Verfahren gegen ZDF-Satiriker Staatsanwaltschaft will Böhmermann anhören

Stand: 26.04.2016 12:09 Uhr

In das Verfahren gegen den ZDF-Satiriker Böhmermann kommt Bewegung: Die Staatsanwaltschaft kündigte eine Anhörung Böhmermanns an, in der er sich zu seinem Erdogan-Schmähgedicht äußern soll. Ihr liegt mittlerweile auch das Strafverlangen der türkischen Regierung vor.

Die Mainzer Staatsanwaltschaft plant angesichts der Ermittlungen wegen des Verdachts auf Beleidigung des türkischen Präsidenten eine Anhörung des ZDF-Satirikers Jan Böhmermann. Dem Beschuldigten sei rechtliches Gehör zu gewähren, teilte die Leitende Oberstaatsanwältin Andrea Keller mit.

Nach der Anhörung werde voraussichtlich eine Entscheidung getroffen, ob hinreichender Tatverdacht bestehe. Die Ermächtigung der Bundesregierung und das Strafverlangen der türkischen Regierung nach Strafverfolgung von Böhmermann gingen am Vormittag bei der Staatsanwaltschaft ein.

Erdogans Stellungsnahme fehlt

Der Moderator hatte vor knapp vier Wochen mit einem Schmähgedicht in seiner Sendung "Neo Magazin Royale" über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan eine politische Debatte ausgelöst. Damit wollte er nach eigenen Angaben den Unterschied zwischen erlaubter Satire und verbotener Schmähkritik darstellen. Erdogan hatte auch selbst Strafanzeige gestellt. Diese Stellungnahme ist laut Staatsanwaltschaft noch nicht in Mainz eingetroffen.

Die Bundesregierung hatte dem Wunsch der Türkei nach Strafverfolgung gegen Böhmermann stattgegeben. Bundeskanzlerin Angela Merkel kündigte aber zugleich an, den Paragrafen 103 zur Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes abschaffen zu wollen.

Merkel bezeichnete es inzwischen als Fehler, Böhmermanns Äußerungen "bewusst verletzend" genannt zu haben. Die Entscheidung, die Ermittlungen wegen Beleidigung eines Staatsoberhauptes zuzulassen, verteidigte sie allerdings. In einer ARD-Umfrage hatte sich die Mehrheit der Befragten gegen eine Bestrafung Böhmermanns ausgesprochen.

Böhmermann zu Spotify?

Böhmermann hatte nach dem Skandal eine TV-Pause angekündigt, am 12. Mai soll aber wieder eine Folge "Neo Magazin Royale" ausgestrahlt werden. Allerdings kündigte er das Ende seiner Radioshow "sanft & sorgfältig" auf Radioeins mit dem Musiker Olli Schulz an. Böhmermann und Schulz verhandeln derzeit mit Spotify über ein neues Podcast-Format. Das bestätigte der Musikdienst.

Es wäre ein delikater Wechsel: Denn in ihrer Sendung hatten die beiden Moderatoren Spotify im Mai 2013 wegen geringer Künstler-Honorare kritisiert und den Nutzern eine "Aldi-Mentalität" vorgeworfen.

Aus dem Strafgesetzbuch (StGB)
§ 103 Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten
(1) Wer ein ausländisches Staatsoberhaupt oder wer mit Beziehung auf ihre Stellung ein Mitglied einer ausländischen Regierung, das sich in amtlicher Eigenschaft im Inland aufhält, oder einen im Bundesgebiet beglaubigten Leiter einer ausländischen diplomatischen Vertretung beleidigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe, im Falle der verleumderischen Beleidigung mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Ist die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) begangen, so ist § 200 anzuwenden. Den Antrag auf Bekanntgabe der Verurteilung kann auch der Staatsanwalt stellen.
[...]

§ 104a Voraussetzungen der Strafverfolgung
Straftaten nach diesem Abschnitt werden nur verfolgt, wenn die Bundesrepublik Deutschland zu dem anderen Staat diplomatische Beziehungen unterhält, die Gegenseitigkeit verbürgt ist und auch zur Zeit der Tat verbürgt war, ein Strafverlangen der ausländischen Regierung vorliegt und die Bundesregierung die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt.

Anmerkung zu § 103 von ARD-Rechtsexperte Frank Bräutigam: "Beim Lesen von § 103 StGB könnte man über die Formulierung 'im Inland aufhält' stolpern und denken: Erdogan war doch gar nicht in Deutschland, die Vorschrift passt gar nicht. Sie passt aber doch. In den juristischen Kommentaren zum Strafgesetzbuch ist ausdrücklich klargestellt: Der Aufenthalt im Inland bezieht sich nur auf die zweite Alternative 'Mitglied einer ausländischen Regierung', nicht auf das zuerst genannte 'ausländische Staatsoberhaupt'."

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