Zwei Frauen küssen sich auf der Zuschauertribüne des Bundestages.
FAQ

Ehe für alle Was sich rechtlich jetzt ändert

Stand: 30.06.2017 12:18 Uhr

Wann können die ersten schwulen und lesbischen Paare heiraten? Werden alle Lebenspartnerschaften jetzt automatisch Ehen? Was ist mit Adoptionen? Und verstößt das Ganze - wie manche behaupten - gegen das Grundgesetz? tagesschau.de beantwortet die wichtigsten Fragen.

Von Martin Mair, ARD Berlin, Frank Bräutigam, ARD-Rechtsredaktion und Tobias Sindram, SWR

Was genau ändert sich?

Künftig dürfen auch Schwule und Lesben heiraten. Sie bekommen dann alle Rechte und Pflichten einer Ehe zwischen Mann und Frau. Dazu wird das Bürgerliche Gesetzbuch geändert. Dort heißt es bislang: "Die Ehe wird auf Lebenszeit geschlossen." Künftig wird der Satz lauten: "Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen." Es sind also gerade einmal sieben Worte in einem Paragrafen, die die Ehe für alle ermöglichen.

Welche Folgen hat das für Adoptionen?

Rechtlich sind homosexuelle und heterosexuelle Paare künftig gleich, wenn sie heiraten. Praktisch wirkt sich das vor allem beim Adoptionsrecht aus: Bislang dürfen schwule oder lesbische Paare ein Kind nämlich nicht gemeinsam adoptieren. Das wird künftig möglich sein.

In allen anderen Bereichen sind Ehe und Lebenspartnerschaft bereits gleichgestellt. Der Weg dorthin war aber lang. Seit 2001 können sich Homosexuelle verpartnern. Dass sie beim Erbrecht, der Unterhaltspflicht und dem Ehegattensplitting gleiche Rechte und Pflichten haben, kam nach und nach - oft auf Druck des Bundesverfassungsgerichts. Den Befürwortern geht es aber auch um das Symbol, einer echten Gleichstellung von Hetero- und Homosexuellen.

Ist Deutschland damit Vorreiter?

Nein, weltweit haben bereits mehr als 20 Länder die Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet. Die meisten davon liegen in Westeuropa oder auf dem amerikanischen Kontinent. Aber auch in Taiwan, Südafrika und Neuseeland gibt es die Ehe für alle.

Was heißt das für bereits geschlossene Lebenspartnerschaften?

Sie werden nicht automatisch zu einer Ehe. Verpartnerte Paare müssen vielmehr persönlich und gemeinsam erneut zum Standesamt. Dort können sie erklären, dass sie künftig in einer "gleichgeschlechtlichen Ehe" leben wollen - so lautet der Verwaltungsbegriff. Eine Pflicht dazu gibt es nicht - Lebenspartnerschaften können auch einfach weitergeführt werden. Neue lassen sich allerdings nicht mehr schließen - es gibt künftig nur noch die Ehe.

Wie viele Paare betrifft es?

Im Jahr 2015 gab es nach Angaben des Statistischen Bundesamts 43.000 eingetragene Lebenspartnerschaften. Vermutlich werden sehr viele von ihnen nun einen Antrag auf Ehe stellen. Der Anteil homosexueller Männer und Frauen wird auf fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung geschätzt.

Wann können Homosexuelle die erste Ehe schließen?

Das wird noch ein bisschen dauern. Nachdem der Bundestag nun das Gesetz beschlossen hat, muss es der Bundespräsident unterschreiben. Davon ist auszugehen, das kann aber einige Wochen in Anspruch nehmen.

Danach haben die Standesämter drei Monate Zeit, sich vorzubereiten. Der frühestmögliche Termin ist damit der 1. November, an dem zwei Frauen oder Männer eine Ehe eingehen können.

Gibt es noch verfassungsrechtliche Bedenken?

Es gibt tatsächlich rechtliche Risiken. Konservative Unionspolitiker erwägen, vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen. Sie argumentieren, mit der vom Grundgesetz besonders geschützten Ehe sei nur eine Verbindung zwischen Mann und Frau gemeint.

Aus dem Wortlaut der Verfassung ergibt sich das allerdings nicht. Dort heißt es in Artikel 6, Absatz 1 lediglich: "Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung". Unter Experten besteht zwar kein Zweifel daran, dass die Mütter und Väter des Grundgesetzes Ende der 1940er-Jahre bei "Ehe" allein die Ehe zwischen Mann und Frau im Blick hatten. Allerdings wird in Deutschland - anders als in den USA - nicht die Auffassung vertreten, dass die Verfassung immer streng nach dem Willen des ursprünglichen Gesetzgebers auszulegen ist.

Die überwältigende Mehrheit der Experten, die der Bundestag befragt hat, geht demnach auch davon aus, dass die Verfassung nicht geändert werden muss. Die Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs reicht ihrer Einschätzung nach aus.

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