Ein Arzt spricht mit einem Patienten.

IGel-Zusatzleistungen 2,4 Milliarden Euro für zweifelhafte Untersuchungen

Stand: 03.12.2024 15:12 Uhr

Häufig empfehlen Ärzte eine Untersuchung, die Kassenpatienten selbst bezahlen müssen. Für sogenannte IGeL-Angebote geben die Deutschen jährlich rund 2,4 Milliarden Euro aus. Dabei gibt es oft keinen nachgewiesenen Nutzen.

Kassenpatienten geben für medizinische Zusatzleistungen deutlich mehr aus als bisher angenommen. Nach einer Umfrage im Auftrag des Medizinischen Dienstes (MD) bezahlen die Deutschen jährlich rund 2,4 Milliarden Euro für sogenannte IGeL-Angebote - dabei haben diese nach Angaben des Medizinischen Dienstes oft keinen nachgewiesenen Nutzen. Mitunter drohten sogar folgenschwere falsch-positive Ergebnisse, die den Betroffenen schaden könnten.

Von 56 Angeboten sind 30 eher negativ

Bei den individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) handelt es sich um ärztliche Untersuchungen, die nicht von den Krankenkassen übernommen werden und deshalb aus eigener Tasche zu zahlen sind. Von 56 untersuchten Zusatzleistungen sind demnach 30 "tendenziell negativ" oder "negativ". Bei 23 Leistungen ist das Ergebnis "unklar", das heißt, für ihren Nutzen gibt es meistens keine ausreichenden wissenschaftlichen Belege. Nur drei Selbstzahlerleistungen bewertet der IGel-Monitor wissenschaftlich mit "tendenziell positiv". Dazu zählen die Akupunktur zur Migränevorbeugung und die Lichttherapie bei einer saisonal depressiven Störung, der sogenannten Winterdepression.

Umstrittener Ultraschall der Gebärmutter

Im Auftrag des Medizinischen Dienstes, dem Begutachtungsdienst der gesetzlichen Krankenkassen, hatte das Marktforschungsinstitut Forsa mehr als 2.000 Patientinnen und Patienten im Alter zwischen 18 und 80 Jahren befragt, um einen Überblick über die Nutzung der Angebote zu bekommen.

Am häufigsten werden demnach Ultraschall-Untersuchungen der Eierstöcke und der Gebärmutter zur Krebsfrüherkennung genutzt. Dabei sei der mögliche Schaden größer als der Nutzen, erklärte der MD-Vorsitzende Stefan Gronemeyer. Nach seinen Worten drohen durch unklare Ergebnisse weitere Behandlungen bis hin zu einer unnötigen Entfernung der Eierstöcke. Gleichzeitig gebe es keinen Beweis, dass das Risiko einer Krebserkrankung durch diese Untersuchung verringert werde.


Glaukom-Messungen und PSA-Bluttest

Zu den gefragtesten IGeL-Angeboten gehören außerdem Augeninnendruckmessungen gegen den grünen Star (Glaukom) sowie der PSA-Bluttest zur Früherkennung von Prostatakrebs - zwei Untersuchungen, bei denen nach Einschätzung der MD-Experten das Risiko von Fehlalarmen und unnötigen Behandlungen größer sei als der medizinische Nutzen.

Gleichzeitig gab in der Befragung nur jeder vierte Versicherte an, gut über die angebotenen Leistungen informiert worden zu sein. Zwei von drei Befragten gingen zudem von der falschen Annahme aus, dass die Selbstzahlerleistungen medizinisch notwendige Leistungen seien.

Patientenschützer nennt Zahlen "alarmierend"

Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Stefan Schwartze, bezeichnete diese Zahl als "alarmierend". Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) will Ärzte dazu verpflichten, den Patienten im Beratungsgespräch neutrale, standardisierte Informationsblätter auszuhändigen. Eugen Brysch von der Stiftung Patientenschutz fordert sogar eine verpflichtende 14-tägige Bedenkzeit: "Überrumpeln und Ängste zu schüren, sind Bestandteil dieses Geschäftsmodells."

Die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands, Carola Reimann, sieht sogar einen Zusammenhang zwischen den Selbstzahlerleistungen und den immer längeren Wartezeiten auf einen Arzttermin: "Wenn ein Facharzt seine Zeit mit Schönheitsbehandlungen oder fragwürdigen Vorsorgeuntersuchungen ohne wissenschaftlich belegbaren Nutzen verbringt, fehlen eben Kapazitäten für die vertragsärztliche Versorgung."

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