Ricarda Lang und Omid Nouripur
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Parteitag der Grünen Mitte und Mainstream sind die einzige Chance

Stand: 26.11.2023 16:08 Uhr

Die Grünen haben erkannt: Wenn sie auch künftig politischen Einfluss haben wollen, müssen sie in die Mitte rücken. Das geht zulasten grüner Ur-Themen und erfordert bittere Kompromisse.

Ein Kommentar von Oliver Neuroth, ARD-Hauptstadtstudio

Für die Grünen gibt es nur einen Weg, um politisch weiter etwas zu sagen zu haben: Sie müssen in die Mitte rücken. Weg von der Ein-Themen-Partei. Weniger Öko, mehr Mainstream. Und damit auch potenziell mehr Wähler.

Genau diesen Weg wollen die Grünen nach diesem Parteitag in Karlsruhe auch gehen - das ist nach der Debatte über die Asylpolitik klar geworden. Denn die Partei hat sich dafür entschieden, in der Migrationspolitik bei der Linie der Ampelkoalition zu bleiben, die die aktuellen Asylregeln verschärfen will. Ein Antrag der Grünen Jugend dagegen wurde abgeschmettert. Das war gut so.

Denn der Antrag hätte wohl auch zur Konsequenz gehabt, dass die Grünen die Bundesregierung verlassen müssen. Wenn kein grüner Minister, keine grüne Ministerin weiteren strengeren Migrationsregeln zustimmen dürfte, wäre eine Zusammenarbeit mit SPD und FDP ausgeschlossen.

In der Regierungspolitik etwas bewegen

Selbst wenn die Arbeit in diesem Bündnis den Grünen unzählige, bittere Kompromisse abverlangt: Sie können der Regierungsarbeit immerhin etwas von ihrer Handschrift verpassen. Und mehr bewegen als aus der Opposition heraus.

Auch bei der sogenannten CCS-Technik zeigen sich die Grünen jetzt überraschend offen. Jahrelang hatten sie die Technik, mit der CO2 unter der Erde gespeichert wird, vehement abgelehnt. Einige Fachleuten warnen vor möglichen Umweltschäden. Trotzdem sprechen sich in die Grünen in ihrem Europawahlprogramm für CCS aus, ohne auf dem Parteitag darüber zu debattieren. Damit stellt die Partei klar: Wir sind offen für Innovationen, bewegen uns weiter und stellen ökologische Bedenken nicht über alles.

Die Idee ist nicht neu

Die Idee, sich zur politischen Mitte zu öffnen, ist bei den Grünen nicht neu. Als Robert Habeck noch Umweltminister in Schleswig-Holstein war, hatte er das schon vor. Nach dem Motto: das große Ganze im Blick haben, sich nicht in endlosen Streitereien verfangen und so vielleicht sogar ins Kanzleramt einziehen.

Dieser Plan ist bekanntlich gescheitert. Führende Grüne wollen die Idee aber nicht aufgeben. Auch das macht der Parteitag deutlich.

Mit einem Teil der Mitte verspielt

Doch ob der Weg in Regierungsverantwortung nach der Bundestagswahl im übernächsten Jahr noch einmal funktioniert, ist alles andere als sicher. Die Grünen haben es sich mit einem Teil der politischen Mitte verspielt. Das zeigen die Umfragen und die Wahlergebnisse in Hessen und Bayern. Schuld sind das Heizungsgesetz und andere politische Patzer der Partei.

Trotzdem: Die Grünen haben nur eine Option, um nicht irgendwann in der Bedeutungslosigkeit zu versinken. Sie müssen die Mitte wieder umwerben. Das heißt zwar, man verprellt vielleicht die Ränder der Partei, die für grüne Ur-Themen kämpfen. Man hat dadurch weniger Alleinstellungsmerkmale. Aber Machtoptionen.