Ein Senior wird gestützt.

Hohe Belastung für Angehörige Ein verlorenes Jahr für die Pflege

Stand: 20.12.2022 09:14 Uhr

Die Pflege von Angehörigen ist eine hohe Belastung - auch finanziell. Die Ampelkoalition wollte eigentlich noch in diesem Jahr gegensteuern. Passiert sei aber bisher nichts, kritisieren Betroffene.

Von Jan Zimmermann, ARD-Hauptstadtstudio

Ob das eigene Kind, der Partner oder die Eltern - die Pflege eines Angehörigen zu Hause kostet Kraft. Eine Belastung, die manche sogar krank macht, erklärt Verena Bentele vom Sozialverband VdK. "Über ein Drittel der pflegenden Angehörigen in unserer Studie hat gesagt, dass sie selber psychische und physische Beeinträchtigungen haben durch die Pflege. Ich finde, das ist eine alarmierende Zahl."

Zur emotionalen und körperlichen Belastung kommen derzeit noch finanzielle Probleme. "Viele haben wirklich ernsthafte finanzielle Sorgen und Ängste", berichtet Brigitte Bührlen von der Stiftung WIR, die sich für Pflegebedürftige und die Angehörigen einsetzt.

Höheres Pflegegeld gefordert

Kranke und pflegebedürftige Menschen verbringen viel Zeit zu Hause, brauchen Wärme und Strom - die Kosten sind enorm. Dazu kommen weitere Preissteigerungen: für Hilfsmittel, Pflegeprodukte, spezielle Lebensmittel. "Wenn jede dieser Facetten ein bisschen teurer wird, dann summiert sich das. Dann können die Leute das nicht mehr bezahlen und haben große Zukunftsängste."

Schon seit Jahren fordern Betroffene und Sozialverbände eine Erhöhung des Pflegegelds. Dieses richtet sich nach dem Pflegebedarf einer Person. In der höchsten Stufe, Pflegegrad 5, zahlt die Pflegeversicherung 900 Euro pro Monat. Seit 2017 wurden die Sätze nicht erhöht, obwohl die Bundesregierung etwas anderes versprochen hatte, erinnert Bentele. "Bisher ist aber nichts passiert. Im Koalitionsvertrag stand ganz deutlich, dass 2022 die Erhöhung kommen soll. Und es ist wieder Dezember 2022, und es ist wieder nichts passiert."

"Programmierte Altersarmut"

Hinzu kommt, dass zahlreiche Angehörige wegen der Pflege zu Hause nur noch Teilzeit oder gar nicht mehr arbeiten können. "Es kann nicht gehen, dass Frauen - im Wesentlichen sind es ja Frauen - aus dem Beruf aussteigen, nichts mehr verdienen, keinerlei Rücklagen bilden können, ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten können. Die programmierte Altersarmut kann nicht die Option sein, Angehörigenpflege zu leisten", sagt Bührlen von der Stiftung pflegender Angehöriger. Sie fordert deshalb, einen Pflegelohn einzuführen.

Unterstützung dafür kommt vom VdK, der vorschlägt, die Höhe eines Pflegelohns nach der Pflegebedürftigkeit des Angehörigen zu staffeln. So etwas Ähnliches haben sich SPD, Grüne und FDP sogar in den Koalitionsvertrag geschrieben. Wörtlich steht dort: Man wolle eine "Lohnersatzleistung im Falle pflegebedingter Auszeiten" ermöglichen.

Zwei Gesetze sollen 2023 vorgelegt werden

Doch passiert ist bisher nichts. Aus dem Bundesgesundheitsministerium heißt es: Zwei Pflegefinanzierungsgesetze würden vorbereitet und nächstes Jahr vorgelegt. Im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio wollte Gesundheitsminister Karl Lauterbach kürzlich noch keine Details nennen. Sein Ziel sei aber "auf jeden Fall eine Besserstellung der Angehörigen in der Pflege. Das halten wir für notwendig, daran arbeiten wir." Und dazu gehöre auch eine Art Pflegelohn. "Das ist ein Vorschlag, den wir wohlwollend prüfen, weil uns die Stärkung der Pflege ein besonderes Anliegen ist."

An diesen Worten werden die Betroffenen und deren Vertreter wie Bührlen den Minister messen. Ihre bisherige Bilanz nach einem Jahr Ampelregierung: "Da hat sich quasi nichts getan beziehungsweise nicht viel." Für sie, viele Pflegebedürftige und die Angehörigen ein verlorenes Jahr.  

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