Studenten der Harvard-Universität (USA) feiern im Mai 2023 ihr Examen

Hochschulen im Visier Trumps Kulturkampf gegen die Elite-Unis

Stand: 05.12.2024 10:59 Uhr

Zu links, zu liberal: Der künftige US-Präsident Trump lässt keinen Zweifel daran, dass er die Elite-Universitäten bekämpfen will. Die Hochschulen sind in Alarmstimmung - proben aber noch nicht den Aufstand. Aus Gründen.

Wenn Donald Trump im Wahlkampf auf Amerikas Elite-Universitäten losging, war ihm der Jubel seiner Anhänger sicher. Bilder von anti-israelischen Protesten und Debatten um Transgenderrechte lieferten Munition, um die als elitär geltenden Hochschulen in Harvard, Yale oder Princeton insgesamt zu diskreditieren. In seinem Wahlprogramm "Agenda 47" versprach Trump, "unser großartiges Bildungssystem von den radikalen Linken zurückzufordern".

Wissenschafts- und Meinungsfreiheit haben auch in den USA Verfassungsrang. Doch die staatlichen Eingriffsmöglichkeiten bleiben erheblich. Um einheitliche Standards für College-Abschlüsse zu sichern, müssen die Lehrpläne von unabhängigen Agenturen zertifiziert werden.

"Diese Zertifizierungen sind unsere Geheimwaffe", drohte Trump im Juli und versprach: "Ich werde die linksradikalen Agenturen feuern, die zugelassen haben, dass unsere Colleges von durchgeknallten Marxisten und Wahnsinnigen dominiert werden."

Kontrolle von Lehrplänen

In diesen Kampf soll sich nun Linda McMahon, Trumps Kandidatin für das Bildungsministerium, stürzen und "ein für alle Mal" akademische Standards durchsetzen, die die "amerikanische Tradition und die westliche Zivilisation verteidigen".

Dass von der früheren Wrestling-Managerin auch Videos kursieren, in denen sie selbst rustikal im Ring zur Sache geht, dürfte dem anti-elitären Image der erfolgreichen Geschäftsfrau eher zugutekommen.

Kampf gegen Förderprogramme

Der Hass von Trump und seinen mehrheitlich weißen Anhängern richtet sich vor allem gegen Förderprogramme für Minderheiten, die es inzwischen an fast allen Hochschulen gibt. Die Abkürzung DEI steht dabei für Diversity (Vielfalt), Equity (Gleichberechtigung), Inclusion (Teilhabe).

Für Trump sind sie dagegen nur ein Form der Diskriminierung von heterosexuellen Weißen. Solche Programme sollen in Zukunft nicht mehr zertifiziert werden. Unis, die bestehende DEI-Konzepte nicht aufgeben, sollen ihre Steuervorteile verlieren und vom Justizministerium auf Schadensersatz verklagt werden - "bis zur Gesamthöhe ihrer Vermögen".

Mit den Strafgeldern will Trump die "Opfer" von DEI entschädigen - ein Geldregen für die treuesten Anhänger Trumps, die sich von den "woken" Liberalen diskriminiert fühlen: "Die Hochschulen haben Hunderte von Milliarden Dollar von den hart arbeitenden Steuerzahlern erhalten, und jetzt werden wir diesen anti-amerikanischen Wahnsinn ein für alle Mal aus unseren Institutionen verbannen."

Angriff auf Milliardenvermögen

Seit dem Wahlsieg Trumps herrscht an den privaten Elite-Universitäten deshalb Alarmstimmung. Denn der Angriff auf die Gelder trifft sie an ihrem verwundbarsten Punkt. Harvard, Yale und Co. finanzieren sich zu einem großen Teil aus den Erlösen gigantischer Stiftungen.

Bei Harvard geht es um mehr als 50 Milliarden Dollar, in Yale um mehr als 41 Milliarden Dollar. Und auch die als besonders links geltende Columbia-Universität in New York hat rund 13 Milliarden Dollar an Stiftungsgeldern investiert.

Bis 2017 waren sämtliche Gewinne steuerfrei - ein Privileg aus der Siedlerzeit, in der die heutigen Spitzenunis als kleine Seminare zur Predigerausbildung gegründet wurden. In seiner ersten Amtszeit hat sich Trump noch damit begnügt, einen moderaten Steuersatz von 1,4 Prozent einzuführen.

Elite-Angehörige gegen Elite-Unis

Nun droht er mit einem Steuersatz bis zu 35 Prozent. Einen entsprechenden Gesetzentwurf hatte sein Vize J.D. Vance schon 2023 in den Kongress gebracht. Noch setzen die Präsidenten der großen Unis auf stille Lobbyarbeit. Denn sie wissen: Im Kampf um die öffentliche Meinung hätten sie derzeit schlechte Karten.

Dass Vance selbst ein Yale-Absolvent ist und auch fast alle Regierungs- und Kongressmitglieder von Elite-Unis stammen, dürfte den populistischen Kulturkrieg gegen die "woken Eliten" nicht bremsen.

Pete Hegseth, als zukünftiger Verteidigungsminister nominiert, hat seine Harvard-Examen sogar vor laufender Kamera auf Fox News verunstaltet und per Post an die Universität in Cambridge zurückgeschickt.

Auf Unterstützung von links dürften die auch "Ivy League" genannten Elite-Universitäten nur begrenzt hoffen. Während sie vom Trump-Lager wegen ihrer DEI-Programme als "woke" attackiert werden, werfen ihr linke Kritiker schon lange vor, dass diese Förderprogramme dort nur ein Feigenblatt sind. Bleibende Ungerechtigkeiten im Bildungsbereich würden dadurch nicht beseitigt, sondern verschleiert.

Angemessene Steuern auf die Vermögen der reichsten Unis würden es zum Beispiel ermöglichen, die Studiengebühren an sämtlichen Community Colleges in den USA abzuschaffen. Studierende dort kommen dort häufig aus sehr armen Familien.

Evan Mandary, Rechtsprofessor an der City University of New York (CUNY), warnte deshalb schon vor zwei Jahren in Politico, dass Trump hier einen Punkt habe: "Auf der einen Seite sind die Elite-Unis nur ein Kollateralschaden im Kulturkampf. Aber das ist nicht die ganze Geschichte. Es geht darum, ob Amerika für die massiven Investitionen in Elite-Hochschulen eine angemessene Gegenleistung erhalten hat."

Aus dieser Perspektive erscheinen die Sorgen der Ivy-League-Unis wie Jammern auf ganz hohem Niveau - was es Trump leicht machen dürfte, für seinen populistischen Kampf gegen die "liberalen Eliten" zwar den Beifall von rechts, aber kaum massive Opposition von links zu finden.

Auch ärmere Unis in Sorge

Dabei würde der Kampf gegen die vermeintlich "marxistischen" Förderprogramme für Minderheiten vor allem auch Unis treffen, die sich mit ihren Finanz- und Lehrplänen darauf ausgerichtet haben, Kindern aus ärmeren Verhältnissen einen Bildungsaufstieg zu ermöglichen.

Dazu zählen auch viele Universitäten, die von den Kirchen getragen werden. Eine von ihnen liegt zum Beispiel in einer größeren Stadt im Mittelwesten, mitten in einem traditionellen Einwandererviertel, in dem überwiegend Flüchtlingsfamilien aus Afrika leben.

Die Vizepräsidentin der Uni ist bereit, darüber zu sprechen - aber nur unter der Bedingung, dass ihr Name und der der Uni nicht genannt werden: "Wir wollen uns nicht zur Zielscheibe von Trump machen."

Von den rund 4.000 Studierenden sind fast zwei Drittel Schwarze. Mehr als die Hälfte kommt aus bildungsfernen Familien und ist auf staatliche Hilfe angewiesen. Viele Programme sind nun gefährdet.

Unter den Studierenden gibt es viele, die zwar in den USA aufgewachsen sind, aber als Kind mit ihren Eltern illegal eingewandert sind. Auf die USA verteilt sind es rund 400.000, die mit ungeklärtem Aufenthaltsstatus studieren.

Kommt es zur Selbstzensur?

Jetzt geht nicht nur auf dem Campus der Universität die Angst um: vor dem Verlust von Stipendien oder sogar vor Abschiebung. "Trumps Rhetorik trifft Studierende, die oft schon Traumatisierungen mitbringen. Die müssen wir jetzt schützen. Das ist wichtiger, als sich in seinen Kulturkampf reinziehen zu lassen." Wenn es nicht mehr DEI heißen dürfe, müsse man zur Not halt einen neuen Namen für die Förderprogramme finden.

Noch ist offen, wie fest Trump die Daumenschrauben wirklich anziehen wird. Viele Professoren fürchten, dass schon die Ankündigung von Strafsteuern, Kürzung von Fördergeldern und Eingriffen in die Lehrpläne so einschüchternd wirkt, dass Universitäten ihre Förderprogramme vorauseilend zurückfahren und auf den Campus ein Klima der Selbstzensur entsteht. Auch dann hätte Trump sein Ziel erreicht.

In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, die Abkürzung DEI stehe für Diversity (Vielfalt), Equality (Gleichheit) und Inclusion (Teilhabe). Richtig ist jedoch, dass das "E" für Equity (Gleichberechtigung) steht. Wir haben die Stelle korrigiert.

Mehr zum Hintergrund dieser und anderer Korrekturen finden Sie hier: tagesschau.de/korrekturen