Ein Beamter der Bundespolizei stoppt bei der Kontrolle des Einreiseverkehrs am deutsch-tschechischen Grenzübergang den Fahrer eines Autos bei der Einreise.

Irreguläre Migration Faeser ordnet Kontrollen an allen Grenzen an

Stand: 09.09.2024 19:54 Uhr

Ab kommender Woche soll es an allen deutschen Grenzen Kontrollen geben - das kündigte Innenministerin Faeser an. Zudem sollen "europarechtskonforme Zurückweisungen" möglich werden. Österreich will zurückgewiesene Migranten allerdings nicht aufnehmen.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat vorübergehend die Grenzkontrollen auf alle deutschen Landesgrenzen ausgeweitet. Die Gründe dafür seien neben der Begrenzung der irregulären Migration auch der Schutz der inneren Sicherheit vor den aktuellen Bedrohungen durch den islamistischen Terrorismus und vor grenzüberschreitender Kriminalität, so Faeser.

Die zusätzlichen Kontrollen sollen am 16. September beginnen und zunächst einmal sechs Monate andauern. Damit bestehe an allen Grenzen "das gesamte Bündel an stationären und mobilen grenzpolizeilichen Maßnahmen einschließlich der Möglichkeit von Zurückweisungen nach Maßgabe des europäischen und nationalen Rechts", hieß es in einer Mitteilung des Ministeriums. Für Pendler sollen die Auswirkungen möglichst gering gehalten werden.

Mitte Oktober 2023 hatte Faeser bereits stationäre Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz angeordnet. An der deutsch-österreichischen Landgrenze gibt es solche Kontrollen, die mit der irregulären Migration begründet werden, bereits seit September 2015. Nun kommen - wie bereits während der Fußball-EM - Kontrollen an den Grenzen zu Frankreich, Luxemburg, den Niederlanden, Belgien und Dänemark hinzu.

Grenzkontrollen sind innerhalb des Schengen-Raums eigentlich nicht vorgesehen. Sollen sie ausnahmsweise doch stattfinden, muss dies der EU-Kommission gemeldet werden.

"Modell für europarechtskonforme Zurückweisungen"

Neben den Grenzkontrollen kündigte Faeser auch eine Ausweitung der Zurückweisungen von Migranten an den deutschen Grenzen an - ohne allerdings Details zu nennen. Nach dem Migrationstreffen mit Unionsfraktion und Ländervertretern in der vergangenen Woche habe die Regierung ein "Modell für europarechtskonforme und effektive Zurückweisungen entwickelt", hieß es vom Ministerium. Dieses Modell gehe über die derzeit erfolgenden Zurückweisungen hinaus.

Faeser sagte, sie habe dies der Unionsfraktion mitgeteilt und vertrauliche Gespräche dazu angeboten. Ein solches Gespräch mit der Unionsfraktion und dem Vorsitz der Ministerpräsidentenkonferenz ist für diesen Dienstag anvisiert.

Teilnahme der Union unklar

Ob es zu dem Gespräch jedoch auch kommt, ist unklar. Denn die Teilnahme der Union ist offenbar noch nicht sicher. Man höre gerade "ziemlich widersprüchliche Angaben aus der Bundesregierung, was sie denn jetzt ernsthaft will", sagte Fraktionschef Friedrich Merz. Es sei unklar, ob es tatsächlich zu umfassenden Zurückweisungen an den Grenzen kommen solle.

Die Regierung müsse vor dem Treffen sagen, "was sie denn jetzt wirklich vorhat", sagte Merz weiter. Bis eine solche Erklärung vorliege, werde die Union nicht entscheiden, ob sie überhaupt an dem Gespräch teilnehme.

Österreich will Zurückgewiesene nicht aufnehmen

Zurückweisungen an den deutschen Binnengrenzen sind grundsätzlich nur da möglich, wo es Kontrollen direkt an der Grenze gibt. Seit Oktober 2023 sind nach Angaben des Innenministeriums bei solchen Kontrollen rund 52.000 unerlaubte Einreisen nach Deutschland festgestellt und etwa 30.000 Zurückweisungen vollzogen worden. Letzteres gibt es derzeit nur in bestimmten Fällen: wenn jemand mit einer Einreisesperre belegt ist oder kein Asyl beantragt.

Die Union hatte wiederholt Zurückweisungen in größerem Ausmaß verlangt, was bislang als schwer vereinbar mit europäischem Recht galt. Sie will auch Menschen zurückweisen, die bereits in einem anderen EU-Staat einen Asylantrag gestellt haben oder hätten stellen können.

Österreich teilte bereits mit, keine von Deutschland zurückgewiesenen Migranten aufnehmen zu wollen. "Österreich wird keine Personen entgegennehmen, die aus Deutschland zurückgewiesen werden", sagte Innenminister Gerhard Karne der Bild-Zeitung und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. "Da gibt es keinen Spielraum. Das ist geltendes Recht. Er habe daher den Chef der österreichischen Bundespolizei angewiesen, "keine Übernahmen durchzuführen".

Polizei sieht Schwachstellen bei Umsetzung

Vertreter der Polizei und Experten sehen Grenzkontrollen eher kritisch. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hatte zuvor bereits die Umsetzung der bisherigen Grenzkontrollen kritisiert. "Für das, was wir erreichen, ist der Personaleinsatz zu hoch", sagte der GdP-Vorsitzende für die Bundespolizei, Andreas Roßkopf. Am Ende mache der verstärkte Grenzeinsatz mit dieser Personalverlagerung andere Orte womöglich sogar unsicherer. Wer illegal einreisen oder Menschen schleusen will, wisse inzwischen, wo verstärkt kontrolliert werde. Die Maßnahmen seien zu starr und unflexibel.  

Zurückweisungen von Asylbewerbern an den Grenzen begrüße die GdP grundsätzlich - sollte es so geregelt seien, dass für Polizisten "im Nachgang keinerlei rechtliche Probleme entstehen". Die Bundespolizei, die für die Kontrollen an den Grenzen zuständig ist, arbeite aber bereits jetzt am Limit.

Sachverständige gegen permanente stationäre Kontrollen

Kritik kam auch vom Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR), der die Bundesregierung bei diesen Themen berät. Permanente stationäre Kontrollen innerhalb des Schengen-Raumes lehnt der SVR ab - mit ähnlicher Argumentation wie die GdP. "Auf diese stellen sich Schleuser schnell ein und sie verursachen hohe ökonomische Kosten bei Grenzstaus", heißt es in einer Stellungnahme des Sachverständigenrats.

Der SVR kritisiert zudem, dass die derzeitige öffentliche Debatte kein einziges Problem löse, dafür jedoch Ängste schüre und dem gesellschaftlichen Zusammenhalt schade. "Mit Aktionismus werden Erwartungen geweckt, an denen Politik gemessen wird. Hier sollten alle Beteiligten verbal abrüsten", sagte der Vorsitzende des SVR, Hans Vorländer. "Der Ruf nach immer weiteren Gesetzesänderungen und -verschärfungen hilft nicht weiter, wenn die Umsetzung das Problem ist."

Es drohe ein Vertrauensverlust bei den Bürgerinnen und Bürgern, wenn Erwartungen geschürt würden, die nicht erfüllbar seien, so Vorländer. Zudem könne ein auf Migrationsabwehr fokussierter Diskurs zuwanderungsinteressierte und benötigte Arbeits- und Fachkräfte abschrecken und zu einer gesellschaftlichen Spaltung beitragen.

Mit Informationen von Tina Handel, ARD Berlin

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