Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider

Jahresbericht Deutsche Einheit Einige Fortschritte, viele Herausforderungen

Stand: 27.09.2023 15:49 Uhr

33 Jahre nach der deutschen Einheit gibt es weiterhin Unterschiede zwischen Ost und West. Während sie in vielen Bereichen - etwa bei den Renten - abgebaut werden konnten, gibt es bei anderen Themen große Herausforderungen.

Die Bundesregierung sieht 33 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung große Fortschritte beim Zusammenwachsen des Landes, aber auch weiteren Handlungsbedarf. "Strukturelle Differenzen zwischen Ost- und Westdeutschland konnten abgebaut werden, teilweise sind sie verschwunden", heißt es in dem Bericht zum Stand der Deutschen Einheit.

Keine Unterschiede mehr bei Renten

Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider, betonte bei der Vorstellung, dass sich die Landesteile in vielen wichtigen Punkten seit der Wiedervereinigung 1990 stark angenähert haben. Dazu zählen zum Beispiel die Renten, die jetzt das gleiche Niveau hätten. Ein anderes Beispiel sei die Lebenserwartung, die 1990 im Osten noch zwei bis drei Jahre niedriger lag als im Westen. Bei Frauen sei der Unterschied seit den 2000er-Jahren kaum noch sichtbar, heißt es in dem Bericht. Bei Männern bleibe jedoch eine Lücke. Auch sei die Lebenserwartung während der Corona-Pandemie im Osten stärker zurückgegangen als im Westen, sodass Unterschiede teils wieder gewachsen seien.

Schneider betonte auch die Erfolge der Wirtschaftsförderung, die beispielsweise dazu geführt hätten, dass Sachsen zu einem Zentrum der Halbleiter-Industrie geworden sei. Auch gebe es in der ostdeutschen Arbeiterschaft ein zunehmend stärkeres Selbstbewusstsein, was die Bereitschaft von Arbeitskämpfen steigere - und damit potentiell zu höheren Löhnen führe. Als Beispiel nannte der SPD-Politiker den Fall Teigwaren Riesa, wo die Gewerkschaft nach zweimonatigem Arbeitskampf eine Erhöhung des Stundenlohns und eine Corona-Prämie durchsetzte.

Es bleiben Unterschiede

Dennoch gibt es weiterhin Herausforderungen. So liegt laut dem Bericht das durchschnittliche verfügbare Einkommen eines Privathaushalts in Ostdeutschland noch immer elf Prozent unter dem eines West-Haushalts. Tatsache sei zudem, dass "ein höherer Anteil von Menschen in ländlichen Regionen Ostdeutschlands in einem Umfeld lebt, das von einer stagnierenden oder schrumpfenden Bevölkerung und von einer geringeren Ausstattung mit Einrichtungen und Dienstleistungen der Daseinsvorsorge geprägt ist".

Viele gesamtdeutsche Herausforderungen, auch in Verbindung mit Digitalisierung oder einer erreichbaren Gesundheitsversorgung erschienen daher "in Teilen Ostdeutschlands wie im Brennglas".

Abwanderung im Osten als Problem

Als eine zentrale Aufgabe für die kommenden Jahre nannte Schneider die Fachkräftesicherung. Diese sei die Voraussetzung für wirtschaftliche Prosperität. Tatsächlich leiden viele ostdeutsche Regionen unter Abwanderung und Überalterung: Zwischen 1991 und 2021 wanderten laut Bericht rund vier Millionen Ostdeutsche in das frühere Bundesgebiet ab, zumeist junge Erwachsene im Alter zwischen 18 bis 29 Jahren. Lediglich 2,8 Millionen Personen zogen in die umgekehrte Richtung. Hinzu komme eine geringere Zuwanderung aus dem Ausland in den Osten.

Der Anteil der über 65-Jährigen liegt laut dem Bericht in den Städten Ostdeutschlands bei 22 Prozent und in ländlichen Regionen bei 27 Prozent. Der Anteil der Erwerbsfähigen ist in den westdeutschen Städten mit 62 Prozent am höchsten. Auf dem Land sind es 61 Prozent. Im Osten liegt er in ländlichen Regionen mit 57 Prozent deutlich darunter.

Und auch der Anteil von Menschen mit Migrationsgeschichte lag 2022 in allen ostdeutschen Bundesländern (außer Berlin) im einstelligen Bereich und damit weit unter dem bundesweiten Durchschnitt von gut 24 Prozent. Verwiesen wird in dem Bericht auch auf eine laut Umfragen deutlich höhere Verbreitung migrationsfeindlicher Einstellungen im Osten sowie auf höhere Fallzahlen rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt.

Gemeinsame Herausforderungen

Schneider betonte aber, dass Unterschiede nicht nur zwischen Ost und West bestehen. Es gebe auch gemeinsame Trends und Probleme, die in beiden Regionen gleichermaßen bestünden - etwa das Stadt-Land-Gefälle in beiden Landesteilen. Die Herausforderungen und Bedürfnisse auf dem Land im Osten seien oft den ländlichen Räumen im Westen näher als den Großstädten im Osten.

"Die Einigkeit weiter zu stärken, ist die Aufgabe aller Demokratinnen und Demokraten in Deutschland in den kommenden Jahren", betonte Schneider in dem Bericht. Die Herstellung der inneren Einheit Deutschlands sei "ein kontinuierlicher Prozess der gegenseitigen Verständigung" und bleibe "deshalb eine dauerhafte Aufgabe".