Jordi Alba (links) und Luis Suarez bei einem Freundschaftsspiel in Katar am 6. Februar 2013

Deutscher Arzt als Mittler Plötzlich Katars Fußball-Agent

Stand: 08.11.2017 14:29 Uhr

Ein deutscher Arzt verschob Hunderttausende Dollar für ein Topspiel des damaligen Fußball-Weltmeisters Spanien in Katar. Hinter seiner merkwürdigen Geschichte stecken möglicherweise Verbindungen zum FIFA-Korruptionsskandal.

Von Markus Sehl, NDR

Es war der Abend des 6. Februar 2013 in Katars Hauptstadt Doha. Auf dem Rasen des Fußballstadions begann das Top-Fußballspiel Spanien gegen Uruguay. In der Startaufstellung standen damals Stars wie Sergio Ramos, Iniesta oder Luis Suarez. Das Spiel war ein gigantischer Werbe-Coup für den Fußball-Zwerg Katar, der 2022 die WM ausrichten wird. Mit dem Anpfiff hatte ein deutscher Fußchirurg ein gutes Geschäft gemacht.

Eilige Firmengründung 2012

Die merkwürdige Geschichte um den Fußchirurgen begann im November 2012. Der Mann soll hier Stefan Wiesnick heißen, sein richtiger Name ist dem NDR bekannt. Er schrieb damals der Anwaltskanzlei Appleby auf den Seychellen, dass er ein Unternehmen mit dem Namen E.S.M. Group Ltd. gründen wolle. Seine Firma werde im Bereich des "Eventmanagment, Sportmarketing, Sport- und Veranstaltungsberatung" tätig sein, kündigte er an.

Er brauche die Firma so schnell wie möglich. "Wir können nicht riskieren, das Spiel, das wir mit Katar 2022 arrangiert haben, zu verlieren", schrieb er. "Katar 2022" ist die Fußball-Marketingagentur des Emirats. Er selbst sei noch neu in der Welt des Sportmarketings, berichtete Wiesnick weiter. Sein erster Deal aber war ein Hammer: Der amtierende Europa- und Weltmeister Spanien gegen den Südamerika-Champion Uruguay.

Ähnliche Fälle im Visier der US-Ermittler

Die "Paradise Papers" zeigen, wie der deutsche Arzt Wiesnick sich in ein Netz aus Offshore-Firmen, internationalen Sportrechte-Agenturen, dubiosen Zahlungen und womöglich sogar den FIFA-Korruptionsskandal verstrickte. Denn Freundschaftsspiele wie jenes, das Wiesnick organisiert haben will, wurden in der Vergangenheit genutzt, um hohe Geldsummen unauffällig an Fußballverbände und Funktionäre zu verteilen. Das ist jedenfalls der Verdacht von US-Staatsanwälten, die gegen die FIFA ermitteln.

Als Wiesnick die Firma gründete, ihr Direktor und alleiniger Anteilseigner wurde, war er Anfang 30. Er hatte sein Medizinstudium abgeschlossen und arbeitete als Orthodpädie-Arzt in einer Klinik in einer deutschen Kleinstadt. Sein Spezialgebiet ist die komplexe Vorfuß- und Rückfußchirurgie.

Daneben, so zeigen es die "Paradise Papers", unterschrieb er Verträge mit Saoud al Mohannadi, mächtiger Generalsekretär des Fußballverbandes von Katar. Allein in einem Geschäft ging es um Zahlungen von 800.000 US-Dollar, davon sollten mindestens 175.000 Euro als Provision bei seiner E.S.M. Group bleiben. Wiesnick arbeitete Vollzeit in der Klinik - es bleibt sein Geheimnis, wie er nebenbei noch ein Top-Spiel mitorganisierte.

Ausweislich der Unterlagen liefen über das E.S.M.-Konto, das Appleby für die Firma bei einer Bank in Mauritius eröffnet hatte, Hunderttausende Dollar. Das Geld stand offenbar im Zusammenhang mit dem Freundschaftsspiel zwischen Spanien und Uruguay. Überwiesen wurden auch hohe Beträge an Unternehmen wie die Full Play Group S.A., gegen die in der FIFA-Korruptionsaffäre rund um die WM-Vergabe an Katar ermittelt wird.

Jordi Alba (links) und Luis Suarez bei einem Freundschaftsspiel in Katar am 6. Februar 2013

Hinter dem Freundschaftsspiel in Katar am 6. Februar 2013 steht ein deutscher Chirurg.

Auch das Freundschaftsspiel vom Februar 2013 zwischen Spanien und Uruguay geriet womöglich ins Visier der FIFA-Ermittler in New York. Die Bank von Wiesnicks E.S.M.-Konto schrieb im Juni 2015 in einer E-Mail an die Kanzlei Appleby, sie habe eine "dringende Anfrage" zu den Geschäftskontakten und Kontounterlagen der E.S.M. erhalten. Solche Anfragen an Banken können grundsätzlich nur von staatlichen Stellen stammen. Ob hinter der Anfrage wirklich die US-Ermittler stecken, lässt sich aus den Dokumenten nicht endgültig klären.

Arzt bat, keine Namen zu nennen

Die Dokumente aus den "Paradise Papers" können nur einen Ausschnitt einer komplexen Geschichte zeigen, aber sie geben für einen Moment einen Einblick in die dunkle Welt der Offshore-Geschäfte, die auch dem weniger schönen Teil des Fußballs Deckung bietet.

Warum wagte sich Stefan Wiesnick in diese Welt? Ganz wohl schien ihm dabei nicht zu sein. Er schrieb an die Kanzlei, dass er das Unternehmen zusammen mit einem befreundeten Geschäftspartner gründe, ein "high profile event and sports manager". Der wolle aber wegen eines Rechtsstreits mit seinem Ex-Arbeitgeber nicht mit seinem Namen in Erscheinung treten. Auch Wiesnicks richtiger Name solle deshalb lieber nicht auftauchen.

Appleby wurde misstrauisch

Die Kanzlei Appleby wurde misstrauisch. An Wiesnicks Stelle übernahm ausweislich der Unterlagen immer wieder dessen Assistentin "Barbara" die Geschäfte. Sie führte Telefonate und schrieb E-Mails für die E.S.M.

Appleby fiel auf, dass sie sich besser mit den Geschäften auskannte als Chef Wiesnick selbst. "Wir glauben, dass er nur ein Strohmann des Unternehmens ist", schrieb eine Mitarbeiterin von Appleby über Wiesnick. Die Kanzlei erwog sogar, den Fall der Finanzaufsicht der Seychellen zu melden. Aus den vorliegenden E-Mails ist nicht ersichtlich, ob das geschehen ist.

Steht Sportmanagerin Tina S. hinter dem Arzt?

Im Jahr 2015 tauchte plötzlich eine Frau namens Tina S. in dem internen E-Mail-Verkehr der Kanzlei auf. Sie sollte offenbar die E.S.M Group Ltd. von Wiesnick übernehmen. "Wir warten noch auf die Dokumente", heißt es in einer internen E-Mail von Appleby. Danach soll die Firma offenbar auf S. übergehen.

S. arbeitete jahrelang als Sportmanagerin. Zuletzt leitete sie die internationalen Geschäftsbeziehungen für die Kentaro Group, eine der großen Sportrechte-Agenturen der Welt. Sie war vor allem für die Kontakte in den Nahen Osten zuständig. Der Geschäftsführer ihres ehemaligen Arbeitgebers Kentaro bestätigte das. Und er erzählt von einem ihrer besonders wichtigen Kunden aus dieser Zeit: Katar 2022.

Carles Puyol mit Hamad bin Khalifa Al Thani (inks) und Hassan Al-Thawadiat

Carles Puyol erhält bei dem Freundschaftsspiel gegen Uruguay in Katar einen Preis.

Es gibt weitere Spuren, die darauf hindeuten, dass eigentlich S. hinter der E.S.M. Group steckt. Knapp 50.000 US Dollar gingen von dem E.S.M.-Konto an einen Mann, mit dem Tina S. 2015 eine eigene Agentur für Sportveranstaltungen gründete. Weiter flossen über 100.000 US Dollar an eine Schweizer FIFA-Agentin, eine ehemalige Kollegin von Tina S.

Wiesnick ist mit Tina S. auf Facebook befreundet. Beide sind im gleichen Alter und in derselben Stadt aufgewachsen. Der Verdacht liegt nahe, dass er sich für eine alte Freundin hat einspannen lassen, damit die ihre Geschäfte in der Sportrechte-Branche heimlich fortführen konnte. In einer Stellungnahme bestreitet Wiesnick nicht, dass er mit Tina S. bei E.S.M. zusammengearbeitet habe.

Ernsthafte Konsequenzen für den Arzt möglich

Für Wiesnick könnte der Ausflug in die Welt des internationalen Fußballgeschäfts bittere Konsequenzen haben. So dürften für seinen Nebenjob Steuern fällig geworden sein und er hätte seinen damaligen Arbeitgeber über seine Nebentätigkeit informieren müssen. Falls die Gelder, die über sein Konto flossen, Schmiergelder gewesen sind, könnte Wiesnick sogar ein Strafverfahren wegen Geldwäsche drohen.

Wiesnick betont gegenüber NDR, WDR und "SZ", dass nichts im Zusammenhang mit der E.S.M. "unrechtlich oder illegal" war. Mit den Anschuldigungen gegen Katar und Firmen wie Full Play habe er weder etwas zu tun noch wisse er etwas darüber. Zu seiner eigenen Rolle schreibt er: "(...) nur weil jemand einen Beruf nicht gelernt hat oder in weiteren Berufsfeldern arbeitet als nur seinem studierten, macht dies die Tätigkeit nicht dubios." Tina S. reagierte nicht auf Anfragen.

Unklar bleibt letztlich, an wen das Geld der E.S.M. alles geflossen ist. Ende März 2015 zeigte ein Kontoauszug der E.S.M. Group bei der Bank auf Mauritius noch ein Guthaben von 196.592,93 US-Dollar. Danach bricht die Spur in den Daten ab.

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