Autos fahren auf einer Straße in Berlin
FAQ

Grenzwerte für Ausstoß Das bringen die geplanten CO2-Grenzwerte

Stand: 10.10.2018 19:51 Uhr

Zu lasch, zu hart, genau richtig - die Meinungen zu den geplanten CO2-Grenzwerten für Autos sind kontrovers. Reichen die 35 Prozent aus? Welche Antriebe werden nun letztlich das Rennen machen?

Warum besteht Handlungsbedarf?

Im Verkehr findet Klimaschutz bislang nicht statt - im Gegenteil: Die CO2-Emissionen steigen - auf dem Papier und noch massiver in Praxis, weil die Kluft zwischen Labor und Straße immer größer wird. Die Industrie ist in Sorge, dass sie nicht einmal das CO2-Ziel für 2021 (95 Gramm CO2 pro Kilometer) erreichen wird.

Auspuff Porsche-Cayenne

Größere, schwerere Autos: Seit Jahren steigen die CO2-Emissionen weiter an.

Gründe sind eine aus Klimasicht verfehlte Modellpolitik (zu schwere, zu große Fahrzeuge wie SUV) und die hausgemachte Dieselaffäre. Beim CO2 haben Dieselautos einen Vorteil, wegen hoher Stickoxid-Emissionen und drohenden Fahrverboten meiden Autokäufer aber aus verständlichen Gründen die Selbstzünder.

Toyota kommt mit seiner Hybrid-Strategie dem 2021er-Flottenziel schon recht nahe und muss den CO2-Ausstoß um nur noch neun Gramm drücken. Das könnte klappen. Bei BMW, Daimler und VW sieht das mit 21 bis 26 Gramm Abweichung aber ganz anders aus.

Was haben die EU-Umweltminister verabredet?

Bei den Gesprächen in Luxemburg ging es um die weitere Senkung der CO2-Emissionen zwischen 2021 und 2030. Der Umweltausschuss des EU-Parlaments hatte für minus 45 Prozent plädiert, das Parlament selbst für minus 40 Prozent. Deutschland hatte sich dem Kommissionsvorschlag von minus 30 Prozent angeschlossen. Letztlich verständigten sich die Umweltminister auf minus 35 Prozent für Pkw und minus 30 Prozent für Lieferwagen. Was noch aussteht ist die Einigung mit Parlament und Kommission. Nach einem Bericht der Presseagentur afp bleiben noch Fragen offen, zum Beispiel nach einem Bonus-System für Elektro- und Hybridautos.

Wie reagiert die Automobilindustrie auf den Vorschlag?

Die Kritik ist hart: Von "überzogenen Forderungen" und von "zu hohen CO2-Zielen" ist die Rede. "Damit werden Arbeitsplätze aufs Spiel gesetzt und der Industriestandort geschwächt", kritisiert Bernhard Mattes vom Branchenverband VDA die Vereinbarung der EU-Umweltminister und lässt Verweigerung durchblicken: Die Vorgaben helfen "schlussendlich auch den Klimazielen nicht, wenn sie nicht erfüllbar sind."

Ist die Kritik berechtigt?

Getrieben von der Autolobby hatte sich die Bundesregierung für ein 30-Prozent-Reduktionsziel eingesetzt. Schon öfter legte Berlin in Brüssel ein Veto ein, wenn zu strenge Vorgaben für die Autobauer drohten - und damit nicht immer gute Erfahrungen gemacht.

Zum Beispiel machte sich die Bundesregierung vor drei Jahren für vergleichsweise lasche Stickoxid-Vorgaben bei den Straßentests (Euro-6d-temp und Euro-6d) stark. Kurz vor der Entscheidung hatte die Industrie Druck gemacht und mit "ausgehenden Lichtern" in zwei bayerischen Autowerken gedroht. Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth zeigte sich im März 2017 auf einem VDA-Kongress sichtlich verschnupft. Zur Frage, wie er die Autoindustrie erlebt habe, sagte er: "So, wie in der Vergangenheit auch: abwehrend, zurückhaltend, immer darauf setzend, dass man am Ende von der Politik den Rückenwind kriegt, nicht das Beste zu machen, sondern leider nur so wenig wie möglich." Und er ahnte schon, dass sich die Strategie beim nächsten großen Thema nicht ändern wird: "Das wird besonders wieder beim Klimaschutz relevant werden, wenn wir über die Anforderungen für 2020 bis 2030 reden."

Warum hat die Autoindustrie mit den Vorgaben ein Problem?

Die Industrie, gerade die deutsche, hat einseitig auf fette Premiumautos gesetzt. Daimler-Chef Dieter Zetsche brachte es in einem Interview auf den Punkt: "Geländewagen haben höhere Margen als andere Pkw." Schon ist fast jeder dritte verkaufte Neuwagen ein SUV oder Geländewagen. Da kommt man bei Kraftstoffverbrauch und CO2-Ausstoß schnell an die Grenzen der Physik. Vorgaben für Luftschadstoffe, z.B. Stickoxide oder Rußpartikel, kann man durch eine aufwändige Abgasreinigung an jedem Fahrzeug erfüllen. Da geht es nur ums Geld.

Porsche Cayenne

Der Luftwiderstand bei einem Porsche-Cayenne ist enorm - damit auch der Kraftstoffverbrauch.

Beim CO2 redet die Physik mit: Ein 2,4-Tonnen-SUV kann nur schwerlich zum Spritspar-Vehikel werden, egal wie effizient der Motor unter der Haube ist. Das ist so, als wolle ein Dreizentner-Mann auf dem Mountainbike die Tour de France gewinnen. Masse kostet Energie beim Beschleunigen und treibt den Rollwiderstand nach oben. Der Luftwiderstand beispielsweise eines Porsche Cayenne ist durch die enorme Stirnfläche doppelt so groß wie der einer strömungsgünstigen Limousine, wie zum Beispiel der Mercedes A-Klasse.

Welche Antriebe werden aufgrund der Vorgaben das Rennen machen?

Der von der Deutschen Automobil Treuhand (DAT) zusammengestellte "CO2-Leitfaden" listet auf Seite 72 die zehn sparsamsten Modelle für jede Antriebstechnologie. Der beste Benziner kommt auf 76 Gramm CO2 pro km (mit Hybridantrieb), mit Diesel und Erdgas lassen sich 83 bzw. 82 Gramm erreichen, Strom- und Wasserstoffautos werden in dieser Bilanz mit null Gramm CO2 geführt. Die Top-Ten-Liste liefert zwei Informationen: Für kleine Fahrzeuge sind auch künftige Werte in Reichweite. Und: Es gibt verschiedene Wege zu halbwegs klimaverträglichen Fahrzeugen. Die von der Industrie ins Spiel gebrachten Biokraftstoffe und E-Fuels muss man mangels Verfügbarkeit eher als Ablenkungsmanöver verbuchen.

Reicht eine Reduktion der CO2-Emissionen um 35 Prozent aus?

Aus Umweltsicht ein klares Nein - und das weiß auch die Autoindustrie. Zu ihrem "Technischen Kongress" im März 2016 hatte der VDA auch Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth eingeladen. Der sagte: "Die Automobile werden langlebiger, zum Glück. Damit ist es so, dass wir mit der Kaufentscheidung im Jahr x über den Zustand 20 Jahre später mitentscheiden." Das Pariser Klima-Abkommen bedeute für die Industriestaaten eine "weitgehende Dekarbonisierung bis zur Mitte des Jahrhunderts", erläuterte Flasbarth, d.h. null CO2. Die zentrale Frage sei: "Wie können wir dazu kommen, dass die CO2-Emissionen im Jahre 2030 für die Fahrzeugflotte null oder nahe null ist, weil diese Fahrzeuge dann auch noch bis an das Jahr 2050 fahren werden".

Aus dieser Perspektive hätten die EU-Umweltminister für 2030 nicht "minus 35 Prozent" sondern "minus 100 Prozent" beschließen müssen, also faktisch ein Verbrennerverbot. In dieselbe Richtung zielt eine Studie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Auftrag von Greenpeace. Danach müssen ab 2028 alle neuen Autos emissionsfrei fahren.

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