Wladimir Putin
Analyse

Russland in Syrien Eine Chance für Putin

Stand: 14.10.2019 04:29 Uhr

Russland ist längst der führende Player in Syrien. Durch die Offensive der Türkei im Norden muss Präsident Putin nun aber zwischen zwei Partnern vermitteln. Was bedeutet das für Moskaus Rolle?

Eine Analyse von Ina Ruck, ARD Moskau

Die Sache sei eindeutig, sagte Russlands Präsident Wladimir Putin erst am Sonntag in einem Interview: Wer sich illegal in einem Land aufhalte, der müsse schleunigst raus. Gemeint ist Syrien, und raus müssen demnach die Amerikaner. Deren Militär sei schließlich, anders als das russische, gegen den Willen der syrischen Führung im Land. Aus russischer Sicht wäre ein vollständiger amerikanischer Abzug also nur folgerichtig.

Jenseits der offiziellen Rhetorik gibt es aber auch Skepsis. Denn ohne die USA steige auch für Russland das Risiko, glaubt Fjodor Lukjanow, Außenpolitik-Experte und Forschungsdirektor des regierungsnahen Valdai-Clubs: "Natürlich ist es in Russlands strategischem Interesse, dass die USA rausgehen aus Syrien. Auf der anderen Seite waren die amerikanischen Soldaten in der sehr komplizierten Gemengelage der vergangenen beiden Jahre ein wichtiger Sicherheitsfaktor und Stabilisator, und das war eigentlich allen Beteiligten recht."

Russlands Präsident Putin und sein türkischer Amtskollege Erdogan besichtigen ein Kampfflugzeug des Typs Suchoi Su-57 der fünften Generation.

Putin und Erdogan bei der Internationale Luft- und Raumfahrtmesse (MAKS).

Putin rettete Assad

Der Syrien-Fachmann Kirill Semjonow, der für den AL-Monitor schreibt, sieht vor allem ein Problem: Ohne die Amerikaner würde es für Moskau schwieriger, zwischen seinem strategischen Partner Ankara und seinem Schützling in Damaskus zu lavieren. Deren Interessen widersprächen sich diametral: "Wenn die USA abziehen, wird Baschar al-Assad versuchen, seine Militäroperation auszuweiten - in die Richtung, in der die türkischen Streitkräfte jetzt vorrücken. Ich glaube zwar, Moskau kann einen Zusammenstoß verhindern. Aber es wird schwierig: Denn je mehr Erfolg Assad hat, desto weniger hört er auf Russland. Obwohl es doch Russland ist, das ihm diese Erfolge beschert."

Als russisches Militär 2015 ins Kampfgeschehen eingriff und die ersten Luftangriffe flog, hatte Assad bereits die Kontrolle über weite Teile Syriens verloren, ohne jede Chance auf Machterhalt, so schien es damals. Doch russische Kampfjets bombten ihm mit flächendeckenden Angriffen den Weg frei - ohne Rücksicht auf Verluste. Heute, gut vier Jahre später, kontrolliert Assad wieder zwei Drittel des Landes. Und Russland ist der wichtigste und stärkste Player - nichts geht mehr ohne Moskau in Syrien.

Zweifel an Trumps Zielen

Und zwar nicht erst, sagt Außenpolitik-Experte Lukjanow, seit Trump von Abzug redet: "Trumps Gegner behaupten jetzt, er habe Putin Syrien  überlassen. Aber das ist Wahlkampf-Propaganda. Niemand hat Putin Syrien geschenkt. Er ist selbst dort reingegangen, als die Lage besonders schwierig war. Er hat viel riskiert - und war erfolgreich."

Dass Trump wirklich ernst macht mit dem kompletten Abzug, glaubt Lukjanow nicht - dazu gebe es innenpolitisch zu viel Kritik: "Die Entscheidung, die Kurden fallen zu lassen, kommt bei den evangelikalen christlichen Stammwählern nicht gut an, die sehen die Kurden als wichtige Verbündete gegen Muslime. Und für Trump ist der Wahlkampf jetzt das Allerwichtigste." Er rechnet damit, dass Trump auf halbem Weg kehrt macht - und es nur eine Truppenreduzierung gibt.

Was Assad stärkt, stärkt Putin

Die jüngste Entwicklung in Syrien kam nach Ansicht beider Experten nicht so unerwartet, wie es dargestellt werde. Auch sei die türkische Offensive entgegen den offiziellen Stellungnahmen "kein großes Problem für Russland", sagt Semjonow: "Der Einmarsch hat uns nicht wirklich überrascht. Wahrscheinlich war er sogar vorher mit Moskau abgestimmt."

Das glaubt auch  Lukjanow - Ankara habe sich mit Washington und Moskau abgesprochen, und es gebe klar definierte rote Linien, die nicht überschritten werden dürften. "Die Absprache könnte sein, dass die USA sich nur ein Stück weit zurückziehen, um der Türkei Spielraum für ihre Sicherheitszone zu geben. Russland kann damit leben, denn der Vorteil liegt auf der Hand: die Kurden verlieren das Vertrauen in Washington, sind gezwungen, sich an Assad und an Moskau zu wenden. Bislang waren sie nicht bereit, beim neuen Syrien mitzumachen. Jetzt haben sie keine Wahl mehr."

Trotz aller Risiken für Russland sei die neue Lage also auch eine Chance für Russland, dessen erklärtes Ziel es ist, Assad weiter zu stärken. Und was Assad stärkt, stärkt auch Russlands Einfluss in der Region.

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