SARS-CoV-2-infizierte Affennierenzellen
faktenfinder

Berichte über Charité-Studie Keine Wundermittel gegen Corona

Stand: 06.05.2022 13:12 Uhr

Bereits 2020 sollen an der Charité Mittel entdeckt worden sein, die einen hohen Schutz gegen Coronainfektionen bieten. Das berichten zumindest diverse "Querdenker". Tatsächlich ist jedoch das Gegenteil der Fall.

100 Prozent Schutz vor einer Corona-Infektion durch ein Medikament - und das auch noch von einem Team um den Charité-Virologen Christian Drosten nachgewiesen? Das schreibt der Autor eines Blogeintrags und behauptet: "Man sollte doch annehmen, dass Drosten diese sensationellen Ergebnisse bei jedem seiner permanenten öffentlichen Auftritte ausposaunen hätte müssen." In diversen "Querdenker"-Gruppen wird diese anscheinend in den etablierten Medien unterschlagene Studie geteilt.

Schon frühzeitig Zweifel

Was der Autor verschweigt: Die Studie vom April 2020 bezieht sich lediglich auf Laborexperimente an Zellen. Dabei wurde festgestellt, dass die körpereigenen Stoffe Spermin und Spermidin, das experimentelle Krebsmedikament MK-2206 und das Bandwurmmittel Niclosamid die Vermehrung des SARS-CoV-2-Virus bremsen.

Schon damals äußerte einer der Verantwortlichen, der Virologe Marcel Müller von der Charité, mehrere Bedenken: So sei insbesondere Spermidin erst bei einer recht hohen Konzentration nennenswert wirksam. Entscheidend für den Erfolg wäre es, dass eine Konzentration im Blut erreicht werden kann, die für eine Hemmung der Virusvermehrung in den Atemwegen ausreicht.

Die Charité riet von einer Selbsteinnahme der Substanzen ab - insbesondere auch, weil bei einer falschen Dosierung die Virenvermehrung sogar gefördert werden könne. Entscheidend sei, sie in ausreichender Konzentration ins Blut zu bringen. Dies sei problemlos möglich, behauptet der Autor des Blogeintrags, und stellt die Frage, wie viele der Covid-Todesfälle durch die Gabe von Spermidin und Niclosamid hätten verhindert werden können.

Praxisstudie widerlegt Behauptung

Eine auf Basis der Labordaten durchgeführte NICCAM-Studie der Charité zeigte jedoch bereits im November 2021, das genau dies nicht möglich ist: "Es ließ sich bei gesunden Probandinnen und Probanden jedoch keine ausreichend hohe Konzentration von Niclosamid im Blut erreichen, ohne relevante Nebenwirkungen zu provozieren. Die Studie musste deshalb leider beendet werden", teilte eine Sprecherin der Charité dem ARD-faktenfinder mit.

Umstrittenes "Wundermittel"

Spermidin wird vom Körper selbst gebildet uns ist auch in Lebensmitteln enthalten. Tatsächlich gibt es Hinweise auf mögliche pharmazeutische Anwendungen. Die Forschung ist jedoch noch in einer frühen Phase. Spermidin ist bisher als Arzneimittel in Deutschland nicht zugelassen, wird jedoch als Nahrungsergänzungmittel, unter anderem als "Jungbrunnen" und "Anti-Aging-Mittel", vertrieben. Laut der Verbraucherzentrale NRW konnte aber ein Nutzen bisher in keiner Studie am Menschen belegt werden, zudem sind mögliche Risiken noch nicht erforscht.