Fake News
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Krieg in den sozialen Medien Erst denken, dann teilen

Stand: 01.03.2022 07:10 Uhr

Rund um den Ukraine-Krieg kursieren in sozialen Medien neben vertrauenswürdigen Inhalten auch viele Gerüchte sowie nicht verifizierte Bilder und Videos. Worauf ist zu achten, um nicht auf mögliche Desinformation hereinzufallen?

Von Patrick Gensing und Carla Reveland, Redaktion ARD-faktenfinder

Bilder und Videos von verletzten Menschen, Raketenangriffen, zerstörten Häusern, durch die Straßen rollenden Panzer und Militärfahrzeugen. Die Sozialen Netzwerke sind seit Beginn des Ukraine-Kriegs voll davon - viele Bilder und Videos lassen sich verifizieren - andere wirken zweifelhaft. Auf den ersten Blick ist oftmals nicht sofort erkennbar, ob das Material tatsächlich zeigt, was es vorgibt zu zeigen.

Die meisten Bilder und Videos lassen sich verifizieren - durch sogenannte OSINT-Recherchen. Dabei werden der Aufnahmeort identifiziert und die Aufnahmen mit anderen Bildern verglichen. So konnte beispielsweise nachgewiesen werden, dass bereits vor dem Befehl von Wladimir Putin zum Angriff spezielle Minenräumsysteme in der Ukraine unterwegs waren.

Flut an Informationen und Falschmeldungen

Fake News begleiten und beeinflussen die politischen Entscheidungen unserer Zeit: die US-Wahlen 2016 und 2020, die Brexit-Kampagne im Vereinigten Königreich, Referenden in Katalonien, Schottland und den Niederlanden, Kriege wie in Syrien sowie die Politik in Deutschland. Beispielsweise fachten gezielte Falschmeldungen die rechtsextremen Krawalle in Chemnitz maßgeblich mit an.

In Ausnahmesituationen wie der Corona-Pandemie oder nun beim Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine kursieren besonders viele irreführende oder falsche Informationen. Auch nach Amokfahrten, Anschlägen oder schweren Unfällen gehören Falschmeldungen und in den sozialen Netzwerken gestreute Gerüchte mittlerweile zum Alltag.

Das liegt unter anderem daran, dass solche Situationen erst einmal nicht eindeutig sind, Menschen schnell nach Informationen und Orientierung suchen - und oft viele Bilder oder Videos von vermeintlichen Augenzeugen im Umlauf sind. Das wird immer wieder ausgenutzt, um gezielte zu desinformieren.

Russische Staatsmedien gingen während des Krieges in Syrien sogar so weit, die Dreharbeiten für einen Spielfilm als Beleg für angebliche Inszenierungen von Kriegsverbrechen zu präsentieren.

Vor dem Angriff auf die Ukraine kursierten zahlreiche fragwürdige Behauptungen über angebliche Anschläge in den Separatistengebieten, die von Russland als Vorwand für die Anerkennung der "Volksrepubliken" genutzt wurden.

Was sind eigentlich Fake News?

Fake News ist ein Begriff, der seit einigen Jahren benutzt wird, um ein ganzes Arsenal von propagandistischen Waffen zu beschreiben. Es handelt sich bei Fake News aber nicht um rhetorische Spitzen, versehentliche sprachliche Ungenauigkeiten oder journalistische Fehler, welche allerdings für Fake News genutzt werden können. Der entscheidende Unterschied liegt in der Intention: Bei Fake News handelt es sich um bewusst irreführende Behauptungen, die gezielt verbreitet werden.

Viele Fachleute sprechen nicht von Fake News, da es sich um einen politischen Kampfbegriff handele, der zudem ungenau sei. Daher ist zumeist von Desinformation die Rede - in Abgrenzung zum englischen Begriff Misinformation, bei der es sich nicht um bewusst irreführende Inhalte handelt, sondern um versehentlich grob ungenaue Angaben oder Berichte - auch bezeichnet als "poor journalism".

Woran erkennt man Fake News?

Um Desinformation oder Fake News zu identifizieren, gibt es kein Patentrezept; es ist aber möglich, durch einige einfache Schritte Hinweise zu erhalten, ob Bilder authentisch und Informationen belastbar erscheinen.

Grundsätzlich ist die Quelle ein wichtiger Indikator dafür, ob Bilder oder Informationen vertrauenswürdig sind oder nicht. So gelten Nachrichtenagenturen wie beispielsweise dpa, AFP oder AP als vertrauenswürdige Quellen, da sie das Material vor der Veröffentlichung prüfen. Bei Bildern und Videos werden - soweit möglich - Quelle, Datum und Aufnahmeort angegeben. Auch große Nachrichtenmedien prüfen vor der Veröffentlichung Bildmaterial. Allerdings können selbstverständlich auch Agenturen und große Medien Fehler machen. Solche sollten dann transparent korrigiert werden.

Indizien, ob beispielsweise ein Social-Media-Profil vertrauenswürdig ist, können (!) die Anzahl der Follower, das Erstellungsdatum, ein blauer Haken oder der Arbeitgeber sein. Wichtig ist es, sich einen Gesamteindruck zu verschaffen: Wer erzählt mir gerade was? Und woher kommt diese Information? Und was verbreitet diese Quelle sonst? Diese Fragen können helfen, die Glaubwürdigkeit von Informationen und Bildern zu bewerten. Genauso hilft es, die Plausibilität zu bewerten - so kursiert derzeit ein Video, in dem Putin angeblich ankündigt, sich aus der Ukraine zurückzuziehen. Es handelt sich dabei um ein manipuliertes Video.

Mit der Bilderrückwärtssuche lassen sich viele gefälschte Inhalte und im falschen Zusammenhang geteilte Inhalte aufdecken. Um zu überprüfen, ob Bilder aktuell sind, kann eine Rückwärtssuche über Google oder Yandex in vielen Fällen bereits zielführend sein. Die Suchmaschinen können das Netz nach gleichen oder ähnlichen Bildern durchsuchen, so dass bereits verwendete Bilder entdeckt werden können. Da auch ähnliche Bilder angezeigt werden, können manipulierte Bilder, wie beispielsweise die Aufschriften von Protestschildern, entlarvt werden.

Wer sich unsicher ist, ob das Material seriös und authentisch ist, kann immer überprüfen, ob es dazu Faktenchecks gibt. Google bietet dafür eine spezielle Suche nach Stichworten und Sprachen an.

Erst nachdenken, dann teilen

Um Falschmeldungen zu erkennen, ist zum einen Medienkompetenz nötig, zum anderen aber auch die Bereitschaft, Inhalte kritisch zu überdenken. Dazu gehört es ebenfalls, Meldungen nicht einfach ungelesen zu teilen, weil der jeweilige Inhalt offenbar die eigene Meinung bestätigt.

Auswertungen von Desinformationsquellen haben gezeigt, dass oft nur Überschriften irreführend waren - in dem Beitrag selbst werden die Sachverhalte hingegen differenzierter und oft sogar weitestgehend korrekt dargestellt. Daher ist es stets wichtig, nicht nur eine Schlagzeile zu lesen, sondern sich die Zeit zu nehmen, den jeweiligen Inhalt zu lesen, anzuhören oder anzuschauen.

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