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Bekennerschreiben auf Indymedia Unter falscher Flagge?

Stand: 29.01.2020 12:20 Uhr

Auf der Plattformen "indymedia" bekennen sich Linksextremisten bisweilen zu Straftaten oder Anschlägen. Manche solcher Schreiben sind aber offenkundig gefälscht.

Von Torben Lehning, ARD-aktuell

"Don't hate the media, become the media!" Zu deutsch: "Hasse nicht die Medien, werde zum Medium!" So lautet der Slogan der wohl bekanntesten linksradikalen Online-Plattform der Bundesrepublik. In kursiver Schrift prangt der Schriftzug unter dem Logo der Plattform, auf der jeder Beiträge veröffentlichen kann.

Dort findet sich auch ein anonym verfasstes Bekennerschreiben vom 31. Dezember 2019, das einen Brandanschlag auf das Auto eines Kolumnisten der "Berliner Zeitung" rechtfertigen soll. Da dieser den Klimawandel für nicht erwiesen halte und Autofahren als seine persönliche Freiheit darstelle, habe man sich dazu entscheiden, "ihn dort zu treffen wo es ihm weh tut: Bei seinem Auto (sic)." Ebendieses Auto parkte nach den Angaben des anonymen Verfassers vor dem Wohnhaus des Journalisten.

Auf Anfrage des ARD-faktenfinder erklärte das Berliner Landeskriminalamt, dass die Ermittler das Bekennerschreiben als "authentisch" einstufen.

Zwischen Diskussionsbeitrag und Bekennerschreiben

Auf "indymedia.org" schreiben anonyme Autorinnen und Autoren über verschiedene Themen der linken Szene. Neben Aufrufen zu Demonstrationen und Podiumsdiskussionen werden auch politische Statements oder aber Gewaltaufrufe sowie Bekennerschreiben veröffentlicht.

Ein Sprecher von "indymedia.org", der namentlich nicht genannt werden will, erklärte gegenüber dem ARD-faktenfinder: "Wir stellen ein Werkzeug zu Verfügung, damit alle berichten können. Alle Beiträge werden erst mal veröffentlicht." So verstehe man sich selbst nicht als Medium, sondern als "emanzipatorische Plattform".

Gewalt gegen Sachen und Menschen

Am 3. November 2019 veröffentlichten anonyme Verfasser ein Schreiben auf "de.indymedia.org", in dem sie sich zu einem Angriff auf die Prokuristin einer Leipziger Baufirma bekennen. Der Fall erregte bundesweite Aufmerksamkeit. Lokale, wie überregionale Politiker forderten ein schärferes Vorgehen gegen linksextreme Gewalt. Zuvor hatte es diverse Brandanschläge auf Baustellenfahrzeuge gegeben.

Der Sprecher von "de.indymeidia.org" erklärt hierzu, dass man sich intern gestritten habe, ob man das Bekennerschreiben zum Angriff auf die Prokuristin löschen solle oder nicht. Letztlich sei es von der Seite genommen worden, da der Angriff "kein emanzipatorischer Akt" gewesen sei.

Gefälschte Bekennerschreiben

Doch nicht alle Bekennerschreiben sind authentisch. In der Silvesternacht 2020 wurden in der Leipziger Thomaskirche und dem benachbarten Thomashaus Fenster mit Steinen eingeworfen. Am 4. Januar tauchte dazu ein Bekennerschreiben auf "de.indymedia.org" auf. Grund des Angriffs sei die "Nazi-Pfarrerin" gewesen. Sie hätte mehrfach Obdachlose vor der Kirche vertrieben. Der Beitrag wurde schnell von den Betreibern gelöscht.

Tatsächlich hatte sich ein psychisch verwirrter Mann, der angab "der Sohn Gottes zu sein", kurze Zeit nach seiner Tat der Polizei gestellt. Die Pfarrerin erstattete Anzeige gegen den Verfasser des Bekennerschreibens, die Leipziger Polizei erklärte auf Anfrage des ARD-faktenfinder, man vermute einen "Trittbrettfahrer".

Am 6. Januar wurde eine Leipziger TV-Journalistin, die unter anderem auch für ARD und ZDF arbeitet, von Polizisten aus dem Bett geklingelt. Kurze Zeit vorher war ein Bekennerschreiben auf "de.indymedia.org" veröffentlicht worden. Die Autoren erklärten die angeblich "AfD-nahe" Journalistin dort getroffen zu haben, "wo es weh tut: im Gesicht". Die Beamten waren jedoch umsonst angerückt - die Journalistin war wohl auf - und hatte keinen "Besuch" erhalten.

Auf der Suche nach der Schwarzen Schar

Am 1. Januar rief eine "schwarze Schar" auf "de.indymedia.org" zu Gewalt gegen einen angeblich "faschistischen" deutschen Staat auf. Die Verfasser des Blogeintrages bezeichnen sich selbst, für die linke Szene mit untypischen Worten, als "hochintelligente Freigeister" die sich dem "braunen Abschaum" entgegenstellen wollen.

Auf Anfrage des ARD-faktenfinder erklärte eine Sprecherin des Bundesamtes für Verfassungsschutz, dass derzeit "keinerlei Erkenntnisse über eine Gruppe mit dem Namen 'Schwarze Schar' vorliegen". Die Betreiber nahmen den Beitrag nach Erscheinen wieder von der Plattform. Ein anonymer Nutzer warnte kurze Zeit später vor einem "False Flag-Beitrag".

In den vergangenen Jahren hatte es mehrfach ähnliche gefälschte Bekennerschreiben gegeben. So reklamierte im Sommer 2016 ein angeblich von der Antifa verfasstes Bekennerschreiben die Verantwortlichkeit für die Anschläge auf die Dresdner Fatih-Moschee. Die genannte Antifa-Gruppe dementierte umgehend, etwas mit den Anschlägen zu tun zu haben. Später stellte sich heraus, dass der Täter ein ehemaliger "Pegida"-Redner war.

2017 erklärten angeblich linksextreme Blogger über "indymedia" für den Anschlag auf den Mannschaftsbus von Borussia Dortmund verantwortlich zu sein. Auch hier stellte sich das Schreiben als Fälschung heraus.

Ähnlich verhielt es sich bei einem Angriff auf den Bremer AfD-Politiker Frank Magnitz vor einem Jahr. Ein ebenfalls auf "indymedia" erschienene Bekennerschreiben mit angeblich linksextremen Hintergrund wurde von der Staatsanwaltschaft überprüft, seine Echtheit angezweifelt. Die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren mittlerweile eingestellt, die Täter konnten nie ermittelt werden.

Von der "False-Flag" in die reale Politik

Das Vorgehen, unter falscher Flagge Stimmung zu verbreiten, ist nicht neu. In der Vergangenheit wurden bereits gefälschte Twitter-Profile von angeblichen Geflüchteten oder real existierenden Politikern geschaffen, um ihnen frei erfundene Zitate in den Mund zulegen.

Bei den offenbar gefälschten Bekennerschreiben greift ein ähnlicher Mechanismus: Die anonymen Verfasser verwenden ein Vokabular, welches links klingen soll, aber an vielen Stellen Unstimmigkeiten aufweist. Die Bekennerschreiben werden dann von ihren Verfassern bei "indymedia" veröffentlicht, um einen linksextremen Hintergrund zu suggerieren.

Kurz darauf werden die Einträge von einschlägigen rechten Blogs geteilt. Diese stellen die Bekennerschreiben dann häufig in einen Zusammenhang mit "der Antifa". Mehrfach kam es bereits dazu, dass noch am selben Tag Politikerinnen und Politiker der AfD ein Verbot "der Antifa" und oder der "indymedia"-Seiten fordern.

Moderation der "False Flags"

Der Sprecher von "de.indymedia.org" sagte, dass man selbst keinen großen Anstieg von "False Flags" wahrnehme. Man könne die falschen Bekennerschreiben identifizieren, da diese mit einem unpassenden Wortlaut formuliert seien. Technisch könne man nicht nachvollziehen, wer die Verfasser seien. Die Betreiber würden aber das, was "Rechte, Polizei und Trolle posten" erkennen und "rausmoderieren".

Auf Anfrage des ARD-faktenfinder sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums, dass die Vorgänge auf der Plattform "aufmerksam verfolgt würden". Zu etwaigen Verbotsbestrebungen würde sich das Ministerium generell nicht äußern.

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