Die Baustelle am Bahnhof in Stuttgart
Mittendrin

"Stuttgart 21" Immer noch Deutschlands größte Baustelle

Stand: 22.02.2024 06:25 Uhr

Der neue Durchgangsbahnhof in Stuttgart sollte 2019 fertig gestellt sein und 2,5 Milliarden Euro kosten. Heute liegen die geschätzten Kosten bei 11,5 Milliarden Euro. Die Bahn gibt als Eröffnungstermin Dezember 2025 an.

Von Martin Rottach, SWR

Es ist die größte und wahrscheinlich umstrittenste Baustelle Deutschlands. Immer wieder sorgen Verzögerungen und Nachrichten über explodierende Kosten für negative Schlagzeilen des "Stuttgart 21"-Bahnprojekts.

Die Bilder von der Baustelle begeistern allerdings mittlerweile viele Menschen. 28 Kelchstützen stützen das Dach, das mittlerweile geschlossen ist. Durch die Kelche fällt Tageslicht in die riesige Halle, in der bald die ersten Züge fahren sollen. Durch das Lichtspiel bekommt der Raum fast das Flair einer Kathedrale.

Seit 14 Jahren wird schon an dem Bahnhof gebaut. Täglich versuchen über 500 Arbeiter den straffen Zeitplan einzuhalten.

Einmal im Leben

Chef der Baustelle ist Projektleiter Mark Theilemann. Für den Bauingenieur ist ein Traum wahr geworden. Er verantwortet den kompletten Bau des neuen Tiefbahnhofs. "Sowas in der Form gibt es das nur einmal in der Karriere und ich bin froh, daran mitwirken zu können."

Theilemann ist von Anfang an bei dem Großprojekt dabei. Zweimal pro Woche kontrolliert der 52-Jährige die Baustelle, sagt er. Für ihn sei es jedes Mal aufs Neue etwas ganz Besonderes, den Baufortschritt von einer Woche zur nächsten zu sehen.

Heute beginnt er seine Tour tief im Tunnel - im sogenannten Südkopf. Hier wuseln etliche Arbeiter zwischen den dort liegenden Gleisen. Aus einem großen Rohr läuft mit großem Tempo grauer, zäher Beton.

Der darf nicht zu schnell aushärten, sonst reißt er, erklärt Wolfgang Kohnle. Er ist Polier für die feste Fahrbahn und führt Regie im Spiel gegen die Zeit.

Insgesamt unter 24 Weichen müssen die Männer den Boden betonieren. Vier Gleise führen in Richtung neuem Tiefbahnhof und werden durch diese Weichen in die späteren acht Gleise des neuen Bahnhofs aufgefächert.

"Sauber runterrütteln", ruft Kohnle. Er hat seine Männer im Griff und ermahnt sie regelmäßig, den Beton sauber mithilfe eines vibrierenden Geräts bis in den letzten Winkel zu verteilen.

Mark Theilemann

Chef der Baustelle ist Projektleiter Mark Theilemann.

"Kein Teil ist gleich und von der Stange"

Für Projektleiter Theilemann geht es nun aus den Tiefen des Tunnels hoch hinaus. Zwölf Meter die Treppen hoch auf das Dach des neuen Bahnhofs. Hier hängen große Stahlteile an noch viel größeren Kränen. Sie bilden den Rahmen für die gläsernen Lichtaugen, die die Arbeiter auf den 28 Kelchstützen montieren.

Mit der Arbeit an den Lichtaugen ist der Bauingenieur heute zufrieden. "Wir haben Millimetertoleranzen. Das heißt zum Schluss, dass alle Teile wie ein Puzzle zusammenpassen müssen, um dann verschweißt werden zu können."

Auf halber Höhe in der zwölf Meter hohen Halle hängen Arbeiter große Stahlträger an die Decke. "Die größten Schrauben der Welt nennen wir sie", sagt Mark Theilemann, der mittlerweile wieder nach unten geklettert ist.

Die Stahlträger sind das Gerüst für den Steg, auf dem irgendwann die Passagiere auf die Gleise gelangen sollen. Und genau dieses Irgendwann ist derzeit wohl das Hauptproblem für den Projektleiter. Stand heute soll es laut Bahn im Dezember 2025 liegen. Dann sollen endlich die Züge im neuen Tiefbahnhof rollen.

Die Baustelle des Tiefbahnhofs Stuttgart 21

Der alte Kopfbahnhof hatte 16 Gleise, der neue soll nur acht haben.

Kritik am Bahnprojekt reißt nicht ab

Der ursprüngliche Eröffnungstermin für den neuen Durchgangsbahnhof war 2019. Eigentlich sollten also schon längst dort Züge fahren, wo derzeit noch nicht mal Gleise liegen. Die Kosten für das Gesamtprojekt liegen derzeit bei knapp 11,5 Milliarden Euro, mehr als vier Mal so viel wie einst geplant. Der alte Kopfbahnhof hatte 16 Gleise, der neue soll nur acht haben.

Zehntausende hatten hier einst gegen das Projekt demonstriert. Heute sind einige von ihnen immer noch aktiv und protestieren gegen den Neubau. Einer von ihnen ist Werner Sauerborn. Lederjacke, graue Haare, Liegefahrrad.

Mit 74 Jahren ist Sauerborn einer der Anführer des Widerstands gegen Stuttgart 21. Gemeinsam mit seinen Mitstreitern organisiert er die Mahnwache, ein kleines grünes Häuschen in Sichtweite zur Baustelle. Hier verteilen sie Infobroschüren und erklären interessierten Passanten ihre Sicht auf das Bahnprojekt.

Werner Sauerborn

Mit 74 Jahren ist Sauerborn einer der Anführer des Widerstands gegen Stuttgart 21.

"Der Bahnhof wird nicht funktionieren"

Die Hauptkritik ist damals wie heute die Gleiche. Erstens sei es durch den vielen Beton klimapolitisch bedenklich und zweitens wird der Bahnhof nach der Fertigstellung nicht funktionieren, sagt Sauerborn.

"Wenn man davon ausgeht, dass dann nur noch die halbe Zahl der Gleise sind, dann kann man sich vorstellen, dass das nicht die doppelte Kapazität haben wird und daran krankt das Projekt." Sauerborn fordert deshalb einen sofortigen Baustopp.

Immer noch ist er der Meinung, dass der alte Kopfbahnhof bleiben müsse. Dieser solle modernisiert werden und sei dann effizienter als der neue Tiefbahnhof.

Die schon fertig gestellte neue Bahnhofshalle möchten Sauerborn und seine Mitstreiter umwidmen. Hier könnte, wenn es nach ihnen ginge, ein neues Logistikzentrum oder eine Energieanlage entstehen. "Umstieg 21" nennen die Gegner des Tiefbahnhofs diese neuen Ideen.

Die Bahn sieht das Kapazitätsproblem nicht und verweist immer wieder auf eine weitere Besonderheit des Bahnprojekts "Stuttgart 21": Durch die komplette Digitalisierung des Bahnknotens könnten eben mehr Züge mit geringeren Abständen in den Bahnhof fahren. Ob das Konzept aufgeht und der Bahnhof wirklich funktioniert - das wird er erst nach der Eröffnung beweisen können.

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