Der mutmaßliche Spionageball Chinas und ein vorbeifliegender Kampfjet
FAQ

Mutmaßliche Spionage Chinas Was über den Ballon-Vorfall in den USA bekannt ist

Stand: 05.02.2023 10:49 Uhr

Tagelang flog ein mutmaßlicher Spionageballon aus China über US-Territorium - nun wurde er abgeschossen. Was ist bisher über den Vorfall bekannt? Wie fallen die Reaktionen aus? Und was können solche Ballons eigentlich leisten?

Was ist passiert?

Mehrere Tage befand sich im US-amerikanischen Luftraum ein Ballon, der die Größe dreier Busse haben soll. Aus dem Pentagon hieß es, er sei bereits am 28. Januar über Alaska aufgetaucht, am 30. Januar über Kanada und am 31. Januar über dem US-Bundesstaat Idaho.

US-Präsident Joe Biden gab an, er sei am Mittwoch - also dem 1. Februar - darüber informiert worden. Das Pentagon hatte am Donnerstagabend die Sichtung des Ballons publik gemacht. Unter anderem war der Ballon im US-Bundesstaat Montana nahe einer US-Luftwaffenbasis gesichtet worden, wo mit Atomsprengköpfen bestückte Interkontinentalraketen lagern. Am Samstag berichteten Augenzeugen, sie hätten den Ballon im östlichen US-Bundesstaat North Carolina gesichtet.

Am Samstagabend deutscher Zeit brachten US-Kampfjets den Ballon auf Anweisung von Biden vor der Atlantikküste von South Carolina zum Absturz. Biden erklärte am Samstag vor Reportern, er habe den Befehl zum Abschuss schon vor mehreren Tagen erteilt. Er habe bereits am Mittwoch angeordnet, das Flugobjekt "so schnell wie möglich" abzuschießen.

Ein Risiko für die Menschen am Boden sollte ausgeschlossen werden. Daher sei entschieden worden, das Flugobjekt erst über dem Meer aber innerhalb des US-Hoheitsgebiets abzuschießen. Auch Verteidigungsminister Lloyd Austin erklärte, der Abschuss über Land wäre aufgrund der Größe und Höhe des Ballons und seiner Last zu gefährlich gewesen.

Woher kommt der Ballon und welchen Zweck erfüllt er?

Unstrittig ist, dass der Ballon aus China kommt. Welchen Zweck er erfüllen sollte, darüber gibt es von beiden Seiten unterschiedliche Angaben. Die USA bezichtigen China der Spionage mit dem Ballon. China habe versucht, strategische Standorte auf dem US-Festland zu überwachen, sagte US-Verteidigungsminister Austin. Eine Gefahr für die zivile Luftfahrt in den USA habe zu keiner Zeit bestanden. Während seines Überflugs hätten die USA unmittelbar Schritte unternommen, um die Sammlung sensibler Informationen durch den Ballon zu verhindern und dessen nachrichtendienstlichen Wert für China zu verringern, hieß es weiter.

China sprach dagegen von einem Forschungsballon, der durch "höhere Gewalt" vom Kurs abgekommen sei und sich nicht steuern lasse. Der Ballon diene nicht der Spionage, sondern der Wetterforschung, hieß es aus Peking.

Wie reagieren die USA?

US-Verteidigungsminister Austin nannte den Vorfall eine "inakzeptable Verletzung" der Souveränität der USA. Außenminister Antony Blinken hatte als Reaktion seinen eigentlich für Sonntag erwarteten Besuch in Peking abgesagt. Auch er bezeichnete das Eindringen des Ballons in den US-Luftraum als "inakzeptabel" und "unverantwortlich". Blinkens China-Reise wäre der erste Besuch eines US-Außenministers in dem Land seit 2018 gewesen.

Nach Medienberichten hätte Blinken auch von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping empfangen werden sollen. Zwar waren die Erwartungen an den Besuch nicht groß, doch gab es Hoffnungen, dass er zu einer Beruhigung in den turbulenten und schwierigen Beziehungen führt. Blinken unterstrich am Freitag, dass die USA die Kommunikationskanäle zu Peking offenhalten wollten und der Besuch bald nachgeholt werden solle, "wenn die Bedingungen es erlauben".

Wie reagiert China?

Nachdem der Vorfall zunächst in ungewohnt defensiver Weise "bedauert" worden war, ging ein chinesischer Außenamtssprecher in die Offensive: "Einige Politiker und Medien in den USA haben die Situation ausgenutzt, um China anzugreifen und in Verruf zu bringen." Die chinesische Regierung äußerte inzwischen ihre "starke Unzufriedenheit" über den Einsatz von Gewalt durch die USA gegen ein "ziviles, unbemanntes Luftschiff". Es sei eine "ernste Verletzung" internationaler Praktiken.

China behalte sich das Recht auf "notwendige Reaktionen" vor, sagte ein Außenamtssprecher in Peking. China habe die USA wiederholt informiert, dass der Ballon zivilen Zwecken diene und "durch höhere Gewalt" über die USA geflogen sei, "was völlig zufällig war". Das Pentagon habe selbst gesagt, der Ballon stelle keine Gefahr für das Militär und Menschen am Boden dar.

Wie geht es weiter?

Nach dem Abschuss des Ballons sagte ein hoher Vertreter des Pentagons, dass die Bergung des Ballons nun in vollem Gange sei. "Wie lange es dauern wird, steht noch nicht fest", sagte er. Die Trümmer befänden sich in etwa 15 Meter tiefem Wasser, was die Bergung "ziemlich einfach" machen würde. Von der Bergung der Geräte an Bord erhoffen sich die USA nähere Informationen über den Zweck des Ballons. Den nachrichtendienstlichen Schaden schätze man als eher gering ein, hieß es.

Die US-Marine schickte nach eigenen Angaben einen Zerstörer, einen Kreuzer und das amphibische Landungsschiff "Carter Hall" in das Absturzgebiet, um Trümmer zu bergen. Die Küstenwache sichere das Seegebiet zusätzlich.

Wie fielen weitere Reaktionen aus?

Erste Reaktionen kamen aus dem EU-Parlament. Der EVP-Vorsitzende Manfred Weber forderte angesichts des Vorfalls eine einheitliche Strategie des Westens gegenüber Peking. Es sei unübersehbar, dass das Verhalten Pekings gegenüber westlichen Staaten deutlich aggressiver werde. Die freie Welt müsse die Kräfte für einen "gewaltigen Systemwettbewerb mit China" bündeln, so Weber.

Was ist über einen möglichen zweiten Ballon bekannt?

Auch Kolumbien informierte am Samstag über ein unbekanntes Objekt, das in seinen Luftraum eingedrungen sei und "ähnliche Eigenschaften wie ein Ballon" aufgewiesen habe. Am Morgen des 3. Februar habe das nationale Luftverteidigungssystem in rund 17.000 Metern Höhe ein Objekt über dem nördlichen Sektor des Landes entdeckt, teilte die kolumbianische Luftwaffe mit.

Es habe "keine Gefahr für die nationale Sicherheit" dargestellt. Die Luftwaffe arbeite nun mit anderen Ländern zusammen, um die Herkunft des Objekts festzustellen. Pentagonsprecher Pat Ryder hatte am Freitag in Washington gesagt, dass ein weiterer möglicher Spionageballon über Lateinamerika schwebte. Aus Peking gab es zunächst keine Angaben zu dem zweiten Ballon.

Was können Beobachtungsballons generell leisten?

Ballons gelten als wichtige Beobachtungsplattformen. Ihr Einsatz ist nicht unüblich. Anders als Satelliten können sie an einer Stelle bleiben, müssen nicht eine neue Runde um die Erde drehen, um weitere Bilder zu machen, wie Experten schilderten. Sie könnten aus größerer Nähe beobachten, seien für Radar schwer zu entdecken. Auch könnten sie Kommunikation abfangen. Die Navigationsmöglichkeiten seien heute deutlich verbessert, so dass sie nicht mehr allein vom Wind abhingen.

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