Ultimatum zur Visumfreiheit Türkei droht mit Bruch des Flüchtlingspaktes

Stand: 31.07.2016 19:17 Uhr

Der Flüchtlingspakt mit der Türkei hat der EU eine Verschnaufpause verschafft. Nun stellt Ankara den Deal offen in Frage - und pocht auf die versprochene Visumfreiheit für seine Bürger. Doch dafür sind noch nicht alle Bedingungen erfüllt.

Die Türkei droht der Europäischen Union ultimativ mit der Aufkündigung des Flüchtlingspakts, wenn türkischen Reisenden nicht bis Oktober Visumfreiheit gewährt wird. Außenminister Mevlüt Cavusoglu sagte der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung": "Wenn es nicht zu einer Visaliberalisierung kommt, werden wir gezwungen sein, vom Rücknahmeabkommen und der Vereinbarung vom 18. März Abstand zu nehmen."

Seine Regierung erwarte einen konkreten Termin für die zugesagte Visumfreiheit. "Es kann Anfang oder Mitte Oktober sein - aber wir erwarten ein festes Datum." Das Flüchtlingsabkommen hat - zusammen mit dem Bau des Grenzzauns in Mazedonien - dazu geführt, dass inzwischen deutlich weniger Migranten auf die griechischen Inseln übersetzen und sich über die nunmehr geschlossene Balkanroute Richtung Norden und vor allem nach Deutschland durchschlagen.

Türkei erfüllt noch nicht alle 72 Bedingungen

Die Visumpflicht für türkische Staatsbürger sollte ursprünglich ab Juli aufgehoben werden. Dieser Termin hat sich aber verschoben, weil die Türkei noch nicht alle 72 Bedingungen erfüllt hat, darunter die Reform der türkischen Anti-Terror-Gesetze. Cavusoglu sagte der Zeitung, das Flüchtlingsabkommen funktioniere, weil die Türkei "sehr ernsthafte Maßnahmen" ergriffen habe, unter anderem zur Bekämpfung der Menschenschmuggler. "Aber all das ist abhängig von der Aufhebung der Visumpflicht für unsere Bürger, die ebenfalls Gegenstand der Vereinbarung vom 18. März ist." Der Minister versicherte aber, dies solle keine Drohung sein.

Im Zentrum des EU-Flüchtlingspaktes mit der Türkei steht ein Tauschhandel. Die EU schickt Flüchtlinge und andere Migranten, die seit dem 20. März illegal in Griechenland eingereist sind, zurück in die Türkei. Für jeden zurückgeschickten syrischen Flüchtling darf seit dem 4. April ein anderer Syrer aus der Türkei legal und direkt in die EU einreisen.

Zurzeit hält die Türkei das Flüchtlingsabkommen mit der EU noch ein, wie der Sprecher des griechischen Stabes für die Flüchtlingskrise, Giorgos Kyritsis, im Staatsfernsehen ERT sagte. Zwar seien nach dem Putschversuch in der Türkei am 15. Juli an einigen Tagen mehr als 100 Menschen angekommen. Insgesamt aber sei der Zustrom nicht dramatisch gestiegen.

Erdogan will mehr Macht beim Militär

Unterdessen kündigte Erdogan zwei Wochen nach dem Putschversuch in der Türkei an, den Generalstab der Streitkräfte und den Geheimdienst MIT künftig direkt seinem Befehl unterstellen zu wollen, sowie die Chefs von Marine, Luftwaffe und Bodentruppen dem Verteidigunsministerium. Dies sagte der islamisch-konservative Politiker am Samstag in einem Interview mit dem Sender A Haber. Dafür notwendig ist eine Verfassungsänderung.

Weil Erdogans Partei AKP nicht über die notwendige Zweidrittelmehrheit verfügt, soll es Gespräche mit der Opposition geben. Der Geheimdienst wird momentan vom Ministerpräsidenten gesteuert, die Armee agierte bisher weitgehend autonom unter dem Generalstab. Per Dekret entließ Erdogan weitere 1389 Soldaten unehrenhaft aus den Streitkräften - unter ihnen auch einen seiner ehemaligen Berater.

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