte "Wunden des Corona-Irrsinns". Und er rief die Bevölkerung dazu auf, die "Berliner Chaoten" vor sich herzutreiben: "Jetzt ist der Punkt erreicht, wo endlich die schweigende große Mehrheit dieses Landes sich die Demokratie wieder zurückholen muss."

Reihenweise Populismus-Vorwürfe

Ein Auftritt, der Aiwanger Kritik und reihenweise Populismus-Vorwürfe einbrachte. Der Freie-Wähler-Chef könne bald als "Vorgruppe auf AfD-Demos auftreten", twitterte der bayerische SPD-Landesvorsitzende Florian von Brunn. Manch Beobachter fühlte sich an die berühmt-berüchtigten Worte des AfD-Politikers Alexander Gauland erinnert: "Wir werden sie jagen", rief der damalige AfD-Chef 2017, "und wir werden uns unser Land zurückholen."

Aiwanger selbst sieht in dieser Parallele kein Problem: Er lasse sich nicht den Mund verbieten, "nur weil ein AfDler vor angeblich sechs Jahren einen ähnlichen Satz gesagt" habe, betont der bayerische Wirtschaftsminister im Interview mit dem BR. Man dürfe der AfD nicht die Deutungshoheit über bestimmte Sätze geben.

Zwar verschärfte Aiwanger in Erding den Ton deutlich - in der Sache aber entsprach seine Rede einer Strategie, die er schon seit Monaten verfolgt: Er hofft, durch markige Sprüche zu Reizthemen wie angeblichem "Gender-Zwang", "Winnetou-Verbot" und "Klimahysterie" potenzielle AfD-Wähler für die Freien Wähler zu gewinnen. Ähnlich wie die CSU-Spitze um Markus Söder setzt er auf klare konservative Positionen, spitzt aber noch stärker zu.

Dauerattacken gegen die Grünen

Als die AfD im Januar mit 13 Prozent ihren bisher besten Wert in einem BR24-BayernTrend erzielt hatte, sprach Aiwanger von einem "Hilfeschrei der Bevölkerung" und kündigte an, verstärkt Themen wie Zuwanderung und Kriminalität aufgreifen zu wollen. Als Ursache für das bundesweite AfD-Umfragehoch im ARD-DeutschlandTrend von 18 Prozent machte er Anfang des Monats umgehend die Bundesregierung aus: "Politik der Ampel produziert AfD-Wähler."

Nach eigenem Bekunden will Aiwanger weiteren Zulauf für die AfD verhindern - und setzt dabei im Landtagswahlkampf auf Dauerattacken gegen die Grünen. Sein Kalkül: Je schwächer die Grünen im Freistaat, desto komfortabler die Mehrheit für CSU und Freie Wähler.

Direkte Angriffe auf die AfD überlässt Aiwanger dabei vorwiegend seinen Parteifreunden oder dem Koalitionspartner CSU. Auf der Demo in Erding war es Söder, der deutliche Worte an die Adresse der AfD-Anhänger unter den 13.000 sehr bunt gemischten Demonstranten richtete: "Die AfD bewegt nichts, sie bringt nur Schaden für unser Land."

Klare Mehrheit für CSU und Freie Wähler

Die Ausgangslage vier Monate vor der Landtagswahl ist für CSU und Freie Wähler komfortabel: Umfragen sehen eine klare Mehrheit für eine Neuauflage des Bündnisses. Zugleich lässt sich nach Meinung des Münchner Politikwissenschaftlers Stefan Wurster aber nicht sagen, dass die AfD in Bayern besonders erfolgreich zurückgedrängt werde. Denn mit einem AfD-Wert von zuletzt 12 Prozent steche der Freistaat nicht besonders heraus gegenüber anderen süddeutschen Ländern wie Baden-Württemberg und Hessen. Die Partei sei zwar deutlich stärker in den neuen Ländern, aber erkennbar schwächer im Westen und Norden Deutschlands.

Wenn CSU oder Freie Wähler versuchten, AfD-Themen vielleicht sogar populistisch aufzugreifen, bleibe der Wähler im Zweifel eher beim "Original", erläutert der Politik-Professor der TU-München. Zugleich berge die Strategie mittel- und langfristig eine Gefahr: Eine gesellschaftliche Legitimierung von AfD-Positionen führe zu einer Verschiebung im öffentlichen Diskurs. "Und davon kann natürlich die AfD profitieren", so Wurster.

Zwar sprachen CSU und Freie Wähler in den vergangenen Wochen in ihrem Anti-Ampel-Kurs oft mit einer Stimme. Bei der Demo in Erding kritisierte auch CSU-Chef Söder einmal mehr die Heizungspläne der Ampel und warf den Grünen eine Politik "nur mit Ideologie" und "ohne Vernunft" vor. Von Aiwangers Rede bei der Kundgebung distanzierten sich mittlerweile aber auch mehrere CSU-Politiker. "Populismus am rechten Rand ist brandgefährlich und gefährdet unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt", mahnte CSU-Staatskanzleichef Florian Herrmann. Aiwangers Wortwahl sei "unangemessen".

Söder hatte in den vergangenen Monaten mehrfach versichert, aus Fehlern im Landtagswahlkampf 2018 gelernt zu haben, als er die AfD mit einem Rechtsruck klein zu halten versuchte. "Du kannst ein Stinktier nicht überstinken", sagte 2020 der damalige CSU-Generalsekretär Markus Blume. Vize-Ministerpräsident Aiwanger hat in Erding deutlich gemacht, dass er anderer Meinung ist. Es könnte ein turbulenter Wahlkampfsommer werden.

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