Eine Mitarbeiterin des Seniorenhaus im Vorbachtal, betreut einen Bewohner des privaten Pflegeheims.

Energiekosten Wer kann sich Pflege noch leisten?

Stand: 06.10.2022 12:28 Uhr

Strom, Wärme, Personalkosten - alles wird teurer. Auch für Pflegeheime. Die Kosten müssen Bewohnerinnen und Bewohner oder Angehörige tragen. Für manche wird es eng.

"Für viele Leute ist das ganz hart, dieser Eigenanteil," sagt Susanne Munder, deren Mutter im Pflegeheim untergebracht ist. Dabei stünden sie selbst noch gut da: "Für uns persönlich ist das zum Glück nicht schlimm. Mein Vater hat gut vorgesorgt, meine Mutter ist gut versorgt, das wird nicht existentiell."

Für ihre Mutter und die anderen rund 40 Bewohnerinnen und Bewohner im Seniorenheim Kronenhof in Großerlach in der Region Stuttgart gibt es an diesem Tag Zwetschgenkuchen. Außerdem Übungen im Gemeinschaftsraum, für die Mobilisierung von Schultern und Armen. Diejenigen hier, die gut vorsorgen konnten, können die steigenden Kosten stemmen. Doch für viele - im Zweifel auch Angehörige - dürfte es eng werden: Für Neuaufnahmen im Kronenhof sind schnell 3300 Euro im Monat fällig. Das sind jetzt 230 Euro mehr pro Person als bisher.

Das ist die eine Seite. "Auf der anderen Seite weiß ich, dass es für die Pflegeheime trotzdem nicht leicht ist zu wirtschaften," sagt Munder. "Was Pflege leistet in unserem Land, wurde immer so geringgeschätzt." Deshalb sei das mit den Kosten ein schwieriger Spagat.

Kalkulieren mit Kostenexplosion

Alexander Flint ist derjenige, der diese fast unmögliche Dehnübung vollführen muss. Er mag den Pflegeberuf, hat ihn selbst erlernt, und er leitet seit nun 20 Jahren das familiengeführte Heim. Jetzt spricht er von "förmlich explodierenden Kosten" beim Einkauf, bei Energie und beim Personal. Eine Entwicklung, die er schon seit Jahren sieht, und die sich jetzt verschärft. Mit dem Tariftreuegesetz müssen Arbeitgeber in der Pflege sich einem Tarifvertrag anschließen, oder einen Durchschnittslohn zahlen.

Flint hat sich für Letzteres entschieden. Er betont, dass er schon länger faire Löhne zahle, denn seit Jahren wende er die Arbeitsvertragsrichtlinien des bpa-Arbeitgeberverbandes für die private Sozialwirtschaft an. Das ist eine freiwillige Selbstverpflichtung mit Mindestanforderungen und länderspezifischen Lohntabellen.

Gerade erst hat der Träger für den Kronenhof den neuen Pflegesatz mit den Kassen verhandelt. Ein Feilschen um jeden Cent, sagt Flint. Diesmal steigt der Satz bei ihm um 6,5 Prozent; die Steigerung war früher auch schon zweistellig. Kosten, die er erwirtschaften muss, und die dann eben auch teilweise die Bewohnenden und ihre Angehörigen mittragen müssen. "In diesem Dilemma stecken wir nicht seit gestern, sondern seit Einführung der Pflegeversicherung," sagt Flint.

Deckelung und Zuschüsse als mögliche Lösungen

Anderswo werden Eigenanteile von 4000 Euro und mehr für einzelne Pflegeplätze befürchtet. Die Evangelische Heimstiftung, einer der größeren Träger für Pflegeeinrichtungen in Baden-Württemberg, fordert daher einen Systemwechsel. Nicht die Zuschüsse der Kassen, sondern die Eigenanteile der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen sollen demnach begrenzt werden.

Zusätzlich sollen die Länder ein monatliches Pflegewohngeld für alle zahlen, die in solchen Einrichtungen leben. Das erläutert Bernhard Schneider, Geschäftsführer der Heimstiftung: "Die Bewohner bezahlen dann nur einen fixen Anteil an den pflegebedingten Aufwendungen, den Rest bezahlt die Pflegekasse." So könnte die Politik kurzfristig Entlastung schaffen, meint Schneider.

"Was kommt nächstes Jahr?"

Eine Entlastung, die sich Heimbetreiber wie Flint sehnlichst wünschen. Denn: "Was kommt nächstes Jahr?", fragt er. Der Inhaber fürchtet höhere Vorauszahlungen für Energiekosten, gesteigerte Heizkosten. Und was übernächstes Jahr ist, das wolle er lieber noch gar nicht wissen.

Trotzdem lässt er sich nicht unterkriegen, versucht weiter, hauszuhalten, und bleibt dabei erstaunlich gut gelaunt. Flint grüßt freundlich Bewohnerinnen wie die Mutter von Munder bei ihren Lockerungsübungen im Gemeinschaftsraum, nimmt sich Zeit für einen kurzen Plausch mit einem anderen Bewohner, und kehrt dann wieder an seinen Schreibtisch zurück.

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