Schlauchboote liegen bereit an der Absperrung der Polizei in der Fischbachstrasse in Saarbrücken

Dauerregen und Hochwasser Ausnahmezustand im Saarland

Stand: 18.05.2024 09:12 Uhr

Dauerregen hat im Saarland überflutete Straßen, vollgelaufene Keller und Erdrutsche verursacht. Der Deutsche Wetterdienst hob zwar seine Unwetterwarnung auf, doch die Schäden sind noch nicht abzusehen. Kanzler Scholz will sich vor Ort informieren.

Heftiger Dauerregen mit darauffolgenden Überschwemmungen hat das Saarland in den Ausnahmezustand versetzt. Inzwischen entspannte sich die Lage aus Sicht der Polizei etwas. Seit 1 Uhr stiegen die Pegelstände zumindest nicht mehr, sagte ein Sprecher des Lagezentrums in Saarbrücken. Die Rettungskräfte seien aber weiterhin im Großeinsatz.

Nach bisherigen Kenntnissen sind bei dem schweren Unwetter mit stundenlangen Niederschlägen und großflächigen Überflutungen keine Menschen ums Leben gekommen. Bei einer Evakuierungsaktion habe es einen Verletzten gegeben, sagte der Sprecher. Ein Mensch sei ins Wasser gefallen und anschließend in ein Krankenhaus gebracht worden.

DWD hebt Unwetterwarnungen auf

Der Deutsche Wetterdienst (DWD) hatte am frühen Morgen alle Unwetterwarnungen in Deutschland aufgehoben. Somit lagen im Saarland und auch in Rheinland-Pfalz keine Warnungen vor "extrem ergiebigem Dauerregen" mehr vor, wie der DWD mitteilte.

Bundeskanzler Olaf Scholz will sich heute gemeinsam mit Ministerpräsidentin Anke Rehlinger im Saarland ein Bild von der Situation machen. Rehlinger sagt im Interview mit dem Saarländischen Rundfunk (SR), die Lage sei "sehr angespannt". Es müsse davon ausgegangen werden, dass es massive Schäden geben werde, sowohl an der öffentlichen Infrastruktur, als auch bei den Bürgern. "Es ist vollkommen klar, dass wir es hier mit einem Ereignis von überörtlicher Bedeutung zu tun haben."

Die großen Aufräumarbeiten dürften im Laufe des Vormittags anlaufen - dann wird auch das ganze Ausmaß der Schäden sichtbar. Auf Videos waren zur Hälfte überschwemmte Autos, im Hochwasser feststeckende Wohnwagen und zahlreiche überflutete Straßen zu sehen. Gebäude wurden notdürftig mit Sandsäcken geschützt, teilweise stehen ganze Straßenzüge unter Wasser. 

Saarbrücken rief Großschadenslage aus

Die Landeshauptstadt Saarbrücken rief ebenso wie mehrere Kreise eine Großschadenslage aus. Die Bevölkerung wurde aufgerufen, Keller, Gewässer und überflutete Gebiete zu meiden. Mehrere Gebäude im Stadtgebiet mussten evakuiert werden. Die Stadt richtete Ausweichquartiere in Schulen und ein Bürgertelefon ein. "Wir haben überall Evakuierungen", sagte ein Sprecher des Lagezentrums in Saarbrücken. Allein die Polizei im Saarland verzeichnete bis zum frühen Samstagmorgen rund 1.000 Einsätze, hinzu kommen nach Angaben des Innenministeriums mehr als 2.400 Einsätze von Feuerwehren und anderen Hilfsorganisationen.

In Rußhütte, einem Stadtteil der Landeshauptstadt Saarbrücken, wurden die Menschen mit Amphibienfahrzeugen und Booten evakuiert. Die Lage sei "brenzlig" gewesen, weil die Strömungsgeschwindigkeit so hoch war, dass die Feuerwehr abbrechen musste und Strömungsretter des Deutschen Roten Kreuzes angefordert wurden, sagte der Sprecher des Innenministeriums.

In Ottweiler wurde der Strom abgeschaltet

In der Altstadt von Ottweiler musste in der Nacht vorsorglich der Strom abgeschaltet werden, wie ein Sprecher des Innenministeriums sagte. Dort gaben die Dämme nach und Wasser lief in die Altstadt. "Wir haben hier eine Großschadenslage", sagte Landrat Sören Meng in einem Video auf Facebook. Die Einsatzkräfte seien ununterbrochen unterwegs. "Die Folgen für den Landkreis sind sehr groß. Es sind fast alle Städte und Gemeinden betroffen."

Im saarländischen Völklingen sind wegen des anhaltenden Regens Straßenzüge vom Stromnetz genommen worden. "In Völklingen werden Schäden in Millionenhöhe erwartet, insbesondere im privaten Bereich", hieß es. "Das Schadensausmaß ist nicht noch absehbar."

Weiterhin angespannt ist die Lage laut Innenministerium in Blieskastel, da der Pegelstand der Blies noch einmal leicht gestiegen ist. Gegen Samstagmittag werde dort der Höchststand erwartet, zahlreiche Helfer versuchten, eine Überschwemmung der Altstadt von Blieskastel zu verhindern.

Kabinett verspricht finanzielle Hilfen

Bereits in der Nacht sandte die Landesregierung eine Botschaft an die Bürgerinnen und Bürger und leitete erste Schritte für finanzielle Hilfen ein. Es seien kurzfristig Beschlüsse gefasst worden, "durch die Hilfe bereitsteht, um entstandene Schäden zu beheben", erklärte Ministerpräsidentin Rehlinger. Noch könne aber niemand konkrete Summen nennen.

In einer Schalte am späten Freitagabend habe der Ministerrat ein sogenanntes Elementarereignis von überörtlicher Bedeutung festgestellt. Damit können laut Staatskanzlei Hilfen des Landes fließen. Zudem könnten Kommunen wegen der außergewöhnlichen Notsituation von Regelungen des Haushaltsausgleichs abweichen.

100 Liter Regen pro Quadratmeter binnen 24 Stunden

Es handele sich um ein Hochwasserereignis, wie es alle 20 bis 50 Jahre stattfinde, teilte das Landesamt für Umwelt- und Arbeitsschutz mit. An der Unteren Blies rechnete das Amt noch bis zum Nachmittag mit weiter ansteigenden Wasserständen. Der DWD maß stellenweise mehr als 100 Liter Regen pro Quadratmeter in nicht einmal 24 Stunden.

Für diesen heftigen Regen seien Flüsse und Infrastruktur nicht ausgerichtet, sagte eine DWD-Meteorologin. Zum Vergleich: Im gesamten vergangenen Monat April waren im Saarland rund 74 Liter Regen pro Quadratmeter gemessen worden - und dies war ein Sechstel mehr Niederschlag als normalerweise in dem Monat. 

Aus Bayern machte sich ein Wasserrettungsfahrzeug nach Saarluouis auf den Weg. Die Wasserrettungskräfte wurden nach Angaben des Bayerischen Roten Kreuzes zur Rettung und Evakuierung von Menschen aus Gebäuden und Fahrzeugen angefordert. Zum Team gehören demnach Boots- und Tauchtrupps mit mindestens 32 Einsatzkräften.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser dankte den Kräften von THW, Polizei und Feuerwehr auf X. "Großer Respekt und Dank an alle Einsatzkräfte für ihren unermüdlichen Einsatz, um Menschenleben zu schützen!", schrieb sie. Auch Bundesumweltministerin Steffi Lemke zeigte Mitgefühl am späten Freitagabend auf X: "Bin wie viele heute Abend in Gedanken bei den Menschen in den Hochwassergebieten und den Helfern, von denen viele die ganze Nacht im Einsatz sein werden. Ich hoffe, alle kommen sicher durch die nächsten schlimmen Stunden."

Großflächige Überschwemmungen auch in Rheinland-Pfalz

Auch in Rheinland-Pfalz sorgte der Regen für zahlreiche Einsätze. Vor allem der Kreis Trier-Saarburg sowie die Südpfalz und die Städte Trier, Zweibrücken und Ludwigshafen waren von dem Dauerregen betroffen. An der Saar und Ruwer im Kreis Trier-Saarburg kam es nach Angaben der Kreisverwaltung zu großflächigen Überschwemmungen. Die Lage sei unverändert angespannt, hieß es. Die Pegelstände an den beiden Flüssen seien weiterhin hoch. Demnach fließen aktuell nach wie vor große Mengen Wasser aus der Riveristalsperre in die Ruwer.

Wegen einer defekten Staustufe in Detzem könne es an der Mosel zu einem Rückstau und somit zu Hochwasser an den vorliegenden Gemeinden kommen. Die Einsatzkräfte werden den Angaben nach weiter aufgestockt.  

Beeinträchtigungen im Bahnverkehr

Sowohl im Saarland als auch in Rheinland-Pfalz kommt es aufgrund des Unwetter zu massiven Beeinträchtigungen und Ausfällen im Zug- und Schienenersatzverkehr. Von nicht notwendigen Reisen ins Saarland sei abzusehen, teilte die Deutsche Bahn mit. Aufgrund der Witterungsbedingungen konnte die Bahn ihren Angaben zufolge keinen Ersatzverkehr einrichten. Betroffen seien mehrere Regionalbahn- und Regional-Express-Linien, die unter anderem über die Hauptbahnhöfe Pirmasens, Trier und Saarbrücken führen.

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