Ein Reisender geht mit Koffern am Bahnsteig am Nürnberger Hauptbahnhof neben einem ICE entlang.

Nachhaltig reisen "Jeder Schritt zählt"

Stand: 14.07.2023 15:17 Uhr

Die Urlaubszeit hat begonnen. Doch fliegen belastet das Klima, und mancherorts sind die Arbeitsbedingungen im Tourismus schlecht. Wie kann man nachhaltiger reisen?

Wunsch und Wirklichkeit klaffen auseinander: Zwar findet es die Hälfte der Deutschen laut einer Studie wichtig, bei Urlaubsreisen auf ökologische und soziale Folgen zu achten.

Bei der Buchung rückt das Thema Nachhaltigkeit aber dann oft in den Hintergrund: So nutzen laut Reiseanalyse 2023 mehr als 40 Prozent bei längeren Reisen das Flugzeug.

Weniger fliegen bleibt die einzige Option

Wer nachhaltig reisen möchte, stößt hier auf das größte Problem: Eigentlich müsste man aufs Fliegen verzichten. Denn klimaneutral zu fliegen - das ist nach Einschätzung von Fachleuten weder heute noch in absehbarer Zukunft möglich. Zwar wird viel geforscht, Flugzeuge mit Wasserstoff, künstlichem Kerosin oder elektrisch anzutreiben.

Stefan Gössling, Professor für Tourismus an der Linné-Universität in Schweden, ist aber sehr skeptisch. "Im Moment ist alles hypothetisch. Wir haben bei jeder Variante große Nachteile", erklärt er im tagesschau-Zukunftspodcast "mal angenommen". Elektroantriebe werden nur auf kurzen Strecken und in kleinen Maschinen funktionieren. Für Wasserstoff-Flugzeuge wäre eine aufwendige und teure Infrastruktur nötig. Es ist offen, ob die nötigen Mengen von synthetischem Kerosin produziert werden können.

Auch mit Kompensationszahlungen lassen sich die negativen Klimaeffekte des Fliegens nicht wettmachen. Es bleibt also nur die Option, weniger zu fliegen.

Genau darauf versuchen Anna Brockmöller und Yannik Roth zu achten, die sich gerade einen Lebenstraum erfüllen: Sie sind auf Weltreise und bloggen darüber. Seit zehn Monaten sind sie unterwegs und gerade in ihrem zehnten Land angekommen - aber erst zwei Mal geflogen: zu ihrem ersten Ziel in Asien und zuletzt von Asien nach Kanada.

Das habe die Auswahl der Länder insgesamt eingeschränkt, erzählen die beiden im tagesschau-Zukunftspodcast. Sie versuchen stattdessen, nach einem Flug lange in einer Region unterwegs zu sein und dort vor allem Bahn und Bus zu fahren.

Reisen, ohne Umwelt und Klima zu schaden

Zur Nachhaltigkeit gehört noch mehr: Überlaufene Tourismus-Magnete wie Venedig oder Insta-Hotspots wie der Eibsee in Bayern kann die Autorin Michaela Harfst nicht empfehlen. Sie recherchiert seit mehr als zehn Jahren zum Thema. Eine Grundregel ist aus ihrer Sicht: Massentourismus kann nicht nachhaltig sein. Der Idealfall wäre, wenn sich die Reisenden besser verteilen würden und nicht alle zur selben Zeit an den gleichen Ort fahren. Für viele, die an die Schulferien gebunden sind, dürfte das aber kaum infrage kommen.

Grundsätzlich ist Michaela Harfst sicher, dass man in verschiedenen Preisklassen nachhaltig reisen kann: "Vom Campingplatz bis zum Luxusressort ist alles möglich." Vielleicht sei es dann aber kein Wellness-Hotel mit Infinity Pool, sondern ein Öko-Hotel mit Naturbadeteich.

Soziale und wirtschaftliche Folgen

Zentral sind auch die wirtschaftlichen und sozialen Folgen für die Menschen, die in den Reiseländern leben. Besonders für die ärmeren Länder sind die Auswirkungen groß - positiv wie negativ, betont Antje Monshausen, die bei der Organisation "Brot für die Welt" für Wirtschaft und Nachhaltigkeit zuständig ist.

Tourismus ist für jedes dritte Schwellen- und Entwicklungsland die Hauptdevisenquelle. Wichtig sei es, tatsächlich die einheimische Wirtschaft zu unterstützen, sagt Antje Monshausen. Ihr Vorschlag lautet deshalb, auch Restaurants in der zweiten Reihe zu besuchen oder sich direkt bei einem Guide vor Ort eine Tour zu buchen.

Tourismus schafft Arbeitsplätze, allerdings nicht immer mit guten Bedingungen: Wenn dieselben Personen eine Woche lang beim Check-in, beim Frühstück und beim Abendessen eingesetzt sind, könnte das gegen das Arbeitsrecht verstoßen. In dem Fall empfiehlt Monshausen, den Reiseveranstalter darauf hinzuweisen. Viele Anbieter achten bereits auf Nachhaltigkeit. Der "Tourismus-Labelguide" ordnet ein, welche der vielen Zertifikate verlässlich sind.

Nachhaltig reisen dauert länger

In jedem Fall bedeutet es, sich mehr Gedanken über seinen Urlaub zu machen: "Wer nachhaltig reisen will, braucht ein bisschen mehr Zeit - sowohl fürs Reisen selbst als auch für die Planung vorab", sagt die Autorin Michaela Harfst. Aber alles könne man nicht beachten, schließlich soll es trotzdem Spaß machen.

Das ist auch den Weltreisenden Brockmöller und Roth wichtig. Sie wissen, wie schwierig es ist, nachhaltig unterwegs zu sein. Aber: "Jeder Schritt zählt. Und wenn jeder von uns ein kleines bisschen anfangen würde, dann ist schon viel getan."