Fachkräfte arbeiten an Schaltschränken.

Einwanderung von Fachkräften "Spurwechsel" - aber nur halbherzig

Stand: 21.11.2018 18:33 Uhr

Beim umstrittenen "Spurwechsel" bleibt das Einwanderungsgesetz halbherzig. Damit sei eine Chance für mehr Integration vertan, meinen Experten. Und auch dafür, dringend benötigte Arbeitskräfte zu gewinnen.

Von Sandra Stalinski, ARD-aktuell

Schon der Name ist so sperrig, dass man ihn kaum aussprechen mag. Und auch beim Blick auf den Inhalt des Entwurfs für das neue Fachkräfte-Einwanderungsgesetz braucht man gute Nerven. Zu kompliziert, zu halbherzig, gar "abstrus" lautet auch die Kritik der Opposition.

In der Tat wurde hier erneut ein Flickwerk geschaffen, wie es die unterschiedlichen Regelungen zu Zuwanderung, Aufenthalt und Asyl schon immer gewesen sind. An einigen Stellen bringen die Änderungen nun zwar Fortschritte, alles in allem bleiben sie aber hinter den Erwartungen vieler an ein "echtes" Einwanderungsgesetz zurück.

Das trifft auch auf den lange so hitzig diskutierten "Spurwechsel" zu, den die SPD so gerne im Gesetz verankert hätte. Gemeint war damit ein Wechsel von Asylbewerbern ohne Bleiberecht vom Asyl- ins Einwanderungsverfahren. Und zwar dann, wenn sie gut integriert und qualifiziert sind. Was jetzt Eingang ins Gesetz gefunden hat, ist ein "Spurwechsel light", wenngleich der umstrittene Begriff dabei tunlichst vermieden wird.

Hohe Hürden für "Spurwechsel light"

Ausreisepflichtige Asylbewerber können laut Gesetzentwurf jetzt eine "Beschäftigungsduldung" für zwei Jahre erhalten, wenn sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Sie müssen beispielsweise seit mindestens 18 Monaten einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit mit mindestens 35 Wochenstunden nachgehen, seit mindestens einem Jahr im Besitz einer Duldung sein, ihren Lebensunterhalt seit mindestens einem Jahr selbst finanzieren, über "ausreichende Kenntnisse" der deutschen Sprache verfügen, dürfen wegen keiner Straftat verurteilt sein (wobei bestimmte leichtere Vergehen nicht berücksichtigt werden) und ihre Identität muss geklärt sein.

"Alles in allem durchaus sinnvolle, aber sehr hohe Anforderungen", findet der Migrationsexperte vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Herbert Brücker. "Ich finde das im Grundsatz richtig, dass man hier sagt, wir schaffen eine Verbesserung für Personen, die erwerbstätig sind und dem Sozialstaat nicht zur Last fallen", sagt er. "Aber, wenn man so hohe Hürden setzt, sollte man diesen Menschen im Gegenzug auch etwas anbieten." Eine Beschäftigungsduldung für zwei Jahre findet er da zu wenig, da sowohl für die Arbeitgeber als auch für die Betroffenen nach wie vor keine echte Rechtssicherheit bestehe.

Abschiebung kann trotzdem drohen

Der vernünftigere Weg wäre seiner Meinung nach, eine zunächst befristete Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Damit wäre der Spurwechsel zu einem regulären Aufenthaltstitel vollzogen. Betroffene und Arbeitgeber wüssten dann definitiv, dass keine Abschiebung innerhalb dieser Zeit droht. Und die Weichen für eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis wären deutlicher gestellt als beim jetzigen Kompromiss. Denn: "Wir profitieren von jedem, der gut in den Arbeitsmarkt integriert ist", sagt Brücker. "Die Anreize dafür sind jetzt zwar ein wenig gestärkt worden, die Chance, sie umfassend zu stärken, wurde aber vertan."

Schon jetzt gibt es die sogenannte Drei-plus-Zwei-Regelung, nach der abgelehnte Asylbewerber in der Ausbildung nicht abgeschoben werden sollen und nach Abschluss der Lehre noch zwei Jahre in Deutschland arbeiten dürfen. "Die Erfahrungen mit dieser Regelung haben gezeigt, dass es doch immer wieder zu plötzlichen Abschiebungen kommt, beispielsweise ein Asylantrag abgelehnt wurde oder sich die Situation im Heimatland geändert hat", sagt IAB-Experte Brücker. Und die große Frage bleibe bestehen: Was kommt nach Ablauf der zwei Jahre Beschäftigungsduldung? Dazu findet sich nichts im Gesetzentwurf.

"Zu hohe Hürden"

Fehlende Rechtssicherheit und zu hohe Hürden bemängelt auch der Migrationsrechtsexperte Constantin Hruschka vom Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik. "Das Niveau der Sprachkenntnisse soll auf B1 festgelegt werden. Völlig unklar ist, wie die betroffenen Personen in ihrer Situation diese Voraussetzungen erfüllen können sollen. Wer arbeiten geht, hat keine Zeit für einen Sprachkurs und zudem besteht auch kein Teilnahmeanspruch", erklärt Hruschka.

Die Prüfung all dieser Kriterien schaffe zudem neue bürokratische Hürden. "Und das bei einer Personengruppe, die schon zuvor sehr hohe Hürden nehmen musste, um überhaupt eine Arbeit und eine Arbeitserlaubnis zu bekommen", so Hruschka. Sowohl Betroffene als auch Arbeitgeber könnten durch diesen langwierigen Prozess abgeschreckt werden. Auch er sieht die Chance vertan, hier positive Anreize für die Integration in Arbeitsmarkt und Gesellschaft zu setzen.

Nur kleine Gruppe würde profitieren

Problematisch findet Hruschka zudem, dass die Voraussetzung für eine Beschäftigungsduldung nur erfüllt, bei wem spätestens sechs Monate nach Einreise die Identität geklärt ist. "Bei manchen asylsuchenden oder geduldeten Personen ist der Identitätsnachweis schlicht nicht so einfach und die Frage ist auch, was genau wird dafür verlangt: ein offizielles Dokument oder reicht eine glaubhafte Aussage?", fragt Hruschka. Andererseits könne der Nachweis der Identität manchmal gerade erst die Voraussetzung für eine Abschiebung sein, weil man dann beispielsweise das Herkunftsland eindeutig bestimmen könne. "Wenn ein Geduldeter also das Risiko eingeht, seiner Abschiebung Vorschub zu leisten, wird er diesen Weg wohl eher nicht einschlagen", sagt Hruschka. "Zudem wird mit dem zeitlichen Rahmen dieser Regelung durch die Hintertür eine völkerrechtlich problematische Identitätsklärungsverpflichtung für Asylsuchende eingeführt."

Die mit der Beschäftigungsduldung verbundenen Beschränkungen und Unsicherheiten sind vor allem auch deshalb fragwürdig, weil es sich nur um eine recht kleine Gruppe von Menschen handelt, die dafür überhaupt in Frage kämen. Von den derzeit etwa 131.000 Geduldeten im erwerbsfähigen Alter würden nach Einschätzung von IAB-Experte Brücker maximal 33.000 die entsprechenden Kriterien erfüllen. Hruschka schätzt die Zahl noch deutlich kleiner, wenn man die Hürden des Identitätsnachweises und der Sprachanforderungen noch mitbedenkt.

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