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Interview

Witwe von NSU-Opfer "Ich will Antworten"

Stand: 11.07.2018 08:04 Uhr

Mit dem Urteil heute geht der NSU-Prozess zu Ende - doch die Hinterbliebenen der Opfer sind unzufrieden. Im BR-Interview erklärt Elif Kubasik, welche Fragen sie an die Täter und die Behörden hat.

BR: Heute wird in diesem langen Prozess das Urteil gesprochen. Was bedeutet das für Sie?

Elif Kubasik: Ich bin sehr aufgewühlt und habe sehr widersprüchliche Gefühle. Ich weiß nicht, welche Strafen in diesem Verfahren verhängt werden. Gerade kann ich auch gar nicht darüber nachdenken, was wird und wie alles weitergeht. Ich bin einfach sehr aufgewühlt.

Elif und Mehmet Kubasik
Mehmet Kubasik kam mit seiner Frau Elif 1991 nach Deutschland, weil er als alevitischer Kurde in der Türkei politisch verfolgt wurde. Er erhielt politisches Asyl. Kubaşık arbeitete zunächst als Hilfsarbeiter im Großhandel und als Bauarbeiter, bevor er sich selbstständig machte und einen Kiosk in der Dortmunder Nordstadt eröffnete.

Am 4. April 2006 wurde er dort mit mehreren Schüssen ermordet. Seine Frau Elif sagte der Polizei bereits kurz nach der Tat, sie vermute Nazis als Mörder - in Dortmund gibt es eine sehr aktive Neonazi-Szene. Die Ermittler konzentrierten sich dennoch nur auf das persönliche Umfeld des Opfers - bis zur Enttarnung des NSU 2011.

Kein Vertrauen eingeflößt

BR: Wenn Sie eine persönliche Bilanz der Ermittlungen und des Prozesses ziehen - wie sieht die aus?  

Kubasik: Ich würde nicht sagen, dass mir das Verfahren großes Vertrauen eingeflößt hat, weil zu viele Fragen, die ich hatte, nicht beantwortet sind. Es sind doch nicht nur diese fünf Leute, die für die Morde verantwortlich sind. Es sieht so aus, als wolle man sich einfach aus der Sache retten, indem man sagt: "Die Fünf bekommen ihre Strafe und damit ist die Sache vorbei." Das darf es aber nicht sein. Wichtige Fragen bleiben offen: Wer hat ihnen noch geholfen? Wie groß ist ihr Netzwerk? Wer waren ihre Informanten? Welche staatlichen Stellen wussten Bescheid?

BR: Und wie haben sie die Tage nach dem Mord an ihrem Mann erlebt?

Kubasik: Wir beide haben ja sehr jung geheiratet. Er war einfach ein herzensguter Mensch, der mir stets Sicherheit gab. Er war einfach alles für mich: der Vater meiner Kinder und im Grunde meine ganze Welt. Ich werde diesen Schmerz nach seinem Tod nie vergessen. Da waren Angst, Leid und die ständige Frage: Warum tötet jemand einen so wunderbaren Menschen? Es waren sehr leidvolle und sehr schwere Tage für mich.

"Die Polizei sammelte den Staub von unseren Vorhängen"

BR: Die Polizei hat zunächst gegen die Familie und das Umfeld ihren Mannes ermittelt.

Kubasik: Sie haben sehr viele Fragen gestellt, etwa ob Mehmet mit jemandem Streit hatte, oder was in der letzten Zeit vorgefallen war. Ich habe die gewünschten Durchsuchungen erlaubt, weil ich wissen wollte, was passiert ist. Doch dann haben sie auch uns zum Verhör mitgenommen. Meine Tochter Gamze und mich haben sie fünf, sechs Stunden vernommen. Sie haben den Keller durchsucht, sie haben das Auto durchsucht, sie haben sogar Staub von den Vorhängen gesammelt.

BR: Wie schwer war das für Sie hierher zum Prozess zu kommen?

Kubasik: Es war für mich nicht einfach, hierherzukommen und den Mördern in die Augen zu schauen. Wenn Sie mich fragen, wie mein seelischer Zustand ist, dann würde ich sagen: Ich fühle mich so wie am Anfang des Verfahrens. Ich will endlich Antworten auf meine Fragen haben. Ich möchte vom deutschen Staat, dass er aufklärt, wer diesen Leuten geholfen hat. Ich glaube durchaus, dass die Angeklagten hier die Strafe bekommen werden, die sie verdienen. Aber ich möchte wissen, wer noch alles dabei war, warum ausgerechnet Mehmet umgebracht wurde und wie genau das alles abgelaufen ist.

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