50 Jahre Assoziierungsabkommen mit der Türkei Westwärts - aber auch in die EU?

Stand: 12.09.2013 09:10 Uhr

Vor 50 Jahren schlossen die Türkei und die damalige EWG ein Assoziierungsabkommen. Das Ziel: Die Türkei soll irgendwann Mitglied werden. Das ist sie immer noch nicht - und die Gezi-Proteste haben der EU-Debatte eine neue Wendung gegeben.

Von Thomas Bormann, ARD-Hörfunkstudio Istanbul

Frostig sind derzeit die Beziehungen zwischen der Türkei und der EU. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan warf der EU vor kurzem vor, eine Schmierenkampagne gegen die Türkei zu führen und bewusst falsche Meldungen über die Einsätze der türkischen Polizei gegen Demonstranten zu streuen. Das aber seien "Alltagsprobleme", meint der türkische Minister für die Beziehungen zur EU, Egeman Bagis. Die große Linie sei nach wie vor klar: "Die Türkei ist auf dem Weg in die EU - das ist unser klares Ziel".

Autobahnen wie in Deutschland, Mode wie in Italien

Doch Bagis fügt auch an, viel wichtiger als der Beitritt sei doch, den Lebensstandard in der Türkei weiter zu verbessern. "Wir wollen in allen 81 Provinzen der Türkei Autobahnen nach dem Standard von Deutschland; wir wollen ein Bildungssystem so gut wie in England; wir wollen Markenartikel und Mode herstellen wie in Italien; wir wollen Menschenrechte und Meinungsfreiheit garantieren wie in Schweden. Das ist unser Ziel."

Heute sei es in der Türkei schon besser als gestern und morgen werde es noch besser sein, so Bagis. "Denn unser Wahlspruch lautet: Niemals Stillstand, sondern immer weiter mit Reformen." Der Minister lässt dabei offen, ob die Türkei überhaupt noch einen Beitritt in die EU anstrebt, wenn sie all diese Ziele möglicherweise auch ohne EU-Mitgliedschaft erreichen kann.

"Sie bestrafen die türkische Demokratiebewegung"

Professor Cengiz Aktar von der Bahcesehir-Universität in Istanbul warnt davor, dass sich die Türkei und die EU im Streit um die Gezi-Proteste und um brutale Polizeieinsätze auseinander bewegen. Wenn die Politiker der wichtigen EU-Länder wie Deutschland jetzt die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei immer weiter verzögerten, träfen sie die Falschen: "Sie bestrafen die türkische Demokratiebewegung und die Zivilgesellschaft, weil sie sich über die türkische Regierung ärgern."

Die Demokratie-Bewegung in der Türkei stehe für Umweltschutz, für Meinungsfreiheit, für eine liberale Gesellschaft. Diese junge Demokratie-Bewegung, so sagt Professor Aktar, habe eine klare Botschaft: "Wir sind wie ihr, wir sind Europäer, das ist die Botschaft."

"Erdogan der Richtige für diese Aufgabe"

Die EU-Begeisterung mag in der Türkei etwas abgeflaut sein, aber die Mehrheit will immer noch, dass die Türkei gleichberechtigtes Mitglied der EU wird. Die Türkei sei ja nicht erst seit 50 Jahren auf diesem Weg, meint ein junger Mann in Istanbul, sondern sie strebe seit 90 Jahren, seit der Gründung der Republik, an, zum Westen zu gehören. "Ich finde es aber auch richtig, dass die Europäische Union wegen der Proteste und wegen der Haltung der türkischen Regierung dazu über weitere Verhandlungen erst einmal nachdenkt", sagt der Mann, der sich selbst auch zur jungen, türkischen Demokratiebewegung zählt.

Anders eine junge Frau, die Kopftuch und Mantel trägt. Aber auch sie ist für den Beitritt der Türkei in die EU, weil das den Minderheiten in der Türkei mehr Rechte garantiert: "Für die Kurden gibt es ja schon Fortschritte. Das muss so weitergehen, auch für andere ethnische Gruppen, am wichtigsten sind aber derzeit die Verhandlungen mit den Kurden. Und ich denke, unser Regierungschef Erdogan ist genau der Richtige für diese Aufgabe."

Sowohl Anhänger als auch Gegner der Regierung Erdogan hoffen darauf, dass eines Tages wahr wird, was das Assoziierungsabkommen im Jahr 1963 in Aussicht gestellt hat: dass die Türkei Mitglied der Europäischen Union wird.

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