Olaf Scholz und William Ruto
faktenfinder

Fachkräftemangel Verwirrung um Migrationsabkommen mit Kenia

Stand: 17.09.2024 14:23 Uhr

250.000 Jobmöglichkeiten für junge Menschen aus Kenia verspricht sich der kenianische Präsident Ruto vom Migrationsabkommen mit Deutschland - doch die Bundesregierung widerspricht. Die Zahl kursiert bereits seit längerem.

Von Pascal Siggelkow, ARD-faktenfinder

"Dieses Abkommen wird 250.000 Arbeitsmöglichkeiten für junge Menschen aus Kenia schaffen", sagte Kenias Präsident William Ruto in einem Interview mit der Deutschen Welle nach der Unterzeichnung des Migrationsabkommens seines Landes mit Deutschland.

Kurze Zeit später wurde das Interview mit einem Hinweis versehen: "Die von Präsident Ruto in diesem Interview genannten Beschäftigungsquoten wurden später von der deutschen Regierung dementiert. Das Bundesinnenministerium stellte klar, dass diese Zahlen unverbindlich seien und verwies auf die Bestimmungen des deutschen Fachkräftezuwanderungsgesetzes."

Auch auf der Kurzmitteilungsplattform X schrieb das Bundesinnenministerium mit Bezug auf einen Medienbericht von BBC, dass die Zahl 250.000 falsch sei: "Das Migrationsabkommen zwischen Deutschland und Kenia enthält keinerlei Zahlen oder Kontingente von Fachkräften aus Kenia, die in Deutschland arbeiten könnten. Alle Bewerber müssen die Kriterien des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes erfüllen." Doch wie kam diese Zahl in Umlauf?

Innenministerium verweist auf kenianische Botschaft

Auf Anfrage des ARD-faktenfinders stellt das Bundesinnenministerium erneut klar, dass das Migrationsabkommen keinerlei Zahlen von Fachkräften aus Kenia enthalte, die in Deutschland arbeiten könnten. Mit Blick auf die 250.000 verweist das Ministerium auf die kenianische Botschaft.

Die kenianische Botschaft und die kenianische Regierung reagierten bislang nicht auf eine Anfrage des ARD-faktenfinders, wie Ruto auf diese Zahl kommt.

Ruto nannte Zahl schon öfter

Es ist nicht das erste Mal, dass vonseiten des kenianischen Präsidenten die Zahl 250.000 im Zusammenhang mit dem Migrationsabkommen erwähnt wurde. So hatte Ruto in einer Rede im Februar gesagt: "Wir stehen kurz vor dem Abschluss des Abkommens mit der deutschen Regierung, weil sie uns um 250.000 Arbeitsplätze gebeten hat, und sie will, dass wir das Abkommen vor Juni abschließen."

Auch im Mai vergangenen Jahres hatte Ruto auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundeskanzler Scholz die Zahl 250.000 genannt. In einem Pressestatement Rutos heißt es: "Der Bundeskanzler und ich haben ausführlich über die Beschäftigungsmöglichkeiten für 250.000 hoch- und geringqualifizierte Kenianer in Deutschland gesprochen, um den großen Bedarf an Arbeitskräften in Deutschland zu decken."

Transkript lässt entscheidenden Zusatz aus

In der Mitschrift der Pressekonferenz von der Seite der Bundesregierung wird Ruto mit den Worten zitiert: "Der Bundeskanzler hat mir auch gesagt, dass es eine Chance ist. Für etwa 250.000 Menschen gibt es Einwanderungsmöglichkeiten nach Deutschland. Wir begrüßen diese Öffnung sehr."

Allerdings handelt es sich dabei um ein Transkript der Simultandolmetschung. Im Originalvideo ist deutlich zu hören, dass Ruto noch den Zusatz "aus verschiedenen Ländern sagt", sich bei den 250.000 also nicht explizit auf Menschen aus Kenia bezieht.

Schriftliche Frage von AfD-Abgeordneten

Auch in einer Schriftlichen Frage des AfD-Abgeordneten Stefan Keuter aus dem Juni vergangenen Jahres wurde die Zahl 250.000 aufgegriffen. Auf die Frage, ob Kanzler Scholz gegenüber dem kenianischen Präsidenten erklärt habe, dass Deutschland 250.000 kenianische Arbeitskräfte aufnehmen möchte, antwortete die Bundesregierung:

"Nein. Der Bundeskanzler hat mit dem kenianischen Staatspräsidenten William Ruto das Potential von Arbeitsmigration besprochen und in diesem Kontext vereinbart, ein Fachgremium einzusetzen, um einen Fahrplan für die Einreise qualifizierter Arbeitskräfte von Kenia nach Deutschland zu erarbeiten und gleichzeitig die Zusammenarbeit zur Rückkehr von Personen ohne Aufenthaltsrecht in Deutschland nach Kenia zu verstärken."

Keine konkreten Angaben von Bundesregierung

Während von Seiten der kenianischen Regierung die Zahl 250.000 also bereits mehrmals fiel, wurden von Vertretern der Bundesregierung in Pressestatements keine genaueren Angaben zu dem Abkommen gemacht. So hieß es im Mai nach dem Treffen zwischen Ruto und Scholz lediglich: "In Bezug auf die Themen Mobilität und Migration erörterten die beiden Regierungschefs die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften in Deutschland und das potenzielle Angebot an Arbeitskräften aus Kenia. Sie entschieden, ein Fachgremium einzusetzen, um einen Fahrplan für die Einreise qualifizierter Arbeitskräfte nach Deutschland auszuarbeiten und umzusetzen."

Auch nach dem Abschluss des Migrationsabkommen hielt sich die Bundesregierung bedeckt zu den konkreten Inhalten. So sprach Scholz von einem wichtigen Abkommen, das helfen könne, "den eklatanten Fachkräftemangel auszugleichen, dessen erste Auswirkung wir jetzt spüren".

Abschiebungen sollen erleichtert werden

Zudem sollen mit dem Abkommen die Rückführungen von ausreisepflichtigen Kenianern in Deutschland erleichtert werden. Dabei geht es um 818 Menschen, auf die das derzeit zutrifft. Für 738 davon ist nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge die Abschiebung allerdings vorübergehend ausgesetzt, sie sind also in Deutschland geduldet.

Im vergangenen Jahr haben 459 Menschen aus Kenia in Deutschland Asyl beantragt. Das waren ungefähr 0,1 Prozent aller Asylanträge. Insgesamt sind knapp 15.000 Kenianer in Deutschland registriert.

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