Ein Bundespolizist kontrolliert in Neuenburg (Baden-Württemberg) am deutsch-französischen Grenzübergang den Verkehr
Hintergrund

Kern des Unionsstreits "Wirkungsgleich" oder nicht?

Stand: 02.07.2018 16:20 Uhr

Politisch Interessierte haben ein neues Wort kennengelernt: "wirkungsgleich". Bislang kannte es nicht einmal der Duden. Wie löste dieser spröde Begriff bloß eine so heftige Regierungskrise aus?

Von Alexander von Beyme, ARD-aktuell

Über die Flüchtlingspolitik haben sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer in der Vergangenheit schon oft gestritten. Nun ist der Konflikt soweit eskaliert, dass Seehofer vor dem Rücktritt steht - nicht nur als CSU-Chef, sondern auch als Bundesinnenminister. Im Kern streiten die beiden über einen einzigen Punkt aus Seehofers "Masterplan Migration".

Seehofer hatte wiederholt gefordert, bestimmte Flüchtlingsgruppen bei Grenzkontrollen direkt zurückzuweisen. Die Zurückweisung von Flüchtlingen, die Deutschland mit Einreise- oder Aufenthaltsverbot belegte, hat er bereits angeordnet. Darüber hinaus heißt es in Punkt 27 des "Masterplans": "Künftig ist auch die Zurückweisung von Schutzsuchenden beabsichtigt, wenn diese in einem anderen EU-Mitgliedsstaat bereits einen Asylantrag gestellt haben oder dort als Asylsuchende registriert sind."

Merkel lehnt dies ab, sie sieht dies nach wie vor als einen nationalen Alleingang. Aber verzichten wollte Seehofer darauf nur, falls Merkel auf dem EU-Gipfel Ende Juni Vereinbarungen erreicht, die "wirkungsgleich" seien.

Wie gut waren die Brüsseler Ergebnisse?

Die Messlatte für den Gipfel lag also hoch. Bis in die frühen Morgenstunden rangen die Staats- und Regierungschefs um die Beschlüsse zur Migrationspolitik. Merkel verwies schließlich darauf, dass sie gute Ergebnisse erzielt habe. Dazu gehört eine Einigung auf eine stärkere Sicherung der EU-Außengrenzen, unter anderem durch eine schnelle Aufstockung der Grenzschutzagentur Frontex. Außerdem sollen für Bootsflüchtlinge, die über das Mittelmeer kamen, in der EU zentrale Sammellager errichtet werden.

Am bedeutsamsten für den Unionsstreit dürfte sein, dass laut Merkel neben Spanien und Griechenland 14 EU-Staaten zugesagt haben, Abkommen über eine beschleunigte Rücknahme von Flüchtlingen auszuhandeln. Allerdings ist keines der Abkommen fertig, einige der Länder widersprachen gar Merkels Darstellung: Tschechien dementierte klar; Ungarn und Polen äußerten sich ebenfalls zurückweisend, formulierten aber so unklar, dass offen blieb, was genau zurückgewiesen wird.

Im ZDF-Sommerinterview stellte Merkel dies als Missverständnis dar. Sie beharrte darauf, dass es entsprechende politische Zusagen gebe, solche Abkommen in naher Zukunft abzuschließen.

Nach Auffassung Merkels sind diese Schritte in der Summe "wirkungsgleich" mit Seehofers geplanten Zurückweisungen - in dem Sinne, dass sie die sogenannte Sekundärmigration reduzieren. Damit ist die Weiterreise von bereits registrierten Asylbewerben in andere EU-Staaten gemeint. Seehofer teilt diese Ansicht nicht.