Streit um die Spratly-Inseln Chinas Bagger schaffen Fakten

Stand: 04.03.2015 16:16 Uhr

Die meisten der Spratly-Inseln sind eher Riffe, die kaum aus dem Wasser ragen. Dennoch beanspruchen mehrere Staaten das Gebiet - wegen der strategischen Lage und möglicher Bodenschätze. China schafft nun mit schwimmenden Baggern Tatsachen.

Von Marc Leonhard, tagesschau.de

China wächst. Quadratmeter um Quadratmeter trotzen Schwimmbagger der See Fläche ab. Dies geschieht allerdings nicht an den Küsten der Volksrepublik, sondern im Südchinesischen Meer. Hunderte Kilometer vom Festland entfernt schütten chinesische Schiffe in der Inselgruppe der Spratlys bisher fast ausschließlich unter der Wasseroberfläche befindliche Riffe, Untiefen und Sandbänke zu Inseln auf. Dies zeigen Satellitenaufnahmen der Beratungsfirma IHS Jane´s, die sich auf strategische Analysen spezialisiert hat.

Diese Arbeiten sind politisch brisant, weil sowohl die Volksrepublik China als auch Vietnam und Taiwan einen Rechtsanspruch auf die gesamte Inselgruppe erheben. Die Philippinen, Malaysia und das kleine Königreich Brunei erheben Besitzansprüche über einige der mehr als 100 kleinen Inseln und Riffe. Außer Brunei übt jeder dieser Staaten die faktische Kontrolle über einige der Inseln aus. Aufgrund der geringen Größe der meisten Spratly-Inseln manifestiert sich diese Kontrolle in der Regel durch Garnisonen, die in kleinen Häusern auf Betonplattformen stationiert sind. Ansonsten sind die Inseln unbewohnt.

Eine Landebahn auf Fiery Cross Reef?

Die chinesischen Arbeiten bedrohen ein fragiles Gleichgewicht, das bis auf wenige Ausnahmen jahrzehntelang gehalten hat. Das wirtschaftlich, politisch und nicht zuletzt militärisch den anderen Staaten deutlich überlegene China kontrollierte in den Spratlys bisher nur Außenposten, die symbolischen Charakter haben. Dies ändert sich durch die Aufschüttungen radikal.

Das Ausmaß der Veränderungen ist vor allem auf Fiery Cross Reef, weit im Westen der Inselgruppe zu beobachten. Bis Sommer 2014 gab es dort nur einen Bunker, inzwischen hat die Insel eine Größe von mehr als zwei Quadratkilometern. Auf den Satellitenbilder sind ein Hafen und mehrere in Bau befindliche Gebäude zu sehen. Die Form der Insel legt zudem nahe, dass eine Landebahn errichtet werden soll. Diese könnte bis zu drei Kilometer lang sein und wäre somit nicht nur lang genug für Abfangjäger, sondern auch für große Transportflugzeuge und Bomber. Der Bau an einer Startbahn hat allerdings noch nicht begonnen.

Große Erweiterungen hat China auch am Hughes Reef und den Gaven Reefs vorgenommen. Nach der Aufschüttung und dem Bau von Uferbefestigungen wurde auf beiden Inseln mit dem Bau größerer Strukturen begonnen.

"Die Chinesen scheinen dabei nach einem ähnlichen Muster wie auf den ebenfalls umstrittenen und weiter nördlich gelegenen Paracel-Inseln vorzugehen", erläuterte der IHS-Jane´s-Defense-Weekly- Analyst James Hardy gegenüber tagesschau.de. Auf beiden der Spratly-Inseln werde ein Hauptgebäude mit einen Turm an jeder Ecke errichtet. Die genaue Verwendung sei unklar, möglich sei eine Nutzung für elektronische Aufklärung und Überwachung. Darauf deute zumindest in einer ähnlichen Einrichtung auf den Paracel-Inseln die Beförderung von Mitarbeitern hin, die einen 24-stündigen Schichtdienst suggerieren, wie er für die militärische Aufklärung üblich und notwendig sei, so Hardy. Darüber hinaus könnten Flugabwehrstellungen gebaut werden. 

Küstenwache bedrängt Nachbarn

Völkerrechtlich entstehen aus den chinesischen Aufschüttungen keinerlei neue Ansprüche. Im Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen UNCLOS (United Nations Convention on the Laws of the Sea) ist festgelegt, dass nur natürlich entstandene Territorien Ansprüche generieren. Aufgeschüttetes und erweitertes Land hat hingegen laut internationalem Recht keine Auswirkungen.

Dies hindert China allerdings nicht daran, seine faktische Kontrolle über die Spratlys auszuweiten. Diesen Trend beobachte er seit Ende 2008, sagt Professor Peter Dutton, der am US Naval War College das China Maritime Studies Institute leitet. Die Volksrepublik habe nicht nur ihre rechtliche Zuständigkeit über die Inseln, die angrenzende See und die Fischerei erklärt, sondern auch in ihre Küstenwache investiert. Die Schiffe der Küstenwache hätten nun eine deutlich größere Reichweite und würden auch im Südchinesischen Meer eingesetzt.

Dort "erhöhte China den Druck auf die anderen Staaten", sagte Dutton zu tagesschau.de. "Die Schiffe stören die vietnamesische und philippinische Suche nach Ölvorkommen. Zudem verdrängen sie philippinische Fischer in der Gegend um das Scarborough Riff", das ebenfalls im Südchinesischen Meer liegt.

Vietnam erweitert Southwest Cay

China selbst verteidigt die Aufschüttungen der Spratly-Inseln damit, dass auch die anderen Staaten dies getan hätten. Dies trifft vor allem auf Vietnam zu. Seit 2005 wurde die Insel Southwest Cay, weit im Norden der Inselgruppe, massiv verändert. Dort sei ein neuer Hafen gebaut und die Bewaffnung der Küstenverteidigung verstärkt worden, so Analyst Hardy. Dies dürfe trotz der chinesischen Aktivitäten nicht übersehen werden. Es gebe aber einen großen Unterschied: "Vietnam hat eine existierende Insel erweitert, China erschafft neue Inseln."

Vor allem die Philippinen, aber auch Vietnam haben vehement gegen die chinesischen Bautätigkeiten protestiert, die seit Sommer vergangenen Jahres im großen Stil vorangetrieben werden. Bei der Lösung der Krise weist Hardy dem Verband Südostasiatischer Nationen, ASEAN, eine entscheidende Rolle zu.

Die Glaubwürdigkeit der internationalen Organisation hänge zentral davon ab, ob die konkurrierenden Staaten sich über ihre Ansprüche im Südchinesischen Meer verständigen könnten, so Hardy. Nötig seien verbindliche Verhaltensregeln.

ASEAN hatte bereits früher in dem Konflikt vermittelt. Im November 2002 unterzeichneten die vier ASEAN-Staaten Brunei, Malaysia, Philippinen und Vietnam sowie China und ein Vertreter Taiwans eine "Erklärung über das Verhalten im Südchinesischen Meer". Darin wurde festgelegt, dass Streitigkeiten durch Verhandlungen und nicht durch militärische Drohungen gelöst werden sollten. Diese Erklärung ist allerdings nicht bindend.

UN sollen schlichten

Die philippinische Regierung verlässt sich nicht allein auf ASEAN. Sie hat auf Grundlage des  Seerechtsübereinkommens eine Schlichtung bei den Vereinten Nationen beantragt. Vermutlich noch diesen Sommer wird das UN-Schiedsgericht entscheiden, ob es zuständig ist. Sowohl an die Philippinen als auch an China wurden bereits erste Fragenkataloge weitergeleitet.

Aus China liege dem Schiedsgericht derzeit nur eine "nicht offizielle Antwort" vor, erklärt Dutton, die auf einem Positionspapier des Außenministeriums in Peking beruhe. Das Land habe aber noch bis zum 16. Juni Zeit, sich in dem Schlichtungsverfahren zu äußern.

Bagger in gefährlichen Gewässern

Der Analyst Hardy hat allerdings wenig Hoffnung, dass die UN-Schlichtung des Streit über die Spratly-Inseln lösen könne. "Wie auch immer die Entscheidung ausfallen wird, China wird sie ignorieren", ist Hardy überzeugt.

Bisher scheint dieser Pessimismus gerechtfertigt: Fotos der US-Denkfabrik Center for Strategic and International Studies zeigen einen Schwimmbagger am von China kontrollierten Mischief Reef. Das Riff liegt innerhalb der von UNCLOS geregelten Ausschließlichen Wirtschaftszone der Philippinen, nur etwa 200km von der Küste der Provinz Palawan entfernt.

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