Angela Merkel und Wladimir Putin (Archivfoto: 11.01.2020)

Memoiren der Ex-Kanzlerin Wie Merkel ihre Russlandpolitik sieht

Stand: 21.11.2024 09:05 Uhr

Ist Merkels Russlandpolitik mitverantwortlich für den Krieg in der Ukraine? In ihren Memoiren erklärt die Ex-Kanzlerin, weshalb sie einen schnellen NATO-Beitritt der Ukraine ablehnte. Und erinnert sich an manches ungewöhnliche Treffen.

Es geht um denkwürdige Begegnungen in ihrer Amtszeit. Um den Papst, um Trump, um Ex-Kanzler Schröder - aber auch um ihre Russlandpolitik. Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel hat ihre Memoiren geschrieben. Die Wochenzeitung Zeit hat nun Abzüge des Buches mit dem Titel "Freiheit" vorab veröffentlicht. Wohl der aktuellste Bezug darin: Merkel beschreibt, wie sie in ihrer Amtszeit den Wunsch der Ukraine nach einem schnellen NATO-Beitritt auszubremsen versucht, weil sie eine militärische Antwort Russlands befürchtete.

Ihre Politik gegenüber Russland und der Ukraine wird Merkel in Kiew bis heute vorgehalten. Über den entscheidenden NATO-Gipfel 2008 in Bukarest, als es um einen Plan für einen Beitrittskandidaten-Status der Ukraine und Georgiens ging, schreibt die heute 70-Jährige: "Ich verstand den Wunsch der mittel- und osteu­ropäischen Länder, so schnell wie möglich Mitglied der NATO zu werden." Aber: "Die Aufnahme eines neuen Mitglieds sollte nicht nur ihm ein Mehr an Sicherheit bringen, sondern auch der NATO." 

Am Ende ein Kompromiss

Dabei sah Merkel Risiken auf der ukrainischen Halbinsel Krim. "Eine solche Verquickung mit russischen Militärstrukturen hatte es bislang bei keinem der NATO-Beitrittskandidaten gegeben. Außerdem unterstützte damals nur eine Minderheit der ukrainischen Bevölkerung eine Mitgliedschaft des Landes in der NATO", erinnert sie sich.

Am Ende stand ein Kompromiss, der aber einen Preis hatte, wie Merkel schreibt: "Dass Georgien und die Ukraine keine Zusage für einen MAP-Status (Beitrittskandidatenstatus) bekamen, war für sie ein Nein zu ihren Hoffnungen. Dass die NATO ihnen zugleich eine generelle Zusage für ihre Mitgliedschaft in Aussicht stellte, war für Putin ein Ja zur NATO-Mitgliedschaft beider Länder, eine Kampfansage."

"Biegen, biegen, biegen"

In ihren Aufzeichnungen erinnert sich Merkel aber auch an ihr erstes Treffen mit dem US-Präsidenten Donald Trump. Er befragte sie 2017 im Oval Office des Weißen Hauses nach ihrem Verhältnis zu Putin. "Der russische Präsident faszinierte ihn offenbar sehr", schreibt Merkel.

Die anschließende Pressekonferenz machte das schwierige Verhältnis zwischen Merkel und Trump offensichtlich. Trump habe Deutschland Vorhaltungen gemacht, sie habe mit Zahlen und Fakten geantwortet. Trump habe alles aus der Perspektive des Immobilienunternehmers gesehen, der ein Grundstück haben wolle.

Angela Merkel und Donald Trump im Oval Office 2017

Merkel und Trump - das war von Beginn an ein frostiges Verhältnis. Und das ist diplomatisch formuliert. Beim ersten Treffen im März 2017 konnte selbst Merkel manche Irritation nicht verbergen.

Bei ihrer Privataudienz bei Papst Franziskus wenige Monate später sprach Merkel ihre Sorge an, dass sich die USA unter Trump aus dem Pariser Klimaabkommen zurückziehen. "Ohne Namen zu nennen, fragte ich ihn, wie er mit fundamental unterschiedlichen Meinungen in einer Gruppe von wichtigen Persönlichkeiten umgehen würde. Er verstand mich sofort und antwortete mir schnörkellos: "Biegen, biegen, biegen, aber achten, dass es nicht bricht."

Schröder in der Elefantenrunde

Bedeutsam auch die Szene, mit der Merkel 2005 ins Amt kam. SPD-Kanzler Gerhard Schröder wollte in der Fernsehrunde am Abend der Bundestagswahl seine Niederlage nicht eingestehen. "Ich selbst saß da, als wäre ich gar nicht Teil des Ganzen, sondern als schaute ich mir zu Hause vor dem Fernseher die Szene an. Immer wieder sagte ich mir: Begib dich nicht mit den anderen in den Clinch, dann fängst du auch noch an, dich im Ton zu vergreifen."

Die so genannte Elefantenrunde nach der Bundestagswahl am Sonntag, 18.09.2005, im ZDF-Hauptstadtstudio in Berlin.

"Als wäre ich nicht Teil des Ganzen": Die sogenannte Elefantenrunde nach der Bundestagswahl 2005

Ihr sei vollkommen klar gewesen, dass sie etwas Besonderes erlebte. "Ich bezweifelte sehr, ob Gerhard Schröder einem Mann gegenüber genauso aufgetreten wäre", erinnert sich die Frau - die danach 16 Jahre lang regieren sollte.

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