Spahn, Laschet und Merz
Analyse

Führungsdebatte in der CDU In der strategischen Falle

Stand: 17.02.2020 17:53 Uhr

Weiter mit Team und erst mal ohne Kanzlerkandidat - oder doch nicht? Weiter mit Merkel - oder doch nicht? Die CDU steckt in der Klemme. Bei so vielen gleichzeitigen Wünschen und Kandidaten kann nicht nur Politstrategen schwindelig werden.

Eine Analyse von Corinna Emundts, ARD-aktuell

Eine Woche nach der Rückzugsankündigung der CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer ist mehr als deutlich, in welcher dramatischen, strategischen Sackgasse ihre Partei steckt. Von ihrer Forderung, Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur gehörten in eine Hand, ist derzeit fast schon keine Rede mehr. Auch ihr am vergangenen Montag verkündeter Zeitplan, sich bis "spätestens Ende des Jahres" Zeit lassen zu können, die offenen Ämterfragen zu regeln, während Kanzlerin Angela Merkel bis Ende der Legislaturperiode regieren kann, scheint schon gescheitert - oder zumindest zerredet.

War der Übergang wirklich gut durchdacht?

Die CDU sucht nach dem Unmöglichen, der Quadratur des Kreises: Einerseits gibt es die Stimmen, Merkel solle auch aufgrund ihrer Beliebtheitswerte bei der Wählerschaft und der anstehenden EU-Ratspräsidentschaft im Amt bleiben. Andererseits will die CDU mehr Autorität und Durchsetzungskraft an der eigenen Spitze haben - trotz einer CDU-Kanzlerin, die sich immer dann einschaltet, wenn es brenzlig wird. Und das, obwohl Merkel selbst immer fand, dass Parteivorsitz und Kanzlerschaft in eine Hand gehören. Seit ihrem Rückzug als CDU-Chefin muss die Partei mit diesem Widerspruch leben. Das wird vermutlich alles nicht einfacher, wenn bis Sommer der Parteivorsitz feststeht und Monate später erst die Kanzlerkandidatur.

Mehr Autorität an der Spitze wird gesucht - am besten vereint durch Nominierung einer einzigen Person für Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur, die dann auch noch alle Flügel optimal integriert.

Mitspracherecht der CSU - gibt's ja auch noch!

Was ist heute davon übrig? Die Idee einer Teamlösung. Und eine verständlicherweise auf ihr Recht pochende CSU, bei der Besetzung der Kanzlerkandidatur mitreden zu wollen - also lieber mindestens bis Herbst abzuwarten, und dafür eine schnelle, neue Spitze an der Schwesterpartei zu bekommen.

Zusammengefasst, Debatten-Stand heute, könnte das also bedeuten: Eine Doppelspitze aus Armin Laschet und Friedrich Merz führt bald in möglichst trauter Einigkeit die Partei - dazu gehört die durchaus diffizile Finalisierung des neuen Grundsatzprogramms, das Ende des Jahres eine CDU für das ganze neue Jahrzehnt programmatisch aufgestellt haben soll. Sekundiert von "Teammitglied" und möglichem neuen Fraktionschef Jens Spahn, so die Mutmaßungen in CDU-Kreisen.

Jens Spahn, Annegret Kramp-Karrenbauer und Friedrich Merz (von li. nach re.) auf dem Parteitag in Hamburg

Beraten diese Woche, wie sie sich aufteilen: Kramp-Karrenbauer, Merz und Spahn, hier auf dem Parteitag in Hamburg.

Oder Merz und Laschet teilen sich Vorsitz und Kanzlerkandidatur auf, jedenfalls würden beide nicht auf einen Teil des Bratens verzichten wollen. Im CDU-Beiboot wäre dann immer noch Kanzlerin Merkel in ihrer politischen Endphase, die sich gelegentlich sicher weiter einschaltet. Die Konstellation klingt recht absurd.

Anders werden und zugleich Erbe Merkels nicht verspielen

Hinzu kommt folgender Punkt in der parteiinternen Stellenausschreibung: Die neue Spitze, ob eine oder mehrere Personen - müsste sich ausreichend inhaltlich von Merkel absetzen, ohne die beliebte Kanzlerin zu beschädigen und doch gleichzeitig eine neue Parteihandschrift prägen.

Noch konkreter: Dies müsste laut Demoskopen gelingen, ohne die Modernisierung und Parteiöffnung Merkels Richtung grüne Wählerschaft zurückzudrehen. Denn allein das Zurückgewinnen der von Merkel enttäuschten Wähler würde zum prozentualen Nullsummenspiel werden. Bei so vielen gleichzeitigen Wünschen und Kandidaten kann nicht nur Politstrategen schwindelig werden.

"Team" klingt ja erst mal gut, aber...

Eine Team-Spitze mag zeitgemäß klingen. Sie wirft aber in dieser verfahrenen Situation mehr Fragen auf, als dass sie Entspannung verheißt. Etwa: Lässt sich ein Friedrich Merz, der sich erkennbar schon länger für höhere Weihen geeignet sieht, überhaupt in ein Team integrieren?

Und: Braucht eine angeschlagene Volkspartei, die Inhalte und Strategien neu für sich klären muss, nicht eher eine kluge Führung - hinter der dann ein loyales Team steht? Eine, die es schafft, fruchtlose Debatten wie jene, mit der AfD zu kooperieren, auch mal zu beenden - besser, als Kramp-Karrenbauer dies vermochte?

So absehbar es zwischenzeitlich schon war, dass Kramp-Karrenbauer nicht die nächste Kanzlerkandidatin für CDU und CSU werden wird, so wenig strategisch durchdacht wirkt angesichts des aktuellen Strategie-Tohuwabohus ihr gewählter Zeitpunkt, dies zu verkünden. Womöglich steckte sie aber auch selbst schon länger in einem nicht minder komplizierten strategischen Dilemma. Ihr Motiv, der Partei dienen zu wollen, hätte eher bedeutet, bis zum Herbst auszuharren, ohne vorzeitig die Ämteraufgabe anzukündigen.

Kramp-Karrenbauer überzeugte die eigenen Wähler kaum mehr

Obwohl gut gestartet, befanden sich ihre parteiinternen Umfragewerte laut Infratest dimap aber im stetigen Sinkflug bei unter 30 Prozent Zustimmung der Unionswähler. Eine Abwärtskurve, wie sie Demoskopen selten sehen. Parallel zum Umfrage-Sinkflug tönten Kramp-Karrenbauers parteiinterne Gegner immer lauter - eine Zermürbungstaktik, könnte man meinen, die nun fruchtete.

Die Misere, in der die CDU steckt, ist trotzdem nicht allein der amtierenden Parteivorsitzenden zuzuschreiben. Das Modell einer breit aufgestellten Volkspartei steckt ohnehin in der Krise, weil sich Wähler nicht mehr so stark an Parteien binden und das Wahlverhalten immer kurzfristiger wird. Merkel wiederum schuf mit ihrem Teilrückzug für AKK weniger Schalt- und Entwicklungsraum, als sie selbst lange hatte und nutzte.

Querschüsse von der Seitenlinie

Gleichzeitig hörte der beim Parteivorsitz 2018 knapp unterlegene Merz nie ganz auf, öffentlich und nicht-öffentlich von der Seitenlinie dazwischen zu morsen und weiter Sehnsüchte nach einer "anderen" CDU unter seiner Regie zu bedienen. Laschet saß ihr dabei wie der stille Kandidat im Nacken - Kramp-Karrenbauer fehlte erkennbar ein starkes Unterstützungsteam in der CDU-Spitze, man ließ sie im Regen stehen, erst recht nach dem Wahl-Desaster in Erfurt vor zwei Wochen.

Es sieht nach keiner einfachen Woche aus - nicht für Kramp-Karrenbauer, die nun Kandidatengespräche führt, nicht für die CDU.

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