Parteichef Markus Söder spricht bei einer Pressekonferenz.
Analyse

CSU nach der Bundestagswahl Söders Anteil

Stand: 27.09.2021 16:18 Uhr

Nach dem schlechten Abschneiden bei der Bundestagswahl hängt bei der CSU der Haussegen schief. Noch richtet sich der Unmut gegen Laschet - doch auch die Rolle von Parteichef Söder wird zunehmend hinterfragt.

Eine Analyse von Maximilian Heim, BR

Ziemlich genau zwei Tage vor dem schlechtesten Wahlergebnis der Union bei einer Bundestagswahl sprach Kanzlerkandidat Armin Laschet einen Satz, der in den kommenden Wochen noch eine Rolle spielen könnte. "Zieht euch warm an", rief Laschet beim Wahlkampfabschluss der Union am vergangenen Freitag auf dem Münchner Nockherberg. Und ergänzte mit Blick auf den CSU-Vorsitzenden Markus Söder: "Armin und Markus - das wird ein tolles Team."

Laschet adressierte in diesem Moment die politische Konkurrenz, spielte auf mögliche Koalitionsverhandlungen nach der Wahl an. Tatsächlich war aber schon in besagtem Moment nicht ganz klar, wen er mit seiner Verbrüderung erreichen will. Söder selbst? Die vielen CSUler im Saal? Die versammelten Journalisten? Oder doch die Schicksalsgöttin Fortuna?

Den meisten in der Union ist klar: Ein tolles Team waren die beiden Parteivorsitzenden höchstens nach außen im Endspurt. Ihr heftiges Ringen um die Kanzlerkandidatur im Frühjahr hat den Wahlkampf erschwert - aus der CSU ist zu hören, dass es an den Infoständen immer wieder um den "falschen" Kandidaten Laschet ging.

Schlechter war die CSU nur 1949

Aber auch für die CSU ist das Ergebnis in Bayern niederschmetternd: 31,7 Prozent. Zwar reicht das bundesweit über die Fünf-Prozent-Hürde, 45 CSU-Abgeordnete werden dem neuen Bundestag angehören, alle direkt gewählt. Aber das CSU-Selbstverständnis leidet angesichts des Zweitstimmen-Resultats. "Unser Ergebnis in Bayern gefällt uns nicht", sagt Söder. Die Partei werde das "natürlich aufarbeiten in den nächsten Tagen und Wochen".

Nach dem Parteivorstand erklärt er, auch die Corona-Umstände wie ausgefallene große Volksfeste hätten der CSU den Wahlkampf erschwert. "Bierzelte sind nicht alles, aber sie sind Teil der politischen Kommunikation in Bayern", sagt Söder.

Interne Aufarbeitung

Wie genau die interne Aufarbeitung aussehen soll, bleibt zunächst vage. Von Regionalkonferenzen ist die Rede und Aussprachen hinter verschlossenen Türen. Vorerst bleibt die bundespolitische Deutung: Nach dem Parteivorstand spricht Söder erstmals von einer "Niederlage" der Union, äußert sich zurückhaltender zu einem Jamaika-Bündnis aus Union, FDP und Grünen ("nicht um jeden Preis").

CSU-Spitzenkandidat Alexander Dobrindt attestiert der CDU Schwächen "bei Kurs und Kandidat" sowie keine Kontrolle über Bilder. Die Wahlniederlage wäre vermeidbar gewesen, "wenn man von Anfang an, wie hat’s Franz Josef Strauß gesagt, die Jacke richtig eingeknöpft hätte", sagt Dobrindt dem BR.

Bemerkenswert ist auch eine überlieferte Wortmeldung des Söder-Vertrauten und bayerischen Finanzministers Albert Füracker in der internen Sitzung: Die CSU hätte in Bayern weit mehr als 40 Prozent erzielt, wenn Söder als Kanzlerkandidat angetreten wäre.

Hauptschuld bei Laschet?

Die Hauptschuld am schlechten Abschneiden der Union trägt also der CDU-Vorsitzende, da ist sich die CSU einig. Was die Rolle des eigenen Parteichefs im Wahlkampf angeht, gibt es aber für manche ebenfalls Klärungsbedarf. Söders wiederholte Sticheleien gegen Laschet ("Schlafwagenwahlkampf") haben nicht allen Christsozialen gefallen. Von Querschüssen spricht ein CSU-Wahlkämpfer aus einem Kreisverband, man habe nicht genau gewusst, wie man den Leuten die Wahl Laschets schmackhaft machen sollte.

Plakatiert wurde Laschet im Freistaat übrigens nur sehr dezent. Dazu kommt: Sogar 17 Prozent der Unionsanhänger sagten kurz vor der Wahl laut Infratest dimap: CDU und CSU seien zu zerstritten, um gemeinsam Politik zu machen.

"Quatschi, Quatschi, Quatschi"

Was aber heißt diese Gemengelage für das Innenleben einer Partei, der ihr Ex-Chef Horst Seehofer einst angesichts interner Querelen "Quatschi, Quatschi, Quatschi" diagnostiziert hat? Söder muss keine Revolte befürchten, wurde erst vor kurzem als Parteichef wiedergewählt und hat als bayerischer Ministerpräsident hohe Zustimmungswerte. Aber die innerparteilichen Fragen könnten lauter werden, vor allem mit Blick auf den von Söder ausgerufenen Kurs der Erneuerung.

Jünger, grüner, weiblicher soll die CSU nach dem Willen des Parteichefs werden. Nicht alle in der Partei halten besonders den Klimaschutz-Fokus für sinnvoll, in der Landtagsfraktion sitzen diverse CSUler der alten Schule.

"CSU muss sich breiter aufstellen"

Einen ersten Vorgeschmack der wohl anstehenden Debatten liefert der frühere Parteivorsitzende Erwin Huber. Der 75-Jährige, selbst als CSU-Chef vom Hof gejagt nach 43,4 Prozent bei der Landtagswahl 2008, gibt dem "Münchner Merkur" noch am Wahlabend ein Interview. "Markus Söder ist ungefährdet, das hat der Parteitag gezeigt", sagt Huber. "Aber die CSU muss sich breiter aufstellen."

Eine One-Man-Show sei "sowieso out", die Zukunft gehöre den Teams. Ähnlich, aber zurückhaltender äußert sich der CSU-Europapolitiker Manfred Weber. Mehr vorsichtige Kritik von prominenten Parteivertretern gibt es bislang nicht, aber noch liegt auch vieles im Nebel: Regierungsbildung im Bund, Laschets Zukunft, Söders genaue Position bei alldem.

Auch die zweite Reihe sieht Luft nach oben. Man sei "erst relativ spät so richtig mit dem Wahlkampf aus dem Quark gekommen", sagt die wiedergewählte Direktkandidatin Angela Lindholz. Der ebenfalls wiedergewählte Volker Ullrich spricht von "offenen Flanken" in der Union. Diese liegen laut ihm bei den Themen Pflege und Rente.

"Wir haben auch nicht klar gemacht, welche Punkte für uns in Zukunft auf Bundesebene wichtig sind", sagt er. Ex-Parteichef Huber mahnt ebenfalls inhaltliche Verbesserungen an: Auf Söder komme die große Aufgabe zu, Modernisierer und traditionelle Stammwähler zusammenzuführen.

Landtagswahl 2023 im Fokus

Wichtiger als diese Bundestagswahl ist für die CSU und Söder die bayerische Landtagswahl 2023. Hier wird der Parteichef liefern müssen - auch wenn der einstige CSU-Anspruch, die absolute Mehrheit zu stellen, inzwischen schon länger nicht mehr vernommen wurde. Wie gut die aktuelle Staatsregierung weiterhin funktioniert, wird sich zeigen: Wegen der Art und Weise ihrer Kandidatur bei der Bundestagswahl und diversen Querschüssen von Hubert Aiwanger in Bayern übt Söder derzeit scharfe Kritik am eigenen Koalitionspartner, den Freien Wählern. Diese hätten der Union wichtige Stimmen weggenommen und das "bürgerliche Lager" gespalten.

Gefragt nach dem Wunsch aus der CSU, sich breiter aufzustellen, verweist Söder übrigens darauf, dass es in der Partei so viele Stellvertreter gebe wie noch nie. Zur Rolle der Parteivizes ist allerdings aus dem CSU-Archiv ein Sprüchlein von Seehofer überliefert, das diesen Verweis etwas belastet: "Die Hundehütte ist für den Hund - und der CSU-Stellvertreter ist für die Katz'."

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