Eine ältere Frau legt einen Blumenstrauß an dem bereits mit Blumen und Kerzen gesäumten Gedenkort für die Opfer des Anschlags auf einen Weihnachtsmarkt in Magdeburg ab.

Nach Anschlag in Magdeburg Verletzte Opfer in Uniklinik außer Lebensgefahr

Stand: 26.12.2024 12:15 Uhr

Nach dem Attentat in Magdeburg waren mehr als 70 Verletzte in die Uniklinik der Stadt eingeliefert worden. Keines dieser Opfer schwebt mehr in Lebensgefahr. Neben dem Motiv des Täters rücken auch Fragen zum Sicherheitskonzept in den Fokus.

Fast eine Woche nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg kommen aus der Universitätsklinik der Stadt gute Nachrichten: Von den Opfern, die bei dem Attentat verletzt und seitdem in dem Krankenhaus behandelt wurden, befindet sich keines mehr in Lebensgefahr.

Nach dem Anschlag am vergangenen Freitag waren 72 teils schwer Verletzte in die Uniklinik eingeliefert worden, sagte der zuständigen Direktor für Intensivmedizin, Robert Werdehausen, der Süddeutschen Zeitung. Die allermeisten der Patientinnen und Patienten hätten bereits nach Hause entlassen werden können. "Und von den 15 Schwerstverletzten, die instabil unser Haus erreicht haben, konnten wir alle stabilisieren, darunter einige Kinder", so der Notfallmediziner.

Durch das Attentat waren fünf Menschen ums Leben gekommen und mehr als 230 verletzt worden. Der in Untersuchungshaft sitzende Täter war am Freitagabend mit einem Auto über den Weihnachtsmarkt in der Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt gerast.

Knochenbrüche und hoher Blutverlust

Die Opfer, die in der Uniklinik behandelt wurden, hatten vor allem mehrfache Knochenbrüche der Arme und Beine, aber auch des Beckens erlitten, verbunden mit hohem Blutverlust, sagte Werdehausen weiter. Die Betroffenen "hatten keine großen Wunden, aber große Blutungen nach innen, die dann zu Schockzuständen führten". Aus medizinischer Sicht erfreulich sei gewesen, dass es wenig Kopfverletzungen gegeben habe. Dass manche Patienten nicht gerettet werden konnten, habe nicht an der großen Zahl der Notfälle gelegen, sondern an den zu schweren Verletzungen.

Zwei Opfer, die zur Behandlung der Uniklinik zugewiesen worden waren, konnten nicht mehr gerettet werden: eine Frau und ein neun Jahre alter Junge. Der Neunjährige musste laut Werdehausen schon am Weihnachtsmarkt reanimiert werden, "die Fortführung dieser Maßnahmen war dann nach Eintreffen bei uns leider nicht mehr sinnvoll". Die Frau habe so schwere Verletzungen erlitten, "dass schon keine sinnvollen Behandlungsoptionen mehr bestanden, als sie zu uns kam".

Werdehausen sagte der Zeitung weiter, er sei froh, dass solche Notfälle im Vorfeld trainiert wurden. Krisenstäbe seien nach einem festgelegtem Plan gebildet und zusätzliches Personal über ein digitales Alarmierungssystem zum Einsatz gerufen worden. Werdehausen zeigte sich dankbar für die große Unterstützung: 520 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus allen Berufsgruppen hatten helfen wollen. "Wir konnten gar nicht alle Freiwilligen zum Einsatz bringen", sagte der Arzt.

Täter war bereits ins Visier der Behörden geraten

Das Motiv des Täters - ein Arzt, der aus Saudi-Arabien stammt und 2006 nach Deutschland kam - ist nach wie vor nicht geklärt. Zuletzt hatte er sich in sozialen Medien zunehmend wirrer und radikaler zu Wort gemeldet. In einem Interview zeigte sich der 50-Jährige jüngst als Fan von X-Chef Elon Musk und der AfD, die die gleichen Ziele wie er verfolge - bezeichnete sich aber als politisch links. Es wird geprüft, ob bei dem Attentäter eine psychische Erkrankung vorliegt.

Da er sich in der Vergangenheit mehrfach in sozialen Netzwerken radikal geäußert hatte, war Taleb A. auch in das Visier der Behörden geraten. So hatte die Polizei im September 2023 und Oktober 2024 sogenannte Gefährderansprachen durchgeführt.

Am kommenden Montag will sich der Innenausschuss des Bundestages mit dem Anschlag befassen. Wie die Nachrichtenagentur dpa berichtete, wollen Bundeskriminalamt und Bundesinnenministerium bis dahin eine Fallchronologie zum Täter des Anschlags auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt vorlegen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser und der Chef des Bundeskriminalamts, Holger Münch, haben den Parlamentariern demnach eine Übersicht zu dem Fall zugesagt. Es soll darum gehen, welche Behörden zu welchem Zeitpunkt welche Hinweise zu Taleb A. hatten und wie diesen nachgegangen wurde.

Wie bezeichnen wir Taleb A.?
In der Regel spricht die tagesschau bei Gewalttaten und Verbrechen bis zu einem Urteil von "mutmaßlichem Täter/mutmaßlicher Täterin" - je nach Formulierung auch von "Tatverdächtigen/Tatverdächtiger". Denn: Jede Person, die einer Straftat angeklagt ist, gilt bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig. 
Eine Ausnahme machen wir dann, wenn die Täterschaft gut belegt ist. So ist es auch im Fall des Anschlags von Magdeburg. Hier ereignete sich die Tat in der Öffentlichkeit. Taleb A. wurde festgenommen, nachdem er aus dem Tatfahrzeug ausgestiegen war. Deshalb sprechen wir künftig von Taleb A. als Täter und Todesfahrer und verzichten auf den Zusatz "mutmaßlich".

Auch der Pressekodex sieht dieses Vorgehen vor. In Richtlinie 13.1 heißt es dazu: "Die Presse darf eine Person als Täter bezeichnen, wenn (...) er die Tat unter den Augen der Öffentlichkeit begangen hat. In der Sprache der Berichterstattung ist die Presse nicht an juristische Begrifflichkeiten gebunden, die für den Leser unerheblich sind."

Offene Fragen zu Sicherheitskonzept

Neben den Ermittlungen zum Täter steht auch die Frage im Fokus, ob es Versäumnisse beim Sicherheitskonzept für den Weihnachtsmarkt gegeben hat. Gegen die Stadt Magdeburg und die örtliche Polizei wurden Strafanzeigen wegen möglichen Fehlverhaltens gestellt, wie das Innenministerium von Sachsen-Anhalt mitteilte. "Damit könnten das Sicherheitskonzept des Veranstalters des Weihnachtsmarkts und die polizeiliche Einsatzkonzeption sowie deren jeweilige Umsetzung auch Gegenstand von strafrechtlichen Ermittlungen werden", hieß es. In diesem Fall würde gegebenenfalls die Polizeiinspektion Halle (Saale) die polizeilichen Ermittlungen übernehmen.

Das Ministerium bestätigte ebenfalls vorangegangene Medienberichte, denen zufolge sich ein Fahrzeug der Polizei, das zur Absicherung des Weihnachtsmarktes eingesetzt war, zum Zeitpunkt des Anschlags nicht am vorgesehenen Standort befand. Warum dies der Fall war, solle nun ebenfalls aufgearbeitet werden.