Ein Panzer der prorussischen Separatisten bei Debalzewe (Archivbild)

Ostukraine Krieg mit Unterstützung aus Moskau

Stand: 26.11.2018 04:00 Uhr

Seit fast fünf Jahren herrscht Krieg in der Ostukraine. Seit Jahren wird darüber gestritten, ob und wie Russland dort militärisch aktiv ist. Dafür sprechen zahlreiche Hinweise und Indizien.

Von Demian von Osten und Darja Schdanowa, ARD-Studio Moskau

Offiziell bestreitet Russland, sich mit seiner Armee in der Ostukraine zu engagieren. "Die russische Armee ist nicht im Donbass", verkündete Präsident Wladimir Putin beispielsweise im Dezember 2017.

Seit Beginn des Ostukraine-Krieges sind die Hinweise aber so erdrückend, dass auch in der tagesschau von einer militärischen Unterstützung Russlands in den Gebieten der sogenannten Donezker und Lugansker "Volksrepublik" gesprochen wird.

Russische Strategen und Politiker

Führungsfiguren in der Anfangszeit der selbsternannten "Donezker Volksrepublik" stammten zu einem großen Teil aus Russland. Es waren "Premierminister" Alexander Borodai aus Moskau, "Verteidigungsminister" Igor Girkin aus der Region Pskov und "Vize-Verteidigungsminister für Sicherheitsfragen" Wladimir Antjufejew aus Nowosibirsk. Alle kamen mit einem Spezialauftrag in den Donbass. Girkin, der auch unter dem Namen Strelkow firmiert, ist schon in anderen Konflikten für Russland tätig gewesen. Antjufejew arbeitete in Transnistrien, einer von Russland unterstützten abtrünnigen Region in Moldawien.

Viele Analysten gehen davon aus, dass es zu der umstrittenen Ausrufung der "Volksrepubliken" gar nicht gekommen wäre, wenn sich Russland dort nicht auch militärisch eingemischt hätte. Darauf deuten beispielsweise Meinungsumfragen aus der Anfangszeit der Proteste in Donezk und Lugansk hin. Demnach waren in Donezk lediglich fünf Prozent der Einwohner für eine Unabhängigkeit, gut ein Viertel für eine Angliederung an Russland. Die große Mehrheit wünschte sich lediglich mehr Selbstbestimmung, aber keine Unabhängigkeit von der Ukraine.

Russische Soldaten

In einem neunmonatigen Zeitraum zwischen 2014 und 2015 hat die OSZE mehr als 20.000 Menschen in militärischer Kleidung beobachtet, die die Grenze von Russland in die Ukraine überquerten - in jenen Teil der Ukraine, der nicht von der Regierung kontrolliert wird.

Der Russe Igor Girkin hat in Interviews Details zum militärischen Engagement Russlands erläutert. Demnach seien wenige Monate nach Beginn des Krieges ab August 2014 russische Soldaten in der Region angekommen, um zu kämpfen. Ein Großangriff auf die Hafenstadt Mariupol sei maßgeblich von den russischen Soldaten durchgeführt worden. Offiziell hieß es, diese Soldaten seien "im Urlaub" in die Ostukraine gefahren, um zu kämpfen. Doch das erscheint aufgrund der Masse der Soldaten und verbunden mit den weiteren Informationen über russische Militärtechnik kaum glaubhaft.

Gefallene Soldaten

Einige russische Soldaten wurden tot zurückgebracht. Mitarbeiter der OSZE berichteten im November 2014, sie hätten beobachtet, wie Fahrzeuge mit der Aufschrift "Cargo 200" von Russland in die Ukraine und zurück gefahren seien. "Cargo 200" ist ein bekannter russischer Militärcode für im Einsatz gefallene Soldaten.

Die russische Menschenrechtsorganisation "Soldatenmütter von St. Petersburg" erhielt eine Liste mit den Namen von 100 Soldaten, die in der Ukraine gefallen, und von weiteren 300, die verwundet worden sein sollen. Soldaten berichteten Menschenrechtlern schon vor Jahren, dass russische Soldaten im Einsatz in der Ukraine gefallen seien. Todesdokumente, die Angehörigen ausgehändigt wurden, enthielten keinen Todesort.

Mehr als 1500 russische Soldaten sollen in der Ukraine ums Leben gekommen sein, schätzte Valentina Melnikowa von den Soldatenmüttern im Jahr 2017. Einige wurden heimlich beispielsweise in der russischen Stadt Pskov beigesetzt.  

Russische Panzer und Militärfahrzeuge

Russlands Präsident Putin bestritt nicht, dass Russen in der Ostukraine militärische Aufgaben ausüben. "Wir haben nie gesagt, dass es da keine Menschen gegeben hätte, die bestimmte Aufgaben ausüben würden, auch im militärischen Gebiet." Dies seien aber keine regulären russischen Truppen, sagte Putin im Jahr 2015. Doch genau das erscheint unglaubwürdig, wenn man einen Blick auf die eingesetzte Militärtechnik wirft.

Im Verlauf der Jahre gab es in den Gebieten der "Volksrepubliken" zahlreiche Sichtungen von Militärfahrzeugen und Militärtechnik aus Russland. "Wir haben gesehen, wie Konvois auf Feldwegen mitten in der Nacht in die Ukraine und aus der Ukraine gefahren sind, in Gegenden, wo es keinen offiziellen Grenzübergang gibt", sagte beispielsweise der damalige stellvertretende OSZE-Missionsleiter Alexander Hug in einem Interview mit dem Magazin "Foreign Policy".

Die OSZE veröffentlichte davon kürzlich sogar ein Video - und gab zudem bekannt, man habe auch Luftabwehrraketen in solch einem Konvoi auf einem Feldweg direkt neben der Grenze zu Russland beobachtet.

Journalisten sichteten außerdem im Gebiet von Donezk und Lugansk Panzer, die es im Bestand der russischen, nicht aber der ukrainischen Streitkräfte gibt.

Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International wertete Satellitenbilder und Zeugenberichte in der Ostukraine aus und kam zu dem Schluss, dass Russland den Konflikt anheize. Dies geschehe sowohl durch direkte Einmischung als auch durch die Unterstützung der Separatisten.

Raketenwerfer aus Beständen des russischen Militärs

Beim Abschuss eines malaysischen Passagierflugzeugs über der Ostukraine stellte das verantwortliche internationale Ermittlungsteam fest, dass der verwendete Raketenwerfer aus Beständen des russischen Militärs in der Stadt Kursk stammte. Der Abschuss erfolgte von einem Feld in der Nähe der Stadt Donezk. Bei dem Abschuss starben 298 Zivilisten.

Fazit: Russland maßgeblich involviert

All diese Hinweise zusammen ergeben folgendes Bild:

  • Russische Militärstrategen haben im Krieg im Donbass maßgebliche Entscheidungen getroffen
  • Russische Soldaten waren in großer Zahl vor Ort und sind es wohl bis heute
  • Russische Panzer und andere Militärtechnik wurden im Donbass eingesetzt

Tatsächlich gab und gibt es viele lokale Sympathisanten. In der Anfangszeit des Krieges schätzte Igor Girkin, dass 90 Prozent der Kämpfer aus dem Donbass stammten. Auch heute sind ehemalige Mitglieder des ukrainischen Geheimdienstes SBU in den Kommandostrukturen der "Volksrepubliken" zu finden.

Beobachter gehen jedoch davon aus, dass der entscheidende Schlüssel zur Lösung des Ostukraine-Konflikts in den Hauptstädten liegt. Gemeint sind damit Kiew und Moskau.