Corona-Maßnahmen Die Pandemie und die Grundrechte

Stand: 01.01.2021 04:19 Uhr

Im Kampf gegen das Coronavirus griff die Politik massiv in die Grundrechte ein. Während Maßnahmen wie die Maskenpflicht vor den Gerichten Bestand hatten, wurden andere wieder kassiert.

Maskenpflicht, Kontaktbeschränkungen oder Versammlungsverbote - die Liste ist lang und ließe sich noch spielend leicht verlängern. Im vergangenen Jahr ergriffen die Gesetz- und Verordnungsgeber, also "die Politiker", wegen des Coronavirus viele Maßnahmen, die das Leben von uns Bürgern erheblich beeinträchtigt haben.

Wohl noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik wurde so massiv und flächendeckend in unsere Grundrechte eingegriffen. Die politische Debatte darüber wurde hitzig geführt, die Kritiker der Maßnahmen demonstrierten auf den Straßen und die Justiz sah sich über Nacht mit einer Vielzahl von Klagen und Anträgen konfrontiert.

Blick in die leere Innenstadt von Mainz

Läden im Lockdown: Weitgehend menschenleer waren die Innenstädte vor Weihnachten - wie hier in Mainz.

Der Staat darf in Grundrechte eingreifen - unter Voraussetzungen

Mit den Corona-Maßnahmen griff der Staat in unsere Grundrechte ein - und tut das nach wie vor: So berühren beispielsweise Kontaktbeschränkungen und Maskenpflicht die Allgemeine Handlungsfreiheit. Restaurantschließungen und Veranstaltungsverbote greifen in die Berufsfreiheit von Restaurantbetreibern und Künstler ein, und Reisebeschränkungen in das Recht auf Freizügigkeit der Touristen.

Aber nicht jeder Eingriff in Grundrechte ist per se auch verfassungswidrig. Im Gegenteil: Grundrechtseingriffe finden tagtäglich statt, ohne dass das jemanden besonders aufregen würde - zum Beispiel, wenn der Staat Regeln aufstellt, wie wir uns im Straßenverkehr verhalten müssen.

Solche Eingriffe sind immer dann zulässig, wenn sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen: Jeder staatliche Eingriff in ein Grundrecht muss einem legitimen Zweck dienen. Die Eingriffe müssen geeignet sein, diesen Zweck überhaupt zu erreichen, hierbei das mildeste Mittel darstellen und schließlich im engeren Sinne verhältnismäßig sein.

Bürger, die selbst von staatlichen Maßnahmen betroffen sind, können - auch in Zeiten von Corona - vor Gericht überprüfen lassen, ob diese Kriterien eingehalten werden. Im vergangenen Jahr waren solche Klagen und Eilanträge in Bezug auf Corona nahezu an der Tagesordnung.

Gesundheitsschutz als legitimer Zweck

Bezogen auf die Corona-Maßnahmen ist der legitime Zweck für Eingriffe schnell gefunden: die Gesundheit der Bürger zu schützen. Dazu ist der Staat durch das Grundgesetz verpflichtet. Er muss erhebliche Gesundheitsgefahren eindämmen.

Bei der Frage, wie geeignet ein Eingriff ist, ist zu prüfen: Kann man mit der konkreten Maßnahme die Bürger vor einer Ansteckung schützen, oder läuft sie ins Leere? Außerdem müssen die Eingriffe "erforderlich" sein. Es darf also kein milderes Mittel geben, mit dem die Gesundheit der Bürger genauso gut geschützt wird. Schließlich muss ein Eingriff auch im engeren Sinne verhältnismäßig sein. Hier nehmen die Gerichte meist eine Gesamtabwägung vor. An diesem letzten Punkt entscheidet sich vor Gericht häufig, ob ein bestimmtes staatliches Handeln als rechtmäßig oder rechtswidrig eingestuft wird.

Im vergangenen Jahr haben die Gerichte diese Prüfung oft vollzogen und zahlreiche Entscheidungen zu unterschiedlichen Corona-Maßnahmen getroffen. Meist im sogenannten Eilverfahren, weil ein "normales" Gerichtsverfahren zu lange gedauert hätte.

Maskenpflicht zumutbar, Gottesdienstverbot nur als Ausnahme

Die Maskenpflicht, etwa für den Einkauf im Supermarkt oder die Fahrt in Bus und Bahn, beschäftigte die Justiz speziell in der ersten Jahreshälfte häufig. Die Gerichte sahen hierin aber in den allermeisten Fällen eine zumutbare Einschränkung. Als später im Jahr die Schulen wieder öffneten, bestätigten etwa die obersten Verwaltungsgerichte in Bayern und Schleswig-Holstein auch die Maskenpflicht im Unterricht. Nur in vereinzelten Ausnahmefällen wurden Schülerinnen und Schüler von der Maskenpflicht befreit.

Das erhöhte Ansteckungsrisiko bei Gottesdiensten sorgte im Frühling dafür, dass durch die Corona-Verordnungen religiöse Veranstaltungen in größerem Ausmaß untersagt wurden. Das Bundesverfassungsgericht prüfte diese Untersagungen sehr kritisch.

Zunächst hatten die Verbote aber weitgehend Bestand. Ende April mahnte das Bundesverfassungsgericht dann in einer Entscheidung an, genauer hinzuschauen. Die Behörden dürften religiöse Zusammenkünfte nicht generell verbieten und müssten zumindest prüfen, ob in Einzelfällen Ausnahmeregelungen möglich seien.

Die Karlsruher Richter machten in allen Entscheidungen grundsätzlich klar, dass solche Verbote tief ins Grundrecht der Glaubensfreiheit eingreifen. Darum könne nur in extremen Ausnahmesituationen ein Verbot angemessen sein. Etwa, wenn es darum gehe, dass Kollabieren des Gesundheitssystems zu verhindern.

Beherbergungsverbote reihenweise gekippt

Nach einem Sommer, in dem die Maßnahmen deutlich gelockert wurden, stiegen im Herbst die Infektionszahlen wieder an - zunächst nur in einigen Hotspots. Die Bundesländer reagierten unter anderem mit dem Erlass von Beherbergungsverboten. Hoteliers und Ferienhaus-Vermietern wurde verboten, Touristen aufzunehmen. So sollten touristische Reisen und eine Verbreitung des Virus in Deutschland vermieden werden.

Doch schon kurz nach Erlass der Maßnahmen kippten die Gerichte gleich reihenweise diese Verbote. Die Justiz hatte schon Zweifel daran, dass sie überhaupt geeignet seien, das Infektionsgeschehen zu verlangsamen. Denn die Übernachtungen in Hotels hätten bei der Verbreitung des Virus keine herausragende Rolle. Es sei nicht nachvollziehbar, wieso diese verboten würden, wenn es Ansteckungen hauptsächlich bei privaten Treffen oder Feiern gebe.

Demonstrationsfreiheit gestärkt - Auflagen erlaubt

Besonders häufig mussten sich die Gerichte 2020 mit Versammlungsverboten auseinandersetzen. Etwa dann, wenn Kritiker der Corona-Maßnahmen wie die "Initiative Querdenken" zu Demonstrationen aufgerufen hatten, die dann aber untersagt wurden.

In mehreren Beschlüssen unterstrich das Bundesverfassungsgericht den hohen Stellenwert des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit. Dieses sei ein überragend wichtiges Gut in einem demokratischen Rechtsstaat. Versammlungen dürften daher nicht pauschal verboten werden. Immer müssten die Behörden prüfen, ob sie nicht doch, etwa unter Auflagen stattfinden könnten. Es sei allerdings durchaus denkbar, Maskenpflicht, Abstandsgebot und Teilnehmerbeschränkungen als Voraussetzung zu benennen, wenn die Allgemeinheit nur so vor gravierenden Gesundheitsgefahren geschützt werden könne.

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