Ein Übertragungswagen von Russia Today steht auf dem Roten Platz in Moskau

ARD-Journalist Seppelt Im Visier der russischen Propaganda

Stand: 16.05.2018 09:09 Uhr

Ein krimineller Journalist, ein Propagandist sei er, der Sportler verleumdet: Schon seit Jahren versuchen russische Staatsmedien, die Glaubwürdigkeit des ARD-Journalisten Seppelt zu zerstören.

Von Von Patrick Gensing und Silvia Stöber, tagesschau.de

Der Fall hat international für Aufsehen gesorgt und bestätigte offenbar jene Stimmen, die die Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 bereits kritisiert hatten: Russland hatte dem ARD-Journalisten Hajo Seppelt zunächst verboten, nach Russland einzureisen. Zwar hob Russland das Einreiseverbot auf, doch ob er frei berichten darf, ist noch unklar. Das vom SWR für Seppelt beantragte Visum war zuvor für ungültig erklärt worden, da der Journalist auf einer Liste der in Russland "unerwünschten Personen" stehe.

"So eine Reaktion noch nie erlebt"

Seppelt steht bereits seit Jahren im Kreuzfeuer der russischen Propaganda: Staatsmedien griffen den Journalisten immer wieder scharf an. Im Juni 2016 titelte RT Deutsch beispielsweise: "Kriminelle Journalisten: Wie Hajo Seppelt deutsche Sportler verleumdet." Seppelt sagt dazu im Gespräch mit dem ARD-faktenfinder, er habe in Fernost, Afrika, Südamerika und anderswo umfangreich recherchiert. Es liege "in der Natur der Sache, dass Betroffene nicht amüsiert sind, wenn wir kritisch berichten. Aber so eine Reaktion wie in Russland habe ich noch nie erlebt."

In der Skripal-Affäre, im Syrien-Konflikt oder anderen Fällen behaupteten russische Politiker und Medien immer wieder, bei Vorwürfen handele es sich lediglich um "russophobe Kampagnen". Dieser Vorwurf wurde auch Seppelt gemacht. So hielt beispielsweise RT Deutsch dem Journalisten vor, er habe vier Dokumentationen über Doping in Russland gedreht: Das wirke "zumindest nicht uninstrumentalisiert".

"In der Tat hat es in den vergangenen Jahren sehr viel Russland-Berichterstattung gegeben", sagt Seppelt dazu. Das liege daran, "dass die Dimensionen des Dopings und der Vertuschung vergleichsweise nahezu einzigartig waren und das Thema somit weltweit eine große Rolle spielte". Zudem leugne Moskau das offensichtliche Betrugssystem immer wieder.

An die Vorwürfe gegen seine Person hat Seppelt sich gewöhnt: "Seit Jahren wird behauptet, wir seien russophob, wir würden die Fakten nicht korrekt darstellen - dabei hat sich bestätigt, was wir 2014 recherchiert hatten. Offenbar fällt es Russland schwer einzugestehen, dass es ein Problem mit Staatsdoping hat."

Glaubwürdigkeit beschädigen

Die Versuche, seine Glaubwürdigkeit zu beschädigen, seien vielfältig, berichtet Seppelt: "Es wurden Gerüchte gestreut, ich würde im Auftrag der CIA oder der Bundesregierung arbeiten. Es wurde berichtet, ich hätte in russischen Gerichtssälen falsche Berichterstattung eingeräumt - dabei war ich da nie." In diesem Fall wurde eine Gegendarstellung auf dem Staatssender Sputnik erwirkt.

Im Jahr 2016 brach Seppelt ein Interview mit "Rossija TV" ab, nachdem er laut Deutschlandfunk gefragt worden war, ob er das russische Volk beleidigen wolle und vom Geheimdienst bezahlt werde.

ARD-Korrespondent Udo Lielischkies sagt dazu, bei diesem Interview sei deutlich geworden, wie viele russische Journalisten ihre Aufgabe definieren: "Journalisten, die für regierungsnahe und staatliche Fernsehsender arbeiteten, hinterfragen die Position des Kreml nicht, sondern verstehen sich als dessen Vertreter und als Patrioten ihres Landes."

Es seien viele Fälle bekannt, bei denen prominente Personen von russischen Journalisten so lange bedrängt wurden, bis sie die Nerven verloren, erklärt Lielischkies: "Beispielsweise wurde der ehemalige US-Botschafter in Russland, Michail McFaul, immer wieder aufgelauert. Schließlich wurde er vor laufender Kamera unfreundlich."

Seppelt hat ebenfalls den Eindruck, viele Journalisten glauben offenbar, es sei wichtig, Patriot und Journalist zugleich zu sein. "Sie wollen sich gegen das zur Wehr setzen, was aus ihrer Sicht dem eigenen Land schaden könnte. Und Recherchen über Doping von Russen werden offenbar als schädlich angesehen."

Während Seppelt für seine Berichterstattung über Doping in Russland hart angegangen wird, würden dort Recherchen über Dopingvorwürfe in Kenia, Jamaika oder Deutschland "neutral und ohne Häme wiedergegeben", sagt der ARD-Journalist.

"Es geht um systematische Vertuschung"

Die Russen hätten im Übrigen recht, betont Seppelt, "wenn sie behaupten, dass in Einzelfällen die individuelle Verantwortung von Athleten nicht bewiesen werden konnte. Doch darum ging es auch nie bei den Ermittlungen im Auftrag der WADA. Belegt wurde die systematische Vertuschung - dass positive Proben eben verschwanden. Und wenn positive Proben verschwinden, ist es auch schwierig, das konkrete Doping im Einzelfall nachzuweisen."

Und doch sei "für die WADA, den Weltleichtathletikverband und auch für das sonst so zögerliche IOC im Fall Russland die Beweislage erdrückend" gewesen. "Daher kam es ja auch zu den Sanktionen vor allem bei den Olympischen Spielen und den Leichtathletik-Weltmeisterschaften."

Im aktuellen Fall gehe es aber nicht mehr um Fragen des Sports, sondern um einen Eingriff in die Pressefreiheit. "Moskau hat sich damit keinen Gefallen getan", meint Seppelt. Denn nun werde "erst recht über Doping und Pressefreiheit in Russland diskutiert. Zudem ist die FIFA der Veranstalter der WM und Russland nur das ausrichtende Land. Und als solches muss es sich an die eingegangenen Verpflichtungen halten - und die sehen einen ungehinderten und freien Zugang für Journalisten vor."

"Zufällige Prügel"

Der russische Journalistenverband meldete sich in der Causa auch zu Wort. Der Vorsitzende Wladimir Solowjow sagte, Seppelt solle ein Visum bekommen. "Nur muss ihm ganz bestimmt Personenschutz bereitgestellt werden, damit Kenner seines 'journalistischen Talents' ihn nicht zufällig verprügeln." Eigentlich sei Seppelt kein Journalist, sondern Propagandist.

Und der russische Staatssender RT Deutsch kommentierte, Seppelt sei "weniger Journalist als vielmehr politischer Akteur". Er stehe in einer Reihe mit "George Soros und vielen anderen, denen die Einreise nicht wegen ihrer Profession verweigert wird, sondern weil sie aktiv und in absolut unfairer Weise gegen das souveräne Russland mit dem Ziel arbeiten, dort ein anderes politisches System zu etablieren". Es sei "Blödsinn" zu behaupten, die Pressefreiheit werde durch das verweigerte Visum für den Journalisten eingeschränkt.

Der Deutsche Journalisten-Verband sieht das anders. "Das ist natürlich ein enormer Einschnitt in die Pressefreiheit", sagte DJV-Vorsitzende Frank Überall. "Angesichts der Tatsache, dass Seppelt die Dopingfälle in Russland öffentlich gemacht hat, kann man davon ausgehen, dass es sich um einen Rachefeldzug handelt."

Seppelts Film "Geheimsache Doping: Wie Russland seine Sieger macht" hatte die Aufdeckung des russischen Dopingskandals bei den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi zur Folge.

Seppelt soll über seine Quelle aussagen

Die russischen Ermittlungsbehörden erklärten, sollte Seppelt tatsächlich zur WM einreisen, solle er vernommen werden. Der Journalist sei ein wichtiger Zeuge bei den Ermittlungen gegen den Doping-Enthüller Grigori Rodtschenkow. Rodtschenkow war früher Chef eines Moskauer Labors, das im Zentrum des Dopingskandals steht, und eine der wichtigsten Quellen von Seppelts Bericht über die Dopingpraktiken im russischen Sport. Er lebt versteckt in den USA.