Polizisten stehen am Tatort in Magdeburg
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Tote und Verletzte Was ist über den Anschlag in Magdeburg bekannt?

Stand: 21.12.2024 14:31 Uhr

Nach der Festnahme eines Mannes laufen die Ermittlungen zum Anschlag in Magdeburg. Der Tatverdächtige soll ein aus Saudi-Arabien stammender Islamkritiker sein. Was bislang bekannt ist - und was nicht.

Was ist vorgefallen?

Auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg ist ein Auto in eine Menschenmenge gefahren. Nach Informationen von WDR und NDR wird die Tatzeit in einem internen Bericht der Polizei Magdeburg mit kurz nach 19 Uhr angegeben. Sämtliche Polizeikräfte der Region sollen angefragt worden sein, im Einsatz seien ebenso die Spezialkräfte Mitteldeutschlands gewesen. Die Ermittlungen laufen am Morgen weiter.

Die Zahl der Todesopfer ist nach Angaben von Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff mittlerweile auf fünf gestiegen. Mindestens 200 Menschen wurden demnach verletzt, viele davon schwer. Bundeskanzler Olaf Scholz sagte, fast 40 Menschen seien so schwer verletzt, "dass man große Sorge um sie haben muss". 

Ein Verdächtiger wurde festgenommen. Er soll mit einem Auto mindestens 400 Meter über den Weihnachtsmarkt in die Menschenmenge gerast sein. Bei dem Wagen handelt es sich um einen schwarzen BMW. Trotz Absicherung des Marktes mit Betonklötzen habe der Fahrer eine Sicherheitslücke gefunden, berichtet MDR-Reporter Dan Hirschfeld. Der Weihnachtsmarkt wurde geschlossen, der Straßenbahnverkehr eingestellt.

Wer ist der Tatverdächtige?

Bei dem festgenommenen Tatverdächtigen soll es sich um einen 50-jährigen Mann namens Taleb A. handeln, der aus Saudi-Arabien stammt und 2006 nach Deutschland kam. In Sachsen-Anhalt soll er als Facharzt für Psychiatrie gearbeitet haben. Wie eine Sprecherin der Betreibergesellschaft Salus mitteilte, habe er im Maßregelvollzug mit suchtkranken Straftätern gearbeitet.

Nach Recherchen des ARD-Hauptstadtstudios soll A. bereits vor mehr als zehn Jahren auffällig gewesen sein. Aus Ermittlungskreisen hieß es, dass er 2013 vom Amtsgericht Rostock wegen der Androhung von Straftaten zu 90 Tagessätzen zu je zehn Euro verurteilt worden sei. Bei dem späteren Asylverfahren habe die Verurteilung aber nicht zu einer Ablehnung seines Antrags geführt. Zuvor hatte es geheißen, A. sei den deutschen Sicherheitsbehörden vor der Tat nicht bekannt gewesen.

Mittlerweile soll er verhört worden sein. Auch die Wohnung des mutmaßlichen Täters in Bernburg rund 40 Kilometer südlich von Magdeburg soll durchsucht worden sein. Details zu Verhör und Durchsuchung sind aber noch nicht bekannt.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff sagte in den tagesthemen, es handele sich nach jetzigem Ermittlungsstand um einen Einzeltäter. Für die Stadt gehe nach aktuellem Ermessen keine weitere Gefahr aus.

Das Auto, das bei der Tat verwendet wurde, soll der Mann angemietet haben. Hinweise auf ein zweites, möglicherweise mit der Tat im Zusammenhang stehendes Auto hätten sich bei den Ermittlungen nicht bestätigt, erklärte die Polizei.

Polizei und Staatsanwaltschaft wollen am Nachmittag über den Stand der Ermittlungen informieren. Wie die Polizei Sachsen-Anhalt mitteilte, findet dazu um 16 Uhr eine Pressekonferenz im Alten Rathaus Magdeburgs statt.

Gibt es Informationen über ein Motiv?

Konkret nicht. Der Festgenommene ist als islamkritischer Aktivist bekannt, der sich selbst als Ex-Muslim bezeichnet. In sozialen Medien, auf islamfeindlichen Websiten und in Interviews erhob er zuletzt Vorwürfe gegen deutsche Behörden. Er hielt ihnen unter anderem vor, nicht genügend gegen Islamismus zu unternehmen und befürchtete eine Islamisierung Deutschlands.

Auf dem Onlinedienst X bekundete er seine Sympathie zur AfD und träumte von einem gemeinsamen Projekt mit der in weiten Teilen rechtsextremen Partei: einer Akademie für Ex-Muslime.

Nachdem er vor Jahren mit seiner Unterstützung für saudische Frauen, die aus ihrem Heimatland fliehen, an die Öffentlichkeit gegangen war, schrieb er später auf seiner Website in englischer und arabischer Sprache: "Mein Rat: Bittet nicht um Asyl in Deutschland." Eine islamistische Motivation für die Tat sei deshalb nicht naheliegend, meint ARD-Terrorexperte Holger Schmidt. Das Motiv sei aber weiter unklar.

Die Nachrichtenagentur Reuters meldet unter Berufung auf einen nicht näher bezeichneten Insider aus Saudi-Arabien, dass das Königreich die deutschen Behörden vor dem Angreifer gewarnt habe. Dass das totalitäre Land vor Kritikern warne, sei jedoch nicht verwunderlich und sage nicht viel aus, erklärte Schmidt.

Haseloff sagte in den tagesthemen, er könne sich vorstellen, dass "aufgrund der Schwere dieses Anschlages" auch der Generalbundesanwalt tätig werde. Es gebe Signale in diese Richtung. Man sei "mittendrin in der Analyse".

Was sind die Reaktionen?

Bundeskanzler Kanzler Olaf Scholz besucht derzeit Magdeburg. Zunächst kam er gemeinsam mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser, Bundesjustizminister Volker Wissing, Umweltministerin Steffi Lemke und Unionsfraktionschef Friedrich Merz mit dem Kabinett Sachsen-Anhalts in der Staatskanzlei zusammen, wie diese bestätigte. Mit Ministerpräsident Haseloff besuchten sie anschließend den Tatort in der Magdeburger Innenstadt. 

Am Abend soll es im Dom eine Gedenkfeier geben. Man wolle Betroffenen, Angehörigen und allen anderen Bürgern eine Möglichkeit zum Trauern geben, sagte Magdeburgs Oberbürgermeisterin Simone Borris. Es soll zudem um 18 Uhr eine große Demo stattfinden. Als Zeichen der Trauer bleiben alle städtischen Kultureinrichtungen in Magdeburg geschlossen, teilte die Stadt mit. Die Schließung gelte für die kommenden Tage.

Etliche Städte in Deutschland verstärkten die Sicherheitsvorkehrungen auf ihren Weihnachtsmärkten, einige schlossen ihre Weihnachtsmärkte.

Faeser hat bundesweit Trauerbeflaggung bei den obersten Bundesbehörden angeordnet. Mehrere ausländische Regierungen, die EU, die Vereinten Nationen sowie die NATO bekundeten nach dem mutmaßlichen Anschlag ihre Solidarität.