Schatten von Personen neben einer EU-Flagge
Hintergrund

EU-Personaldebatte Wer entscheidet über welchen Posten?

Stand: 15.07.2019 09:49 Uhr

Der EU-Gipfel hat mühsam um die Besetzung mehrerer EU-Spitzenposten in einem Gesamtpaket gerungen. Doch nur bei einigen dieser Ämter liegt die Entscheidung überhaupt bei den Staats- und Regierungschefs. Ein Überblick.

Bei der Suche der EU-Staats- und Regierungschefs nach einem Personaltableau für die Besetzung mehrerer EU-Spitzenpositionen wurde seit Tagen der Eindruck erweckt, als liege die Entscheidung in dieser Frage beim EU-Gipfel. Tatsächlich ist dies laut den EU-Verträgen aber nur bei drei der fünf diskutierten Ämter der Fall. In den anderen beiden Personalien liegt das Wahlrecht beim Europäischen Parlament.

Präsident des Europaparlaments

Dass allein die Abgeordneten des Europaparlamentes ihren Parlamentspräsidenten wählen, geht unmissverständlich aus den EU-Verträgen hervor. Die Geschäftsordnung des Parlaments legt die weiteren Details fest. Demnach wird der Präsident für eine Amtszeit von zweieinhalb Jahren gewählt - und zwar zu Beginn einer Wahlperiode. Diese Wahl steht am Mittwoch auf der Tagesordnung des neu gewählten Europaparlaments. Eine weitere Wahl wird in der Mitte der fünfjährigen Wahlperiode folgen.

Um zum Präsidenten des Parlaments gewählt zu werden, ist die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich. In bis zu drei Wahlgängen können jeweils mehrere Kandidaten gegeneinander antreten - vor jedem Wahlgang sind neue Vorschläge möglich. Falls in den ersten drei Wahlgängen kein Bewerber die notwendige Mehrheit erreicht hat, dürfen zum vierten Wahlgang nur noch die beiden Kandidaten antreten, die im dritten Wahlgang die meisten Stimmen erhalten haben.

Präsident der EU-Kommission

Die Wahl des Präsidenten der EU-Kommission ist Sache des Europaparlaments. Doch das Recht, einen Kandidaten oder eine Kandidatin vorzuschlagen, hat nicht das Parlament, sondern ausschließlich der Europäische Rat (also die Staats- und Regierungschefs als Vertreter der Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten).

Die Staats- und Regierungschefs müssen sich bei ihren Beratungen im Rahmen des EU-Gipfels dabei nicht zwingend auf einen gemeinsamen Vorschlag einigen. Laut den EU-Verträgen genügt es, wenn sich eine qualifizierte Mehrheit dafür ausspricht. Eine solche qualifizierte Mehrheit ist erreicht, wenn mindestens 55 Prozent der EU-Staaten (derzeit also mindestens 16 Länder) zustimmen, die zugleich mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren müssen.

Ob die vorgeschlagene Bewerberin dann ins Amt kommt, entscheiden allein die Abgeordneten des Europaparlaments. Sie wählen den Präsidenten der EU-Kommission. Die Bewerberin braucht eine Mehrheit der Abgeordneten. Gewählt wurden 751 Parlamentarier. Allerdings konnten bislang nicht alle ihr Mandat annehmen. So gibt es noch einen Rechtsstreit um die Ernennung einiger katalonischer Abgeordneten. Nach aktuellem Stand hat das Parlament 747 Abgeordnete - die Bewerberin braucht demnach mindestens 347 Stimmen. Kommt diese Mehrheit nicht zustande, muss der Europäische Rat innerhalb eines Monats einen weiteren Kandidaten oder Kandidatin vorschlagen.

Leerer Plenarsaal der Europaparlaments in Straßburg

Die Wahl des Präsidenten der EU-Kommission ist Aufgabe des neu gewählten Europaparlaments.

Dieser Ablauf kann sich theoretisch mit immer neuen Kandidaten mehrmals wiederholen, solange sich Europaparlament und Europäischer Rat nicht einigen. Um solche Hängepartien zu vermeiden, gibt es Gespräche zwischen den Staats- und Regierungschefs und den größten Fraktionen des Parlaments.

Die Suche nach einer Lösung wurde durch einen Machtkampf zwischen dem Parlament und dem Europäischen Rat erschwert. Die meisten europäischen Parteienfamilien hatten sich vor der Wahl zum sogenannten Spitzenkandidatenprinzip bekannt. Das bedeutet, dass sie nur einen Bewerber zum Präsidenten der EU-Kommission wählen wollen, der vorher als Spitzenkandidat einer der Parteienfamilien bei der Europawahl angetreten ist. Gegen einen solchen Automatismus wehrten sich einige Regierungen, weil sie damit ihr Vorschlagsrecht ausgehöhlt sehen. In den EU-Verträgen ist das Spitzenkandidatenprinzip bisher nicht verankert. Dort heißt es lediglich, dass der Europäische Rat bei seinem Kandidatenvorschlag "das Ergebnis der Wahlen zum Europäischen Parlament" berücksichtigen muss.

Präsident des Europäischen Rates

Der Europäische Rat wählt seinen Präsidenten für eine Amtszeit von zweieinhalb Jahren. Danach ist eine Wiederwahl für eine zweite Amtszeit möglich und seit Schaffung dieser Position im Jahr 2009 auch üblich. Für die Wahl benötigt ein Kandidat laut den EU-Verträgen eine qualifizierte Mehrheit im Kreis der Staats- und Regierungschefs. Das Europaparlament spielt bei dieser Personalie keine Rolle.

EU-Außenbeauftragter

Der "Hohe Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik" - so lautet die offizielle Bezeichnung in den EU-Verträgen - wird vom Europäischen Rat ernannt. Auch hier ist bei der Abstimmung der Staats- und Regierungschefs eine qualifizierte Mehrheit erforderlich. Der Hohe Vertreter, allgemein als EU-Außenbeauftragter bekannt, ist zugleich einer der Vizepräsidenten der EU-Kommission. Die Kommission als Ganzes - einschließlich des EU-Außenbeauftragten - benötigt die Zustimmung des Europaparlaments, um ihre Arbeit aufnehmen zu können.

Präsident der Europäischen Zentralbank

Den Präsidenten der Europäischen Zentralbank wählen und ernennen die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten für eine Amtszeit von acht Jahren. Bei ihrer Entscheidung im Europäischen Rat ist laut den EU-Verträgen eine qualifizierte Mehrheit erforderlich, aber keine Einstimmigkeit. Das Europaparlament hat in dieser Frage keinen nennenswerten Einfluss - es muss lediglich angehört werden.

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