Olaf Scholz

Corona-Krise Regierung schnürt viele Hilfspakete

Stand: 21.03.2020 20:39 Uhr

Mehr Schutz für Mieter, Unternehmen und Selbstständige sowie lockerere Hartz-IV-Regeln - die Bundesregierung schnürt mehrere milliardenschwere Hilfspakete, die in kürzester Zeit beschlossen werden sollen.

Die Bundesregierung bringt in der Corona-Krise mehrere milliardenschwere Hilfspakete auf den Weg, die verhindern sollen, dass zu viele Bürgerinnen und Bürger in finanzielle Not geraten. Vorgesehen sind offenbar eine Neuverschuldung von rund 150 Milliarden Euro sowie ein Rettungsschirm von bis zu 600 Milliarden.

Das Kabinett soll am Montag den Nachtragshaushalt beschließen, der für Solo-Selbstständige, Kleingewerbe und Miniunternehmen bis zu 50 Milliarden Euro an Hilfen vorsieht. Das Arbeitsministerium lockert die Hartz-IV-Regeln und erwartet bis zu 1,2 Millionen zusätzliche Bezieher der Grundsicherung. Auch Mieter sollen vor Kündigungen geschützt werden.

Nachtragshaushalt von 150 Milliarden Euro

Kleine Unternehmen und Selbstständige sollen Soforthilfen erhalten, Großunternehmen notfalls auch durch Verstaatlichungen gerettet werden. Dies geht aus Gesetzesentwürfen des Finanz- und Wirtschaftsministeriums hervor, die mehreren Medien vorliegen. An diesem Montag sollen die Entwürfe vom Bundeskabinett und dann in derselben Woche von Bundesrat und Bundestag beschlossen werden.

Finanzminister Olaf Scholz sagte, es sei ein Nachtragshaushalt von 150 Milliarden Euro geplant - und ein Fonds zur Rettung der Realwirtschaft, eine Stärkung der Grundsicherung sowie die Ermöglichung von Investitionen ins Gesundheitswesen. Die im Grundgesetz festgelegte Schuldenbremse wird den Plänen zufolge um etwa 100 Milliarden Euro überschritten. Dennoch seien die Maßnahmen mit einem guten Tilgungsplan solide finanziert, sagte Scholz.

Soforthilfen von bis zu 15.000 Euro

Für Kleinunternehmen, Soloselbstständige und Angehörige der Freien Berufe soll es eine Einmalzahlung von 9000 Euro für drei Monate bei bis zu fünf Beschäftigten geben - bis zu 15.000 Euro bei bis zu zehn Beschäftigten.

Das Ziel sei ein Zuschuss insbesondere zu laufenden Miet- und Pachtkosten. Sofern der Vermieter die Miete reduziert, kann ein nicht ausgeschöpfter Zuschuss auch für zwei weitere Monate eingesetzt werden.

Eidesstattliche Erklärung nötig

Die Voraussetzung sollen dem Entwurf zufolge wirtschaftliche Schwierigkeiten in Folge der Coronavirus-Krise sein. Eine Existenzbedrohung oder ein Liquiditätsengpass sollen eidesstattlich versichert werden müssen. Der Bund will dafür bis zu 50 Milliarden Euro bereitstellen. Er rechnet damit, dass bis zu drei Millionen Selbstständige und Kleinstunternehmen die Hilfen in Anspruch nehmen werden.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier sagte: "Wir lassen niemanden allein." Die Soforthilfen für Soloselbstständige und Kleinstunternehmen müssten nicht zurückgezahlt werden. Daneben stünden Kredite zur Verfügung.

400 Milliarden Euro schwerer Rettungsfonds

Darüber hinaus ist ein Rettungsfonds für Unternehmen geplant. Dieser Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) soll mit 400 Milliarden Euro ausgestattet werden, mit denen Schuldtitel und Verbindlichkeiten von Unternehmen übernommen werden können. 100 Milliarden Euro will Scholz für Kreditermächtigungen für Beteiligungsmaßnahmen an den Firmen bereitstellen. Weitere 100 Milliarden Euro sollen für Sonderprogramme der staatlichen Bankengruppe KfW fließen können.

Geraten deutsche Firmen in eine existenzielle Schieflage, kann die Bundesregierung sie absichern - aber die Firma müsste dafür Kapitalanteile an den Bund abtreten. Wenn die Krise vorbei ist, sollen diese Beteiligungen wieder privatisiert werden. Finanzkonzerne allerdings fallen nicht unter diesen Rettungsschirm.

Altmaier will Ausverkauf verhindern

Altmaier sagte: "Wir werden einen Ausverkauf deutscher Wirtschafts- und Industrieinteressen verhindern. Dabei darf es keine Tabus geben, denn auch die Realwirtschaft hat aktuell große Probleme." Auch vorübergehende staatliche Beteiligungen und Übernahmen seien hierbei zwei mögliche Instrumente. "Auch das bereiten wir in der Bundesregierung vor, um es Montag zügig zu verabschieden."

Auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil will mit einem großen Sozialpaket helfen. Laut "Bild am Sonntag" sieht der Gesetzentwurf beispielsweise vor, dass die Zugangsbeschränkungen für Hartz IV gelockert werden. Unter anderem sollen für den Antrag auf Grundsicherung die Vermögensprüfung und die Überprüfung der Wohnungsgröße fürs erste wegfallen.

Erleichterungen bei Hartz-IV-Bezügen

"Wir sorgen jetzt dafür, dass die aufwendige Vermögensprüfung für sechs Monate ab dem 1. April entfällt. Außerdem kann jeder weiter in seiner Wohnung bleiben", sagte Heil. Die Leistungen der Grundsicherung würden schnell und unbürokratisch gewährt, damit niemand ins Bodenlose stürze.

Das Bundesarbeitsministerium rechnet demnach mit bis zu 1,2 Millionen zusätzlichen Beziehern der Grundsicherung. Laut dem Gesetzentwurf könnten "bis zu 700.000 der 1,9 Millionen Solo-Selbständigen und bis zu 300.000 der 1,6 Millionen Selbstständigen mit Angestellten für eine Antragstellung in Frage kommen". Zusammen mit weiteren Anspruchsberechtigten wäre dann "eine maximale Größenordnung von 1,2 Millionen zugehenden Bedarfsgemeinschaften infolge der Corona-Krise und dieser Regelung möglich".

Kindergeld bei Einkommensrückgang

Auf den Bundeshaushalt und die Kommunen könnten damit bei sechs Monaten Leistungsbezug Mehrausgaben von rund 9,6 Milliarden Euro zukommen. Davon entfielen 7,5 Milliarden Euro auf den Bund und 2,1 Milliarden Euro auf die Kommunen.

Auch der Zugang zum Kinderzuschlag - maximal 185 Euro pro Monat - soll demnach stark vereinfacht werden. Das Einkommen der Eltern werde nicht mehr für die vergangenen sechs Monate geprüft, es reiche der Einkommensbescheid des letzten Monats vor Antragsstellung. Dies werde nach Berechnungen der Bundesregierung zu einmaligen Mehrausgaben von 200 Millionen Euro führen.

Schutz für Mieter und Schuldner

Um in der Corona-Krise Rentner aus dringend benötigten Berufen leichter zurückzuholen, will Heil außerdem die jährliche Hinzuverdienstgrenze von 6.300 Euro auf 44.590 Euro anheben. Diese Regelung soll bis zum Jahresende 2020 befristet werden.

Auch die von den Corona-Auswirkungen betroffenen Mieter und Schuldner will die Bundesregierung schützen. Mietern soll wegen Mietschulden nicht gekündigt werden dürfen. Gelten soll dies für Mietschulden aus dem Zeitraum vom 1. April bis 30. September 2020. Die Verpflichtung der Mieter zur Zahlung der Miete bleibe aber im Grundsatz bestehen. Auch weiteren Schuldnern, die vertraglichen Pflichten nicht erfüllen können, sollen keine Folgen drohen. Darlehen sollen gestundet werden.

Spahn will Krankenhäuser stützen

Gesundheitsminister Jens Spahn kündigte ein Krankenhaus-Gesetz an, das gleich auf Kritik stieß. Das Hilfspaket für Kliniken, Ärzte und Pfleger des Bundes sollte in diesem Jahr voraussichtlich rund 3,3 Milliarden Euro umfassen. Ausgeglichen werden sollten Einnahmeeinbußen für Krankenhäuser, weil sie Intensivbetten für Coronavirus-Patienten frei machen. Die Ausfälle durch Verschiebung oder Aussetzung planbarer Aufnahmen, Eingriffe oder Operationen sollten durch Pauschalbeträge ausgeglichen werden.

Nach massiver Kritik twitterte Spahn, es seien bereits "in einer Schalte mit den Gesundheitsministern der Länder einmütig mehrere Änderungen vereinbart" worden. Den aktualisierten Entwurf wolle man am Sonntag vorstellen.

Infektionsschutzgesetz soll verschärft werden

Zudem soll das Infektionsschutzgesetz geändert werden, um bundesweit besser reagieren zu können. Der Bund soll demnach mehr Eingriffsmöglichkeiten im ganzen Land erhalten, während die Bundesländer zum Teil entmachtet werden, wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" aus einem Entwurf des Bundesgesundheitsministeriums berichtete. Dabei gehe es etwa um das Verbot grenzüberschreitender Personentransporte, die zentrale Steuerung der Versorgung mit Arzneien und Schutzausrüstung sowie die Zwangsrekrutierung medizinischen Personals.

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