Polizeibeamte stehen hinter einem Absperrband in Solingen
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Attentat in Solingen Gekürzte Videos und merkwürdige Forderungen

Stand: 27.08.2024 14:54 Uhr

Nach dem Attentat in Solingen kursieren in den sozialen Netzwerken einige manipulierte Inhalte. So erweckt ein verkürzter Ausschnitt eines Videos mit dem Polizeipräsidenten den Eindruck, Deutschland sei nicht mehr sicher.

Von Pascal Siggelkow, ARD-faktenfinder

"Insofern muss jeder, auch mit sich, das klarmachen und ausmachen, ob er beispielsweise zu Festivitäten geht, ob er zu Fußballspielen geht, ob er im öffentlichen Personennahverkehr unterwegs ist" - diese Worte des Polizeipräsidenten Markus Röhrl, der auch für Solingen zuständig ist, sorgen derzeit für viel Aufregung im Netz. Der Tenor: Die Polizei könne die Bürger in Deutschland vor Attentaten wie in Solingen nicht mehr schützen und man solle sich daher gut überlegen, ob man das Haus verlässt.

Allerdings ist dieser 17 Sekunden lange Clip aus dem Kontext gerissen. Nachzusehen ist die komplette Pressekonferenz vom vergangenen Samstag mit dem Polizeipräsidenten Röhrl und weiteren Sicherheitskräften auf der Website des Nachrichtensenders Euronews. Im Original wird deutlich, dass Röhrl die Bürger eben nicht dazu aufruft, aus Sicherheitsgründen das Haus nicht mehr zu verlassen und Menschenansammlungen zu meiden.

"Das können wir überhaupt keinem empfehlen"

So sagt Röhrl unter anderem, dass es mitnichten so ist, dass eine solche einzelne schreckliche Tat immer und überall passieren wird. "Kann ja, aber es wird nicht passieren", sagt er weiter.

Mit Blick auf die eingangs zitierte Passage zu Festivitäten, Fußballspielen und dem öffentlichen Nahverkehr sagt er anschließend: "Aber die Konsequenz, wenn man zu alldem nein sagen würde, wäre ja die, dass man sich zu Hause einschließen müsste. Das können wir natürlich überhaupt keinem empfehlen, ganz im Gegenteil."

Grundsätzlich bestehe keine Sorge und es gebe auch keine Hinweise darauf, dass solche Taten in nächster Zeit in seinem Revier passieren könnten.

Verkürztes Video von tagesschau24-Schalte

Vor allem in rechtspopulistischen und rechtsextremen Kreisen wurde auch ein verkürzter Ausschnitt einer Liveschalte bei tagesschau24 am Samstagmorgen - die also zu einem Zeitpunkt stattfand, als es von Seiten der Ermittler noch keinerlei Angaben zu einem Motiv gab - mit dem WDR-Reporter Rupert Wiederwald häufig geteilt. In dem kurzen Clip sagt er: "War das ein Anschlag, den man verübt hat, weil man beispielsweise vielleicht gegen Ausländer ist? Also da gibt es diverse Möglichkeiten, die dahinterstehen."

Wiederwald wurde daraufhin vorgeworfen, die wahren Hintergründe des Attentats verheimlichen zu wollen und stattdessen über einen fremdenfeindlichen Anschlag zu spekulieren. Doch auch das ist irreführend.

In der kompletten Schalte ist zu sehen, dass Wiederwald auf die Frage der Moderatorin Damla Hekimoğlu antwortet, die wissen wollte, warum die Polizei den Unterschied mache und von einem Anschlag spreche, aber von keinem Terroranschlag. Daraufhin führt Wiederwald zunächst aus, warum die Polizei von einem Anschlag und keiner Amoktat ausgeht.

Anschließend sagt er: "Von einem Terroranschlag kann man schlicht und ergreifend noch nicht sprechen, weil es einfach keine Erkenntnisse zur Motivlage gibt. Also war das ein Anschlag, den man verübt hat, um beispielsweise islamistischen Terror zu vollbringen? Oder war das ein Anschlag, den man verübt hat, weil man beispielsweise vielleicht gegen Ausländer ist?"

Weiter sagt Wiederwald, dass es diverse Möglichkeiten gebe, und solange man nicht wisse, welche Motivlage der Täter habe, man auch erst einmal nicht von einem Terroranschlag sprechen möchte, "weil man schlicht und ergreifend nicht das Motiv benennen kann". Wiederwald gibt in der Schalte damit lediglich die Begründung der Polizei wieder, warum sie zu dem damaligen Zeitpunkt der Ermittlungen von einem Anschlag, aber nicht von einem Terroranschlag sprach.

Messer auf Volksfesten bereits verboten

Ebenfalls für Irritationen sorgten die Statements einiger Politiker, die als Reaktion auf das Attentat in Solingen strengere Waffengesetze forderten. So schrieb ein Grünen-Abgeordneter, das stärker gegen Messer vorgegangen werden müsse. Vizekanzler Robert Habeck forderte unter anderem mehr Waffenverbotszonen. Allerdings hätte das zumindest mit Blick auf die Tat in Solingen nicht viel geändert.

Denn nach Paragraf 42 des Waffengesetzes ist das Führen von Waffen unter anderem an öffentlichen Vergnügungen, Volksfesten oder ähnlichen öffentlichen Veranstaltungen bereits verboten.

Als Waffen gelten dabei neben Schusswaffen auch tragbare Gegenstände, "die ihrem Wesen nach dazu bestimmt sind, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen zu beseitigen oder herabzusetzen, insbesondere Hieb- und Stoßwaffen" (Paragraf 1 des Waffengesetzes). Auch Gegenstände zählen dazu, "die, ohne dazu bestimmt zu sein, insbesondere wegen ihrer Beschaffenheit, Handhabung oder Wirkungsweise geeignet sind, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen zu beseitigen oder herabzusetzen, und die in diesem Gesetz genannt sind".

Welche Waffen unter das Führverbot fallen, hat das Bundeskriminalamt auf seiner Seite exemplarisch abgebildet. Dazu gehören unter anderem sogenannte Einhandmesser (Messer mit einhändig feststellbarer Klinge) oder feststehende Messer mit einer Klingenlänge über zwölf Zentimeter.

In Solingen hatte der Täter auf einem Stadtfest drei Menschen getötet und acht weitere Menschen verletzt. Als Tatwaffe soll er Medienberichten zufolge ein Messer mit einer Klinge von 15 Zentimetern benutzt haben.

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