Polizeikräfte stehen am Rand einer Demonstration gegen den AfD-Parteitag in Essen

AfD-Parteitag in Essen Protest und Personalien bestimmen den ersten Tag

Stand: 29.06.2024 22:49 Uhr

Am ersten Tag ihres Bundesparteitags hat sich die AfD vor allem mit Personalien beschäftigt. Die beiden Vorsitzenden wurden in ihren Ämtern bestätigt. Neben buntem Protest gegen die AfD gab es auch Gewalt: Zwei Polizisten mussten ins Krankenhaus.

Begleitet von Protesten hat die AfD ihren zweitägigen Bundesparteitag in Essen begonnen. Am ersten Tag bestätigten die Delegierten ihre beiden Vorsitzenden mit klaren Mehrheiten für zwei weitere Jahre im Amt: Tino Chrupalla erhielt 82,7 Prozent, Alice Weidel 79,8 Prozent. Bei diesen von der AfD veröffentlichten Werten sind die Enthaltungen nicht berücksichtigt. Beide traten ohne Gegenkandidaten an. Überraschende Kampfkandidaturen, wie sie in den Anfangsjahren der AfD üblich waren, gab es diesmal nicht.

Chrupalla sprach von einem "überwältigenden Ergebnis" - bei seiner Wahl vor zwei Jahren hatte er nur rund 53 Prozent erhalten. Weidel kam bei ihrer Wahl vor zwei Jahren auf eine Zustimmung von 67,3 Prozent. Chrupalla und Weidel werteten die Ergebnisse als Beleg für eine innerparteiliche Konsolidierung. Weidel sagte, die AfD habe sich "professionalisiert".

"Wir wollen regieren"

Chrupalla formulierte für seine Partei einen Anspruch auf Regierungsverantwortung. Bei den bevorstehenden Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg solle für die AfD "die Sonne der Regierungsverantwortung aufgehen", sagte er. "Wir wollen regieren - erst im Osten, dann im Westen, dann im Bund."

Weidel bezeichnete es als eine der zentralen Aufgaben ihrer neuen Amtszeit, "diese unsäglichen Brandmauern abzureißen", mit denen sich andere Parteien von der AfD abgrenzten - räumte aber auch ein, dass eine Regierungsbeteiligung im Bund nach der Wahl 2025 "ziemlich unwahrscheinlich" sei.

"Ukraine gehört nicht zu Europa"

In Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt werden die AfD-Landesverbände von den jeweiligen Landesämtern für Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem geführt, das Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet die Bundes-AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall - eine Einschätzung, die das Oberverwaltungsgericht in Münster im Mai bestätigt hat. Unter dem Applaus ihrer Parteifreunde schimpfte Weidel: "Der Verfassungsschutz ist selbst zum Verfassungsfeind geworden, und er gehört in dieser Form abgeschafft."

Der Ampel-Koalition warf Weidel mit Blick auf den Krieg in der Ukraine eine Eskalationsrhetorik vor. "Diese Herren Ampel-Minister sollten endlich Verantwortung übernehmen und selbst an die Front gehen, aber Hände weg von unseren Söhnen und Vätern", sagte sie. Lauten Beifall erntete Weidel, als sie sagte, zu den Interessen Deutschlands und Europas gehöre, "dass die Ukraine nicht zur Europäischen Union gehört und zu Europa".

JA-Chef zum Beisitzer gewählt

Im Verlauf des Parteitages wurde über weitere Personalien abgestimmt. So wurden Stephan Brandner und Peter Boehringer im Amt der Vizeparteichefs bestätigt. Neu hinzu kam Kay Gottschalk, der sich in einer Kampfkandidatur mit 62 Prozent durchsetzte. Er ersetzt die Bundestagsabgeordnete Mariana Harder-Kühnel, die nicht wieder antrat.

Einen Beisitzerposten konnte sich der Bundesvorsitzende der Jungen Alternative (JA), Hannes Gnauck, sichern. Im aktuellen Verfassungsschutzbericht heißt es zur Nachwuchsorganisation der AfD: "Die Ideologie der JA ist durch einen ethnisch-kulturell geprägten Volksbegriff bestimmt, der im Widerspruch zum Volksverständnis des Grundgesetzes steht."

Zehntausende protestieren vor der Grugahalle

Parallel zum Parteitag gingen nach Polizeiangaben mehrere Zehntausend Menschen gegen die Versammlung auf die Straße. Am Mittag zogen nach Angaben der Veranstalter 50.000 Menschen zu der Kundgebung vor der Grugahalle.

Am Nachmittag gab es außerdem eine Kundgebung auf einem Messeparkplatz und einen Markt der Möglichkeiten, auf dem mehr als 60 Organisationen über Möglichkeiten zum Engagement für Demokratie informierten. Rund 25.000 Menschen versammelten sich nach Angaben der Organisatoren dort.

Mehrere Polizeibeamte verletzt

Laut Polizei gab es seit Freitagabend insgesamt 32 Gegendemonstrationen. Die Menschen hätten größtenteils friedlich für ihr Anliegen demonstriert. Immer wieder hätten aber größere Personengruppen mit zum Teil mehreren Hundert Personen durch gewaltsame Störaktionen versucht, die Delegierten an der Teilnahme zu hindern oder Sperrstellen zu durchbrechen.

Teilweise gewalttätig war dagegen eine Blockadeaktion am Morgen verlaufen. Mit Straßenblockaden versuchten Aktivisten, die Delegierten an der Anreise zu hindern. Immer wieder kam es zu Rangeleien mit der Polizei, diese setzte teilweise Schlagstöcke und Pfefferspray ein. Einige Delegierte wurden unter massivem Polizeischutz zu Fuß durch die aufgebrachte Menge in die Grugahalle geleitet.

Der Polizei zufolge wurden insgesamt 28 Einsatzkräfte verletzt. In einem Fall hätten Polizisten einen Delegierten zur Grugahalle geleitet. Dabei seien sie von etwa 200 Personen attackiert worden. Ein Polizist erlitt dabei schwere Verletzungen. Ursprünglich war die Rede von zwei Schwerverletzten gewesen - die Verletzungen einer Beamtin stellten sich im Krankenhaus aber als nicht so schwer heraus wie ursprünglich angenommen. Die Täter entkamen demnach in der Menschenmenge. Die Polizei werte nun Videoaufnahmen von dem Vorfall aus und bitte um Zeugenhinweise. Auch Demonstranten erlitten Verletzungen, etwa durch Pfefferspray. Die Anzahl der verletzten Protestierer wurde zunächst nicht bekannt.

Kritik an Gewalt

"Gegen Rechtsextremismus und Rassismus brauchen wir starke demokratische Kräfte und friedlichen Protest", schrieb Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) auf X. Gewalt sei aber "durch nichts zu rechtfertigen". Faeser dankte der Polizei, "die gegen linke Chaoten durchgreift". NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst schrieb ebenfalls auf X: "Jeder kann so hart in der Sache diskutieren, wie er möchte - aber Gewalt darf nie das Mittel der Wahl sein." Der CDU-Politiker nannte friedliche Proteste am Rande des Parteitags ein "starkes Zeichen für unsere Demokratie".

AfD-Chef Chrupalla sagte am Rande des Parteitags, die Eskalation sei auch ein Zeichen der Spaltung in der Gesellschaft. Diese sei "der falsche Weg". Es sei "erschütternd, was da vor unseren Türen passiert ist". Chrupalla wünschte den Verletzten "rasche Genesung und dass nichts Schlimmeres passiert".

Fortsetzung am Sonntag

Am frühen Abend beendete die AfD ihren Bundesparteitag früher als geplant und vertagte sich auf Sonntag. Kurz nach 19 Uhr beantragte ein Delegierter die Unterbrechung bis Sonntag 10 Uhr. Man habe viel an diesem Tag geschafft, "und wir können gleich alle Fußball gucken", begründete er seinen Antrag unter dem Beifall vieler Delegierter.

Am zweiten Tag soll unter anderem ein Antrag beraten werden, der die Schaffung eines Amtes des Generalsekretärs vorsieht. Zudem sind weitere Reden von Chrupalla und Weidel geplant. Auch am Sonntag soll es Protestaktionen gegen den Parteitag geben. So ist am Vormittag eine Mahnwache nahe der Grugahalle geplant - eine ähnlich große Kundgebung wie am Samstagmittag ist allerdings nicht zu erwarten. Die Stadt Essen hatte monatelang nach Möglichkeiten gesucht, den AfD-Parteitag noch zu verhindern - war damit aber letztlich vor Gericht gescheitert.

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