Interview

Vorschlag des Führungskräfteverbands Frauenquote ja - aber nur mit Verfallsdatum

Stand: 15.04.2013 16:04 Uhr

Ab 2020 will die CDU eine gesetzliche Frauenquote ins Wahlprogramm schreiben - Beruhigungspille für die Befürworter in den eigenen Reihen? Im Interview mit tagesschau.de schlägt Ludger Ramme vom Deutschen Führungskräfteverband einen anderen Kompromiss vor: die zeitlich befristete Einführung der Quote.

tagesschau.de: Vor allem in der Union verläuft die Diskussion über eine Frauenquote in Aufsichtsräten zum Teil sehr emotional. Sie schlagen eine gesetzliche Quote vor, die aber zeitlich begrenzt sein soll. Was kann das bringen?

Ludger Ramme: Wir wollen versuchen, die Quote pragmatischer und weniger emotional zu betrachten. Unser Vorschlag, die Frauenquote zeitlich zu befristen, soll Zweifler und Zögerer dazu bewegen, es doch einfach mal damit zu versuchen. Eines der Hauptargumente gegen die Quote ist ja, dass man dieses Gesetz nie wieder los werden würde. Wenn man nun die Geschlechterquote in Aufsichtsräten befristet, dann müssten nach etwa 15 Jahren die Haupthindernisse für eine stärkere Beteiligung von Frauen in Aufsichtsräten aus dem Weg geräumt sein. Dann könnte man auch neu über das entsprechende Gesetz entscheiden: Schaffen wir es ab oder führen wir es noch mal ein?

Zur Person
Seit 1999 ist Ludger Ramme Hauptgeschäftsführer des Deutschen Führungskräfteverbandes. Der Verband vertritt die Interessen von rund 50.000 leitenden Angestellten und Angestellten außerhalb des Tarifs mit Leitungsverantwortung und versteht sich als deren politisches Sprachrohr. Ramme ist Jurist, verheiratet und Vater dreier Söhne.

tagesschau.de: Wodurch werden Frauen vor allem daran gehindert, in die Aufsichtsräte aufzurücken?

Ramme: Zunächst mal muss man feststellen, dass das Problem des Ungleichgewichts vor allem auf der Anteilseignerseite in den Aufsichtsräten besteht. Die Arbeitnehmerseite ist schon heute gar nicht so schlecht aufgestellt, was die Verteilung der Geschlechter angeht. Bei den Anteilseignern aber ist es so, dass häufig alte Netzwerke bestehen: Man kennt sich aus dem Studium, man begegnet sich in bestimmten Zirkeln. Diese "Old-Boys-Networks" verhindern, dass Frauen unvoreingenommen in den Kreis derer kommen, in dem man sich nach potenziell geeigneten Kandidaten und Kandidatinnen für einen Aufsichtsratsposten umschaut. Eine solche "Closed-Job"-Politik der Männer lässt sich durch eine Geschlechterquote aufbrechen.

Starkes gesellschaftspolitisches Signal

tagesschau.de: Welche positiven Nebeneffekte könnte die Einführung einer Quote in Bezug auf die Unternehmenskultur haben?

Ramme: Wir verstehen die Einführung einer Frauenquote in den Aufsichtsräten als ein starkes gesellschaftspolitisches Signal, das auch ins Unternehmen hinein wirkt. Den mittleren Managementebenen wird vor Augen geführt, dass eine Frau die gleiche fabelhafte Karriere machen kann wie ein Mann. Das bedeutet für die Frauen auf diesen Ebenen, dass sie sich auch nach solchen Zielbildern ausrichten können.

tagesschau.de: Warum hat die Verpflichtung zur Selbstverpflichtung in den Unternehmen nicht den gewünschten Effekt gehabt?

Ramme: Wir glauben, der Effekt ist vor allem eine Frage der Zeit. In vielen Unternehmen, gerade in Großunternehmen, wird intensiv daran gearbeitet, die jungen Führungskarrieren immer stärker mit Frauen zu besetzen. In einigen Jahren werden wir also wesentlich mehr Frauen in Führungspositionen sehen. Von daher ist die negative Bewertung der Selbstverpflichtung vor allem eine Augenblicksbetrachtung, die der enormen Veränderung in den nächsten Jahren nicht gerecht wird. Unsere Ad-Hoc-Lösung einer zeitlichen Befristung würde die Entwicklung noch einmal beschleunigen.

tagesschau.de: Für wie sinnvoll halten Sie in diesem Zusammenhang die Einführung einer Quote?

Ramme: Davor warnen wir. Wir haben uns ganz bewusst nur für die Quote in den Aufsichtsräten und Beiräten ausgesprochen. Auf den Ebenen des mittleren Managements sollte man stärker an den Rahmenbedingungen für Führungskräfte arbeiten. Das betrifft im Übrigen gleichermaßen Frauen wie Männer. Wir müssen dafür sorgen, dass Beruf und Familie besser miteinander zu vereinbaren sind. Dass sowohl junge Männer wie auch junge Frauen in der Familie kein Karrierehindernis sehen. Uns erscheint dieser Weg erfolgversprechender zu sein als der über eine Quote. Wir unterstützen Mentoring-Programme, die junge Frauen motivieren, sich für höhere Positionen zu bewerben. Wir sind der Auffassung, dass die Unternehmen bei gleicher Qualifikation den Frauen bei der Besetzung von Positionen so lange den Vorrang einräumen sollten, bis das Geschlechterungleichgewicht aufgehoben ist.

Keine Quote ohne gesellschaftlichen Konsens

tagesschau.de: Was muss ein Unternehmen konkret anders machen als bisher, um Frauen effektiv zu fördern?

Ramme: Es gilt zum Beispiel die Präsenzkultur zu verändern. Mithilfe der heute üblichen Kommunikationstechniken kommt es in vielen Positionen nicht mehr darauf an, wo man gerade seine Arbeit erledigt und ob man die ganze Zeit im Unternehmen präsent ist. Das wird ja auch schon praktiziert, dass junge Eltern - ich möchte es bewusst geschlechtsneutral ausdrücken -, vielleicht nur den Vormittag über im Büro sind, dass sie sich dann den Kindern widmen und erst in den Abendstunden wieder arbeiten, wenn die Kinder im Bett sind. Das könnte dann im Unternehmen geschehen oder eben auch von zuhause aus. In Skandinavien sind solche Modelle an der Tagesordnung.

tagesschau.de: Sie fordern für die Einführung der Frauenquote einen gesellschaftlichen Konsens. Warum ist Ihnen das wichtig? Schließlich geht es bei Personalfragen um die Kernkompetenz unternehmerischer Entscheidung.

Ramme: Die Unternehmer werden feststellen, dass sie in den nächsten Jahren Schwierigkeiten bekommen werden, ihre Führungspositionen mit qualifizierten Mitarbeitern zu besetzen. Sie werden gar nicht anders können, als den gesellschaftlichen Wünschen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen entgegenzukommen. Die Frage der Besetzung ist also nicht nach Gutsherrenart zu lösen. Aus demographischen Gründen werden Frauen wie Männer vermehrt arbeiten müssen. Aber das darf nicht auf Kosten der Kinder gehen. Wir als Gesellschaft müssen also beides schaffen. Wir müssen den Unternehmen die entsprechenden Arbeitskräfte anbieten, aber gleichzeitig auch dafür sorgen, dass unsere Kinder die beste Ausbildung und die optimale familiäre Betreuung erfahren.

Das Interview führte Ute Welty, tagesschau.de

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