Die Polizei in Leipzig wird an Silvester mit Feuerwerkskörpern beworfen
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Debatte nach Silvester Wäre ein "Böllerverbot" rechtlich umsetzbar?

Stand: 03.01.2025 17:03 Uhr

In der Silvesternacht kommt es immer wieder zu Sach- und Personenschäden durch Feuerwerk - viele Menschen genießen die "Böllerei" aber auch. Welcher rechtliche Rahmen gilt für das heiß diskutierte Feuerwerksverbot?

Von Christoph Kehlbach, ARD-Rechtsredaktion und Alena Lagmöller, ARD-Rechtsredaktion

Schon vor dem Jahreswechsel gab es immer wieder Forderungen nach einem "Böllerverbot". Zuletzt hatte sich ein Bündnis mehrerer Organisationen dafür stark gemacht, darunter etwa die Deutsche Umwelthilfe, die Gewerkschaft der Polizei und die Bundesärztekammer.

Die Vorkommnisse an Silvester haben diese Debatte befeuert: Mindestens fünf Menschen kamen durch Unfälle mit Feuerwerk zu Tode, zahlreiche Wohnungen und Autos fingen Feuer und zudem wurden Rettungskräfte und Polizisten bei Ihren Einsätzen immer wieder mit Raketen und Knallkörpern angegriffen. Das Böllern führt jedes Jahr zu erheblichen Personen- und Sachschäden. Doch reicht das für ein Verbot? Erste Voraussetzung dafür wäre in jedem Fall, dass es überhaupt politisch gewollt wäre. Das vorausgesetzt, schließen sich rechtliche Fragen an.

Was genau bedeutet eigentlich "Böllerverbot"?

Feuerwerk wird nach seiner Gefährlichkeit in verschiedene Kategorien unterteilt: In die Kategorie F1 fällt Feuerwerk, von dem nur eine sehr geringe Gefahr ausgeht, das nicht laut ist und sogar in Wohnungen benutzt werden kann - zum Beispiel Wunderkerzen oder Tischfeuerwerk. Dieses F1-Feuerwerk können alle das ganze Jahr über kaufen. Benutzen dürfen es auch Jugendliche und Kinder ab 12 Jahren.

Zur Kategorie F2 gehört das typische Silvesterfeuerwerk, das im Freien verwendet wird: kleinere Raketen, Böller und Batteriefeuerwerk. Wenn aktuell von "Böllerverbot" die Rede ist, bezieht sich das auf dieses F2-Feuerwerk. Nicht zugelassene Feuerwerkskörper dürfen gar nicht gezündet werden, das ist schon jetzt verboten.

Verkauft werden darf F2-Feuerwerk auch nur an Erwachsene und auch immer nur in der Zeit vom 29. bis zum 31. Dezember. Es sei denn, der 29.12. ist ein Sonntag wie 2024. Gezündet werden dürfen diese F2-Feuerwerkskörper grundsätzlich nur am 31. Dezember und am 1. Januar - und das auch nur an bestimmten Orten. Verboten ist es etwa in der unmittelbaren Nähe von Kirchen, Krankenhäusern oder Kinder- und Altersheimen.

Das heißt: Für die meiste Zeit eines jeden Jahres gibt es also schon jetzt ein "Böllerverbot". Ein vollständiges Verbot würde nur die für einige Tage und für bestimmte Orte geltenden Ausnahmen beseitigen. Für ein Böllerverbot könnte man an zwei Stellschrauben drehen: dem Verkauf oder dem Abbrennen von F2-Feuerwerk. Am effektivsten - aber auch am einschneidendsten - wäre es wohl, beides zu verbieten.

Wie ließe sich ein Verbot rechtlich umsetzen?

Die Politik müsste die zugrundeliegenden rechtlichen Regelungen ändern. Konkret finden sich die entscheidenden Vorschriften zum Verkauf und Abbrennen von Feuerwerk in der Ersten Verordnung zum Sprengstoffgesetz. Weil nicht das Gesetz selbst, sondern nur eine sogenannte Verordnung geändert werden müsste, könnte das Bundesinnenministerium von - aktuell - Nancy Faeser (SPD) sogar eigenständig angehen. Allerdings: Zuletzt hieß es von einer Sprecherin des Ministeriums, ein solches allgemeines Böllerverbot sei "nicht verhältnismäßig".

Natürlich könnte der Gesetzgeber auch das ganze Sprengstoffrecht reformieren und per Gesetz für ein Böllerverbot sorgen. Nötig wäre dann aber eine Mehrheit im Bundestag. Und wie gesagt: Ausreichend wäre es wohl, die Verordnung zu ändern. Vereinzelt wird allerdings auch die Ansicht vertreten, ein allgemeines Böllerverbot sei so einschneidend, dass es in jedem Fall nur der parlamentarische Gesetzgeber, sprich der Bundestag auf den Weg bringen könne und nicht das Ministerium allein.

Während der Corona-Jahre gab es schon einmal ein Verkaufsverbot für Feuerwerk: Um die in dieser Zeit nahe am Kollaps stehenden Krankenhäuser zu entlasten, hatte der damalige Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) zum Jahreswechsel 2020/2021 den Verkauf von Feuerwerk untersagt. Und auch im Folgejahr 2021/2022 gab es ein Verkaufsverbot, dann unter der damals neuen Bundesinnenministerin Faeser. Beides geschah seinerzeit im Verordnungswege.

Könnten die Bürger ein "Böllerverbot" gerichtlich überprüfen lassen?

Ja, denn Deutschland ist ein Rechtsstaat. Das bedeutet: Auch der Staat kann nicht tun, was er will. Jedes staatliche Handeln muss Recht und Gesetz genügen. Bürger könnten darum ein Böllerverbot gerichtlich überprüfen lassen. Dafür wäre zunächst der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Wenn die Kläger dort in allen Instanzen verlieren würden, könnte der Weg nach Karlsruhe zum Bundesverfassungsgericht eröffnet sein. Es käme inhaltlich darauf an, ob ein Böllerverbot und dessen Durchsetzung unzulässig in Grundrechte eingreift.

Welche Grundrechte wären betroffen?

Böllern steht unter dem Schutz des Grundgesetzes, genauer gesagt fällt es unter die Allgemeine Handlungsfreiheit nach Artikel 2. Die Verfassung erlaubt nämlich grundsätzlich jedes erdenkliche Handeln, sofern es nicht ausdrücklich verboten ist. Auch solches Handeln, das wenig vernünftig erscheint, ist erstmal erlaubt. Und für ein Verbot braucht man gute Gründe.

Für die Verkäufer und Hersteller von Feuerwerk wäre ein Böllerverbot zudem ein Eingriff in ihre grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit nach Artikel 12. Ihnen würde mit dem Silvestergeschäft eine wichtige Einnahmequelle wegbrechen.

Grundsätzlich sind Eingriffe in Grundrechte aber möglich. Die Voraussetzung ist, dass solche Eingriffe einen legitimen Zweck verfolgen, dass sie geeignet sind, diesen Zweck zu erreichen, dass es kein milderes Mittel gibt und dass der Eingriff im engeren Sinne verhältnismäßig ist. Um diese Knackpunkte geht es, wenn man prüft, ob ein Böllerverbot zu weit ginge.

Inwiefern wäre dieser Eingriff gerechtfertigt?

Wie die Gerichte über eine solche Klage konkret entscheiden würden, lässt sich schwer vorhersagen. Es müsste eine Abwägung vorgenommen werden: Überwiegt das Interesse der Böllerfans, wenigstens einmal im Jahr an Silvester Raketen steigen lassen zu dürfen? Schließlich handelt es sich dabei um eine lange Tradition und der Umgang der Verbraucher mit Feuerwerk ist ohnehin schon sehr restriktiv gestaltet.

Auf der anderen Seite stehen Erwägungen des Gesundheits-, des Tier- und des Umweltschutzes. Auch diese Belange sind im Grundgesetz in Artikel 20a ausdrücklich genannt. Von querschlagenden Raketen werden jedes Jahr auch Unbeteiligte verletzt. Das Silvesterfeuerwerk allein macht immerhin ein Prozent der jährlichen Feinstaubbelastung aus. Am 1. Januar übersteigt die Feinstaubbelastung in der Luft oft die von der WHO aufgestellten Grenzwerte. Und schließlich leiden Wild- und Haustiere unter der Knallerei.

Zu bedenken wäre sicher auch, dass bereits Vorschriften existieren, die den bestimmungswidrigen Gebrauch von Böllern verbieten. Wer beispielsweise bewusst Raketen auf Einsatzkräfte schießt und diese verletzt, begeht eine gefährliche Körperverletzung und einen tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte. Sachbeschädigung oder Brandstiftung durch Feuerwerk ist ebenfalls bereits strafbar.

Ein allgemeines Böllerverbot würde aber auch diejenigen treffen, die sich korrekt verhalten. Argumente gäbe es also für beide Seiten.

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